Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" erwägt die US-Justiz, dem in Großbritannien inhaftierten Whistleblower Julian Assange einen Deal anzubieten. Demnach könnten die USA dem 52-Jährigen in dem jahrelangen Rechtsstreit anbieten, sich des Vergehens des Informationsmissbrauchs schuldig zu bekennen.

Das wäre ein vergleichsweise minderes Vergehen und könnte demnach auch ohne Auslieferung an die USA gerichtlich verhandelt werden. Das Strafmaß würde dabei die in London hinter Gittern verbrachte Zeit berücksichtigen und könnte zu einer raschen Freilassung führen, heißt es in dem Bericht. Das US-Justizministerium hat diesen jedoch noch nicht bestätigt.

Eigentlich werfen die USA dem Australier Spionage vor. Bei einer Auslieferung in die USA drohen ihm daher nach aktuellem Stand bis zu 175 Jahre Haft. Assange weist das als politische Verfolgung zurück und wehrt sich seit Jahren gegen eine Auslieferung.

Julian Assange bei seiner Festnahme in London im Jahr 2019.
Kann Julian Assange noch einer Auslieferung entgehen?
Alberto Pezzali; via www.imago-i

Derzeit liegt sein Schicksal in den Händen des britischen High Court. Assanges Anwälte haben dort ein weiteres Mal ein Verbot seiner Auslieferung in die USA beantragt. Diese ist eigentlich schon beschlossene Sache. Doch Assanges Anwälte haben erneut dagegen berufen. Nun ist das Gericht am Zug, eine Entscheidung wird demnächst erwartet.

Flucht in die Botschaft

Die USA pochen sei 2019 öffentlich auf die Auslieferung des Gründers der Investigativplattform Wikileaks, weswegen Assange seither ohne Verurteilung in einem britischen Gefängnis festgehalten wird. Weil Assange, gegen den in Schweden ab 2010 wegen angeblicher Sexualdelikte ermittelt wurde, bereits zuvor seine Auslieferung über Umwege in die USA befürchtete, hatte er sich davor jahrelang in der ecuadorianischen Botschaft in London versteckt.

Die Ermittlungen in Schweden wurden inzwischen längst eingestellt. In den USA wurde Assange indes wegen der Veröffentlichung hunderttausender diplomatischer Depeschen und vertraulicher Dokumente über das Verhalten des US-Militärs in Afghanistan und im Irak im Jahr 2010 in 18 Fällen wegen Spionage angeklagt. Assange und sein Anwaltsteam weisen die Vorwürfe mit Verweis auf die Pressefreiheit als haltlos zurück und bekämpfen seit Jahren das US-Auslieferungsansuchen vor den zuständigen britischen Gerichten.

Letzter Versuch

Nicht nur entstehe damit ein gefährlicher Präzedenzfall für Medienschaffende; dem seit Jahren inhaftierten Assange drohten in den USA auch menschenunwürdige Haftbedingungen, lautet ihre Verteidigungslinie. Letzteres hatte 2021 auch eine britische Richterin eingesehen: Sie lehnte eine Auslieferung in die USA angesichts der strengen Haftbedingungen für den aus ihrer Sicht suizidgefährdeten Assange ab. Doch die Amerikaner drängen weiterhin auf seine Auslieferung. Nach entsprechenden Zusicherungen bezüglich der Haftbedingungen hob das Gericht das Auslieferungsverbot für Assange noch im selben Jahr auf, und das Innenministerium befehligte kurz darauf die Auslieferung. Verhindert wird sie vorerst nur durch das laufende Berufungsverfahren.

Sollte seine Berufung vom High Court nun abgelehnt werden, muss Assange binnen 28 Tagen an die USA ausgeliefert werden. In diesem Fall bleibt ihm lediglich der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den er überzeugen müsste, in einer vorläufigen Maßnahme namens "Regel 39" die Auslieferung sofort zu stoppen.

Ob ein Deal alldem noch zuvorkommen könnte, ist aktuell unklar. Die Anwälte von Assange reagierten am Mittwoch zurückhaltend auf den Bericht des "Wall Street Journal". Es gebe noch keine entsprechenden Anzeichen für eine Lösung des Rechtsstreits. "Es wäre unangemessen, wenn sich seine Anwälte dazu äußern, solange sein Fall vor dem High Court des Vereinigten Königreichs verhandelt wird", sagte Assange-Anwalt Barry Pollack. "Wir können nur sagen, dass wir keine Hinweise darauf erhalten haben, dass das Justizministerium beabsichtigt, den Fall zu lösen, und dass die USA mit der gleichen Entschlossenheit weitermachen wie eh und je, um seine Auslieferung in allen 18 Anklagepunkten zu erwirken und ihn einer Gefängnisstrafe von 175 Jahren auszusetzen", fügte Pollack hinzu.

Vage Gespräche

Das US-Justizministerium hat den Medienbericht bisher nicht kommentiert. Diesem zufolge hat es im vergangenen Jahr immer wieder Gespräche zwischen US-Justizbeamten und dem Anwaltsteam über einen Deal gegeben. Diese seien allerdings in "ständigem Fluss" und könnten noch im Sand verlaufen.

In der Vergangenheit haben Assanges Rechtsvertreter zwar eine grundsätzliche Bereitschaft für einen Deal gezeigt. Laut Anwältin Jennifer Robinson liegt die Schwierigkeit für eine Einigung jedoch darin, dass die Verteidigung ja die Position vertritt, dass die Anklage gänzlich fallengelassen werden muss. "Wir sagen, dass es kein Vergehen gibt und die Fakten keines belegen. Wozu soll Julian also auf schuldig plädieren?", sagte sie im Vorjahr der australischen Zeitung "The Age". (Flora Mory, 21.3.2024)