Aus Adidas wird 2027 Nike. Das gefällt nur wenigen.
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Beaverton/Berlin - Der Wechsel des Ausrüsters der deutschen Fußball-Nationalmannschaft schlägt hohe Wellen. Hochrangige deutsche Politiker wie Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) oder Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kritisierten die Entscheidung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), den Vertrag mit dem deutschen Unternehmen Adidas nicht zu verlängern und ab 2027 mit dem US-Sportartikelhersteller Nike zusammenzuarbeiten.

Der Verband hatte den neuen Deal am Donnerstag bekannt gegeben, ohne eine Vertragssumme zu nennen. Nach Informationen des "Handelsblatts" soll sich Nike den Deal 100 Millionen Euro pro Jahr kosten lassen. Damit würde Nike die bisherige Vertragssumme des aktuellen Ausrüsters Adidas bei Weitem übertreffen. Der langjährige Partner, der noch bis Ende 2026 alle Nationalmannschaften ausrüstet, soll rund 50 Millionen Euro jährlich an den DFB überweisen.

Der Verband teilte mit, dass Nike "das mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot abgegeben" habe und "mit seiner inhaltlichen Vision überzeugt, die auch ein klares Bekenntnis für die Förderung des Amateur- und Breitensports sowie die nachhaltige Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland beinhaltet".

Habeck wünscht Standortpatriotismus

Das gefällt nur wenigen. "Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen", sagte Habeck. "Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht." Patriotismus schwang auch in den Worte von Lauterbach mit. "Adidas soll nicht mehr Nationaltrikot im Fußball sein? Statt dessen ein US Unternehmen? Halte ich für eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet", schrieb Lauterbach auf X.

"Diese Entscheidung ist unverständlich und ich muss ehrlich sagen, sie ist auch unpatriotisch", sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Auch Ministerpräsidenten deutscher Bundesländer meldeten sich zu Wort. "Diese Reduzierung ausschließlich auf Geld und Dollarzeichen geht mir echt auf die Nerven", sagte Thüringens Bodo Ramelow bei RTL. "Die drei Streifen gehören natürlich zu den vier Sternen, die wir auf der Brust tragen. Der Weltmeister trägt Adidas, nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke. Deswegen finde ich das schon ein starkes Stück, was der DFB da macht", sagte sein hessischer CDU-Kollege Boris Rhein.

Jubel herrschte dagegen beim US-Unternehmen aus Beaverton/Oregon. Es sei "ein großartiger Beweis dafür, dass wenn wir unser Bestes bringen, uns niemand schlagen kann", sagte Konzernchef John Donahoe in einer Telefonkonferenz mit Analysten nach Vorlage aktueller Quartalszahlen in der Nacht zum Freitag.

DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig konterte die Kritik. "Ich habe mich schon sehr gewundert, dass Politiker kenntnisfrei und vor allem ohne Faktenlage sich populistisch so weit aus dem Fenster lehnen. Das muss ich ehrlich sagen, ist eine neue Qualität", sagte Rettig dem Sportportal ran. "Da hätte man vielleicht doch das ein oder andere Mal besser geschwiegen."

Durch den Ausrüster-Wechsel endet eine mehr als 70-jährige Partnerschaft des DFB mit Adidas. Bei allen vier WM- und bei allen drei EM-Titeln der Männer sowie bei den beiden WM-Erfolgen und den acht EM-Trophäen der Frauen war Adidas der Ausrüster. Die Zusammenarbeit mit Nike ist zunächst bis 2034 angelegt.

Geldnot und schräges Timing

Im Verband herrscht Geldnot. Wie der "Spiegel" berichtet, hatte es bereits 2007 ein deutlich lukrativeres Angebot von Nike gegeben, das der DFB ausgeschlagen hatte. "Damals hat man den Sprung noch nicht gewagt. Dass es jetzt geht, zeigt, dass man wirtschaftliche Gesichtspunkte stärker in die Bewertung hineinnimmt als früher", sagt Oliver Bierhoff im Spiegel-Interview. Der Ex-DFB-Direktor und frühere Profifußballer war einst selbst Markenbotschafter für Nike. "Grundsätzlich bin ich beiden Unternehmen stark verbunden, ich bin in einem Adidas-Trikot 1996 Europameister geworden und auch bei unserem WM-Titel 2014 waren sie unser Ausrüster", sagte Bierhoff. Der 55-Jährige prophezeit: "Der deutsche Fußball steht vor einer Wende. Er steht vor der Frage: Was ist Emotion und Tradition?"

Die Kritik einiger Politiker bezeichnete Bierhoff als "reinen Populismus", der Deal mit Nike helfe dem klammen DFB aus der Bredouille. "Davon gehe ich in jedem Fall aus. Auch wenn der Deal erst in drei Jahren stattfindet, kann man jetzt durchatmen und kann ganz anders planen. Das wird dem Verband eine Last von der Schulter nehmen", sagte Bierhoff. Der DFB komme "aus einer sportlich und wirtschaftlich schwierigen Zeit. Das Angebot zeigt, dass der deutsche Fußball und die Nationalmannschaft immer noch interessant für Partner sind."

Bei vergangenen Großereignissen entgingen den Deutschen Prämienzahlungen, zusätzlich gab es Mehrausgaben durch juristische Verfahren und Steuernachzahlungen in der Sommermärchen-Affäre. Das Timing der Ankündigung ist zumindest bemerkenswert: In der vergangenen Woche stellte Adidas die neuen, pinken EM-Trikots vor. Die Resonanz auf das Trikot war groß, es kann als Vermarktungserfolg bezeichnet werden. "Jetzt ist es mal was ganz anderes, Frisches. Wenn so viel darüber diskutiert wird, zeigt das auch, dass man damit wohl einen Nerv getroffen hat", sagt etwa DFB-Sportdirektor Rudi Völler in der "SZ". (APA, luza, 23.3.2024)