Wenn Autorinnen und Autoren Bücher über komplexe und potenziell langweilige Themen schreiben, dann begehen sie oft einen schweren Fehler: Sie vereinfachen auf Teufel komm raus. Das Ergebnis ist dann zwar unter Umständen spannend, wird aber dem Thema nicht gerecht. Man wurde also unterhalten, hat es aber nicht verstanden.

In diese Falle tappt der deutsche Unternehmensberater und Ex-Manager Nikolaj Schmolcke keineswegs. Er hat ein Buch geschrieben "über die Leichtigkeit, Bilanzen zu lesen und im Geschäftsbericht Überraschungen zu finden", wie es im Untertitel heißt. Wie bei einem Uni-Kurs mit einem guten Professor – es gibt sogar kleine Prüfungen zwischen den Kapiteln – wird der Leser durch die Materie geführt. Am Ende wurde man unterhalten und kennt sich trotzdem einigermaßen aus.

Aktivierte Eigenleistung

Denn Schmolcke hat keine Scheu vor schwierigen Aspekten. Man erfährt etwa, was "aktivierte Eigenleistungen" sind und wie sich damit Bilanzen aufhübschen lassen. Oder warum die Zeit, die zwischen der Übermittlung der Bilanz an den Wirtschaftsprüfer und dessen endgültigem Sanktus, also der sogenannten Testierung, vergeht, äußerst wichtig ist – und über Jahre betrachtet sehr aufschlussreich sein kann.

Bei vielen Zahlen blickt man gemeinhin wenig durch.
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Schwachpunkt des Buchs aus österreichischer Sicht: Es bezieht sich durchwegs auf die deutsche Bilanzierungspraxis und Rechtslage – die österreichische und auch jene der Schweiz hingegen streift Schmolcke nur in kurzen Wissenskästen. Die Situation in Deutschland unterschiedet sich zwar nicht stark von der in Österreich, aber in kleinen, aber feinen Details dann doch. Und auf ebendiese Details gilt es zu achten, wenn man sich einen Geschäftsbericht oder eine Bilanz genauer vornimmt.

Österreichisches Anschauungsmaterial

Zum Trost stößt man im Buch immer wieder auf österreichisches Anschauungsmaterial. Auf René Benkos Signa bezieht sich der Autor beispielsweise ebenso wie auf den Wirecard-Konzern, dessen Chefetage von Österreichern dominiert war, oder den luxemburgisch-deutschen Immobilienkonzern Adler Group, der Verbindungen zum österreichischen Unternehmer Cevdet Caner aufweist.

Hier offenbart sich sogleich ein weiterer Vorteil dieses Buchs: Der Autor erklärt nicht theoretisch über Wesen und Funktionsweise von Bilanzen auf, er bringt daneben auch jede Menge betrieblicher Beispiele. Das Spektrum reicht vom unverdächtigen deutschen Mittelständler bis zu den großen wirtschaftskriminellen Causen à la Wirecard, die die Öffentlichkeit seit Jahren beschäftigen. Für Leserinnen und Leser ist das Buch jedenfalls ein großer Gewinn. (Joseph Gepp, 22.3.2024)