Die Sorge um leistbares Wohnen liegt den Menschen auf der Seele, wie jüngst die Salzburger Wahlen zeigten. Die KPÖ plus hat mit einem ihrer Kernthemen einen Nerv getroffen. Wohnen ist teuer und leistbarer Wohnraum knapp. Derzeit würde die Wohnpolitik versuchen, dem Problem mit dem Bau neuer Wohnungen zu begegnen, sagen Wissenschafter der WU Wien. Dabei befeuere gerade das den Klimawandel. Ressourcen- und Bodenverbrauch tragen bekanntlich zur Erderhitzung bei – selbst wenn Passiv- oder Niedrigenergiehäuser gebaut werden.

Schließen sich leistbares Wohnen und Klimaschutz also aus? Unter den gegebenen Bedingungen schon, sagt Andreas Novy, Sozioökonom und Leiter des Instituts für Multi-Level Governance and Development an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sein Fachgebiet sind wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge. Wohnen darf als Lehrbeispiel dafür gelten. Einerseits zählt Wohnen zu den Grundrechten, andererseits ist Wohnraum auch Ware. 2021 sei beinahe jede zweite von gewerblichen Bauträgern errichtete Wohnung in Wien an Investoren verkauft worden. Die streben naturgemäß hohe Renditen an. Günstiges Vermieten steht dem eher entgegen.

Eine Frau trägt Schachteln durch eine Wohnung. 
Schön zu wohnen und das zu einem vernünftigen Preis – das wollen alle. Alleine es geht sich nicht immer gut aus.
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Es sei aber möglich, den Zugang zu leistbarem Wohnraum für alle sicherstellen und gleichzeitig den Energie- und Ressourcenverbrauch zu reduzieren, sagt der Sozioökonom auf einer von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" organisierten Online-Veranstaltung. Novy hat mit dem Kollegen Simon Grabow nach Vorbildern gesucht – im roten Wien vor rund 100 Jahren, als man der eklatanten Wohnungsnot mit Wohnbaupolitik begegnete. Allein mit der Klimakrise ist die Lage komplexer. Der Gebäudesektor in der EU verursacht bis zu 37 Prozent der Treibhausgas-Emissionen. Die Bauten fressen viel Energie – ein Großteil davon aus fossilen Brennstoffen.

Es ist also viel zu tun. Neubauten sehen die Wissenschafter als letzte Option – er sollte sich aus ihrer Sicht weitgehend auf Sozialwohnungen beschränken. An die Stelle einer Wohnbaupolitik müsse "Wohnpolitik" treten. Alleine in Wien sollen bis 2030 75.000 neue Wohnungen entstehen. Dabei hätte sich gezeigt, dass 2018 bis 2021 Wohnen trotz deutlichen Überangebots keineswegs günstiger geworden sei. In Wien sind laut Grabow seit der Finanzkrise 2008 die Kaufpreise um 153 Prozent und Mieten bei privaten Neuverträgen um 67 Prozent gestiegen.

Große Wohnungen

Was schließen die Wissenschafter daraus? Man müsse sich auf den Bestand konzentrieren. Dabei müsste es aber ans Eingemachte gehen. Nicht nur die Wohnqualität, auch die Wohnungsgrößen seien zwischen 1995 und 2021 von 37 auf 46,6 Quadratmeter pro Person gewachsen. Dazu komme, dass ein Teil der Bevölkerung in sehr großen Wohnungen wohne, wohlstandsbedingt, weil die Kinder ausgezogen sind oder der Partner verstorben ist. Es brauche Anreize, freiwillig Wohnraum zu reduzieren – etwa zur Untervermietung. Größere Wohnungen könne man höher besteuern – vergleichbar mit höheren Zweitwohnsitzabgaben, wie es sie in manchen Bundesländern gibt, schlägt Novy vor.

Umzugskartons und eine Leiter stehen in einer Wohnung. 
Die durchschnittliche Wohnfläche pro Hauptwohnsitz ist in Österreich zwischen 1995 und 2021 von 87 Quadratmeter auf 102 Quadratmeter gestiegen. Fast neun Prozent der in Österreich lebenden Personen haben mehr als 80 Quadratmeter zur Verfügung.
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Wohnbauförderungen für größere Wohnungen gehörten gestoppt. Auch die begrüßenswerte Förderung des Umstiegs auf erneuerbare Energie und für die thermische Sanierung sollte beschränkt werden. "Ich finde nicht, dass es gerechtfertigt ist, ein großes Tesla-Auto zu fördern", bemüht Novy ein ähnlich gelagertes Beispiel. Auf Wohnraum umgelegt: Wer eine sehr große Wohnung saniert, sollte ohne öffentliche Gelder auskommen. "Klimapolitik ist auch Verteilungspolitik", sagt Novy. Das sei der Forschung selbst bis vor kurzem nicht so bewusst gewesen. Verteilungsfragen nachgelagert über den Klimabonus abzuhandeln sei nicht ausreichend, findet der Forscher. Was die abgesagte Sanierungspflicht für besonders energiefressende Häuser auf EU-Ebene betrifft, ist Novy der Ansicht, es sei zuletzt ein starker Fokus auf Förderungen gelegen, zu sehr. "Es bräuchte aber mehr Regeln für Konsumenten und Betriebe." (Regina Bruckner, 21.3.2024)