Frau bekommt eine Botox-Spritze in die Unterlippe.
Auch ohnehin gutaussehende junge Männer und Frauen lassen sich diverse Mittel zur Faltenreduktion spritzen, nach der entsprechenden Qualifikation der Behandlerin wird nicht immer gefragt.
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Wien – Die Hoffart gehört zu den sieben Hauptsünden im katholischen Glaubenssystem und kann nicht nur als "Stolz", sondern auch als "Eitelkeit" ausgelegt werden. In den diversen Kosmetikstudios und Schönheitskliniken müsste man also das Fegefeuer schon prasseln hören können, geht doch das Beratungsunternehmen McKinsey bis 2027 von einem weltweiten jährlichen Wachstum von sechs Prozent per annum aus. Auch die 46-jährige Frau A. wollte offenbar von diesem Boom profitieren, stattdessen sitzt sie nun mit einer Anklage wegen Kurpfuscherei und schweren gewerbsmäßigen Betrugs vor Richterin Lisa Hammer.

Die in der Teilrepublik Tschetschenien geborene Russin soll laut Staatsanwaltschaft zumindest von Juli 2020 an durch einschlägige Körperwerkstätten gefahren sein und dort auch Injektionen mit Hyaluron und Botox gesetzt haben, zwei faltenreduzierenden Stoffen. In Österreich ist das aber Ärzten vorbehalten, die unbescholtene zweifache Mutter hatte aber nur eine Ausbildung für die Anwendung des "Hyaluron Pen", bei dem der Wirkstoff nicht gespritzt, sondern mit Druckluft unter die Haut verfrachtet wird.

Von der rechtlichen Auswirkung her spielt diese mit bis zu drei Monaten Haft bestrafte Kurpfuscherei im Verfahren eine untergeordnete Rolle. Denn der von Alexander Philipp verteidigten Angeklagten wird auch vorgeworfen, das AMS um über 14.000 Euro betrogen zu haben. Einerseits, da die Notstandshilfebezieherin ihre selbstständige Tätigkeit nicht gemeldet hat, und andererseits, dass sie mehrwöchige Auslandsaufenthalte im Zuge von Besuchen in der alten Heimat, während derer der Bezug von Notstandshilfe ruht, verschwiegen hat.

Rechtspraktikant als Staatsanwalt

Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ist ein Rechtspraktikant, der offenbar ein wenig ins kalte Wasser geworfen wird. "Wo ist denn die Staatsanwältin?", fragt Richterin Hammer vor dem Saal. "Sie hat gesagt, sie kommt etwas später und ich soll sie vertreten. Ich richte nur aus, was mir gesagt wurde", meldet der junge Mann, der dann tatsächlich den Talar mit dem roten Kragen anlegen und die größte Anklagebehörde des Landes im Saal vertreten darf.

"Ich bin schuldig! Es tut mir sehr, sehr leid!", sagt die Angeklagte auf die entsprechende Frage der Richterin. Weitere Fragen will sie auf Anraten ihres Verteidigers nicht beantworten. Auch nicht, wann sie damit aufgehört hat, die Mittel illegalerweise zu verabreichen. Dafür sei der Schaden des AMS durch die nicht gemeldeten Auslandsaufenthalte mittlerweile bezahlt, berichtet Verteidiger Philipp. Die Zeugin des Arbeitsmarktservice bestätigt das, kann aber über den weiteren Schaden nichts Konkretes sagen. Man wisse ja nicht, wie lange die Selbstständigkeit gedauert habe, und warte das Gerichtsurteil ab.

Folgt man dem angeklagten Zeitraum und zieht den zurückgezahlten Betrag ab, komme man auf knapp 11.000 Euro, hat Richterin Hammer ausgerechnet. Das ist aber nicht die einzige Schuld, die A. begleichen muss. Da sie ihr der Eitelkeit verdanktes Einkommen nicht versteuert hat, will das Finanzamt 65.000 Euro von ihr. Eine Summe, die sie derzeit mit monatlichen Raten von 500 Euro abstottert.

400 Euro Geldbuße, 75.000 Euro Schulden

Die Richterin sieht aber die Möglichkeit einer Diversion. Laut Erkenntnissen der Höchstgerichte liege bei einem Dauerdelikt dieser Art nämlich keine Gewerbsmäßigkeit vor, womit nur schwerer Betrug überbleibt, der aber bei einer Unbescholtenen diversionell erledigt werden kann. Da A. mit der Zahlung an das Finanzamt und der Sorgepflicht für ein Kind ohnehin bereits unter das Existenzminimum kommt, reicht Hammer eine Geldbuße von 100 Tagessätzen à vier Euro plus dem Auftrag der "Schadensgutmachung nach Kräften". Für die Zahlung der 400 Euro hat die Angeklagte drei Monate Zeit.

"Die Staatsanwaltschaft äußert sich dazu?", sieht die Richterin nach rechts zum jungen Mann im Talar. "Nein", antwortet der. "Ah ja, Sie dürfen nicht", erinnert sich Hammer wieder. Erschienen ist seine Vorgesetzte in der halben Stunde Verhandlungszeit nicht. (Michael Möseneder, 22.3.2024)