Ein Vertrauensbeweis sieht anders aus. Auf die Frage eines britischen Umfrageinstituts, wen sie gerne an der Spitze ihrer Partei sehen würden, antworteten jüngst nur noch 45 Prozent der Konservativen mit dem Namen ihres gegenwärtigen Premiers: Rishi Sunak. Keine beneidenswerte Ausgangslage also für den einstigen Hedgefonds-Manager, der nach allen Voraussagen noch im heurigen Herbst die britischen Tories in eine Neuwahl des Unterhauses führen muss. Im Hintergrund werden innerhalb der Partei bereits die Messer gewetzt, zahlreiche Hardliner machen sich bereit für die Nachfolge von Sunak für den Fall der erwarteten großen Wahlniederlage.

Unter dem Slogan "Stop the Boats" will Premier Rishi Sunak endlich Erfolge bei der Abschiebung von Asylsuchenden vorweisen können.
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Zeit daher für Sunak, einen Erfolg vorweisen zu können. Doch den gab es auch am Mittwoch nicht: Mit deutlicher Mehrheit schickte das britische Oberhaus, das House of Lords, einen Gesetzesentwurf zurück ans Unterhaus, mit dem Sunak endlich einen Erfolg in der Migrationspolitik feiern wollte. Diese hat der Premier nämlich im Auge, um vor dem Wahlvolk mit besonderer Härte glänzen zu können und seinen internen Herausforderern und Herausforderinnen das Wasser abzugraben.

Es geht um die Pläne der Regierung, jene Menschen außer Landes zu bringen, die meist mit Schlauchbooten über den Ärmelkanal kommend auf der Insel ankommen und sich dort als Flüchtlinge registrieren lassen. Ein Vertrag mit Ruanda, das die Flüchtlinge zur Bearbeitung ihres Asylansuchens aufnehmen soll, war schon im April 2022 geschlossen worden, die Ausführung dann aber mehrfach vor Gericht gescheitert.

Sicheres Land via Gesetz

Abhilfe schaffen sollte eine neue Bestimmung. Weil das britische Höchstgericht Abschiebungen mit dem Argument blockiert, dass Ruanda kein sicherer Drittstaat sei, will die Regierung das ostafrikanische Land via Gesetz zu einem solchen erklären. Das Unterhaus hat diesem "Safety of Rwanda Bill" schon mehrfach mit der konservativen Mehrheit zugestimmt. Das Vorhaben war dann aber jeweils am Oberhaus gescheitert, wo eine große Zahl politisch nicht eindeutig zuordenbarer Abgeordneter immer wieder für Überraschungen sorgt. Das Oberhaus kann laut der britischen Realverfassung vom Unterhaus beschlossene Gesetze bis zu ein Jahr lang blockieren oder verändern.

Die damalige Innenministerin Priti Patel und der ruandische Außenminister Vincent Biruta hatten den Deal bereits 2022 ausgehandelt.
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Im konkreten Fall geht es um Letzteres: Ganze zehn Abänderungsanträge haben die Lords bei ihrer Abstimmung über das Vorhaben vorige Woche eingebracht und das Gesetz dann zur Zustimmung zurück an das Unterhaus geschickt. Dort lehnte die aus Tory-Abgeordneten bestehende Mehrheit die Änderungen, die Abschiebungen massiv erschwert hätten, allerdings am Montag ab. Das sogenannte parlamentarische Pingpong war damit eröffnet: Denn nach einer solchen Ablehnung geht das Gesetz wieder zurück an das Oberhaus. Und dieses war am Mittwoch erneut zur Abstimmung aufgerufen. Für dieses Votum hatte die Opposition der Labour-Lords erneut fünf Abänderungsanträge in Aussicht gestellt. Gleich der erste, der besagt, dass das neue Gesetz internationalem Recht entsprechen muss, ging durch. Damit ist wieder das Unterhaus am Wort, das ihn vermutlich in einer kommenden Sitzung wieder streichen wird. Bis Sunak mit seinem Vorschlag durchkommt, kann also noch viel Zeit vergehen.

Migranten im Weltall

Während sich Sunak für den Tag der ersten Abschiebungen einen Popularitätsschub erhofft, versucht Labour mit einem Verweis auf die massiv gewachsenen Kosten des Deals, der zudem nur einen kleinen Teil der 30.000 pro Jahr ankommenden Flüchtlinge umfassen kann, zu punkten. Insgesamt 370 Millionen Pfund (433 Millionen Euro) hat die britische Regierung ihrem Gegenüber in Kigali für das Abkommen versprochen. Ruanda ist dafür bereit, mehrere Hundert Personen aufzunehmen, zu versorgen und die Asylverfahren durchzuführen. Rund zwei Millionen Pfund kostet die britische Regierung damit die Abschiebung einer einzigen Person, rechnete jüngst der Labour-Abgeordnete Neil Coyne der Regierung vor: "Ist dem Minister bewusst, dass er für weniger Geld sechs Leute mit Virgin Galactic in den Weltraum schießen lassen kann?" Tatsächlich kostet ein Weltraumflug für sechs Personen laut Recherchen der BBC aktuell 2,14 Millionen Pfund.

Die Regierung lässt sich von dem negativ gemeinten Vergleich bisher nicht auf neue Ideen bringen, sondern will jedenfalls am Ruanda-Plan festhalten. Sie argumentiert mit der erhofften Abschreckung für neue Einreisewillige.

Ähnlich sieht man es auch bei der heftig kritisierten Unterbringung von Migrantinnen und Migranten etwa auf Militärbasen, in Studierendenheimen oder auf zu Asylheimen umgebauten Schiffen. Auch hier gibt es nicht nur menschenrechtliche, sondern auch finanzielle Kritik. Der britische Rechnungshof hat am Mittwoch errechnet, dass diese neuen Formen der Unterbringung mit 46 Millionen Pfund mit mehr zu Buche schlagen als die bisherige Einquartierung in Hotels. Ein erster Versuch der Unterbringung von Migranten auf einem früheren Lastkahn musste im Sommer beendet werden, nachdem dort lebensgefährliche Legionellen festgestellt worden waren. (Manuel Escher, 20.3.2024)