Eine Küste mit steilen Hängen rechts, links das Meer
Die Hänge der Caldera von Santorin bestehen aus vulkanischen Ablagerungen.
Jonas Preine, jonas.preine@uni-hamburg.de

Die Explosion des Vulkans von Santorin in der Bronzezeit beflügelt die Fantasie von Menschen seit der Antike. Die Zerstörung der auf der Insel gelegenen Siedlung hatte Auswirkungen im ganzen östlichen Mittelmeer und könnte für die Erzählung des Untergangs von Atlantis des griechischen Philosophen Plato Modell gestanden haben.

Was wir heute als idyllische Inselgruppe mit den typischen weißen Häusern kennen, ist eigentlich der Rand des Explosionskraters, dessen Form aus der Luft betrachtet deutlich erkennbar ist. Die Dimensionen der Katastrophe sind heute nur schwer vorstellbar. Zig Kubikkilometer Magma kamen dabei an die Oberfläche, die Explosion löste einen Tsunami aus, der zahlreiche Siedlungen an der Mittelmeerküste verwüstete.

Zwei Personen in einem Labor über einen Tisch gebeugt, auf dem Bohrkerne liegen.
Die Bohrkerne, die bei der Mission entnommen wurden.
Erick Bravo, IODP JRSO

Wiederkehrendes Phänomen

Grund für die Explosion war eine riesige Magmakammer, die sich langsam gefüllt hatte. Was die Siedler nicht wussten: Es handelt sich um ein Phänomen, das immer wiederkehrt. Eine Explosion vor 500.000 Jahren war sogar noch deutlich heftiger: Der damalige Ausbruch dürfte sechsmal stärker gewesen sein als jener zu minoischer Zeit, wie eine Forschungsgruppe erst kürzlich herausfand.

Diese Gebäude der kykladischen Kultur wurden bei der Explosion der Vulkaninsel Thera, heute als Santorin bekannt, vor 3.600 Jahren verschüttet.
Jonas Preine jonas.preine@uni-hamburg.de

Zwischen diesen Ausbrüchen vergehen aber Jahrtausende, in denen erneut Magma aufsteigt und sich in einer Blase sammelt. Zwar gibt es auch in den Ruheperioden Ausbrüche in dieser vulkanisch aktiven Gegend. Doch bisher hielt man sie für verhältnismäßig klein.

Das stellt eine neue Studie im Fachjournal "Nature Geoscience" nun infrage. Darin wird berichtet, dass ein Ausbruch des im Zentrum des Santorin-Kraters gelegenen Kameni-Vulkans im Jahr 726 deutlich heftiger war als bisher angenommen. Die dabei entstandenen Ablagerungen von Asche und Gestein werden auf ein Volumen von über drei Kubikkilometern geschätzt, was größer ist als das, was bisher maximal als möglich galt.

Eine Mondlandschaft mit Meer und Bergen im Hintergrund.
Die Insel Nea Kameni ist einer der beiden Gipfel des Vulkans im Zentrum des riesigen Santorin-Kraters.
Getty Images/iStockphoto

Bohrungen mit Forschungsschiff

Zu diesem Ergebnis kam das Team mithilfe hochauflösender seismischer Untersuchungen und Bohrungen in die Becken des Santorin-Kraters. Das Wasser ist dort zum Teil über 300 Meter tief, trotzdem gelang es, Proben von bis zu 20 Meter Tiefe unter dem Meeresboden zu gewinnen. Das Material dort bestand aus Sedimenten aus vulkanischem Material.

Diese Proben waren nötig, um die Informationen aus den seismischen Untersuchungen richtig zu interpretieren. Der Verlauf von Erdbebenwellen wird durch die Zusammensetzung des Erdinneren stark beeinflusst. Aufzeichnungen von Beben erlauben also Rückschlüsse auf Dichteunterschiede im Erdinneren. Doch um welches Material es sich handelt, lässt sich anhand der seismischen Daten nicht feststellen.

Diese Lücke schlossen die Bohrungen. Damit ließ sich die Dicke der Ablagerungen und so die Heftigkeit des Ausbruchs schätzen.

Das Datum des Ausbruchs stammt aus historischen Berichten. Damals soll das Meer gekocht haben, bevor riesige Mengen Material herausgeschleudert wurden, die teilweise bis über 400 Kilometer nach Kleinasien geschleudert wurden. Der damalige Herrscher Konstantinopels, des heutigen Istanbul, soll ob der Ereignisse die Zerstörung von Ikonen befohlen haben, was soziale Konflikte heraufbeschwor.

Ein Drohnenflug über das Forschungsschiff Joides Resolution.
Erick Bravo and Thomas Ronge (JRSO-IODP)

Gefahreneinschätzung für Santorin

Trotz dieser historischen Ereignisse, die für einen starken Ausbruch sprechen, ging man bisher davon aus, dass der Vulkan seit minoischer Zeit eher ruhig gewesen war. Der Ausbruch von 726 hatte mit einer geschätzten Magnitude von drei bis vier in der VEI-Skala zur Messung von vulkanischen Eruptionen als schlimmster anzunehmender Fall gegolten. Die neuen Forschungen zeigen, dass dieser Ausbruch eher die Stärke fünf hatte.

Heute hätte ein solcher Ausbruch Auswirkungen im gesamten östlichen Mittelmeer. Außerdem bestehe, analog zu dem Ausbruch des Krakatau im Jahr 2018, die Gefahr einer Hangrutschung. Damals war ein Tsunami ausgelöst worden, der über 400 Todesopfer forderte.

Derzeit deutet nichts auf einen Ausbruch eines Vulkans unter der Ferieninsel Santorin hin, auf der 15.000 Menschen leben und die jedes Jahr von zwei Millionen Reisenden besucht wird. Das letzte Mal gab es 2011 und 2012 schwache seismische Aktivitäten. Die Forschenden fordern, die Hänge der Insel genauer zu beobachten, um sich auf ein kommendes Extremereignis vorbereiten zu können. (Reinhard Kleindl, 26.3.2024)