Die deutsche Journalistin Edith Löhle arbeitete über zehn Jahre vor allem für diverse Lifestyle-Magazine. Mit
Die deutsche Journalistin Edith Löhle arbeitete über zehn Jahre vor allem für diverse Lifestyle-Magazine. Mit "Bible Bad Ass" feiert sie ihr literarisches Debüt.
Philip Nürnberger

Wenn Klara auf einer Party Alkohol ablehnt und daraufhin für schwanger gehalten wird, entsichert sie ihre Waffe. Dann denkt sie an die Zeit zurück, als sie sich mit 42 Kilo für zu fett hielt, und legt den Finger auf den Abzug. Erinnert sie ein fremder Mann daran, mehr zu lächeln, um hübscher auszusehen, würde sie am liebsten losfeuern. Die Protagonistin in Edith Löhles Roman Bible Bad Ass ist sauer auf das Patriarchat und ständig schussbereit. Es bleibt jedoch ein Kugelhagel im Geheimen: "Kein Blut, nur leere Worthülsen in meinem Kopf. In Wirklichkeit bewegen sich meine Mundwinkel nach oben, ich setze mein gelerntes Lächeln auf. Konditioniert, um so manch einen Schusswechsel mit Fremden zu vermeiden."

Genau wie die Autorin Edith Löhle arbeitet auch Klara als Journalistin. Löhle platziert die Ich-Erzählerin in die Redaktion eines Berliner Frauenmagazins und setzt ihr den Chef Martin vor die Nase. Der kann mit Klaras Wunsch nach freien Tagen während der Menstruation so gar nichts anfangen und findet Feminismus amüsant. "Der geht mir so auf die Eierstöcke", textet sie ihrer besten Freundin Barbara, nachdem er gewitzelt hat: "Was haben die Jungfrau Maria Magdalena und Jesus von Nazareth gemeinsam? Beide haben geblutet, als sie genagelt wurden."

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Mit "Bible Bad Ass" war Edith Löhle auch auf der Leipziger Buchmesse 2024 vertreten.
IMAGO/Manfred Segerer

Für den Männerklub der katholischen Kirche hat die Redakteurin bestenfalls Schmähworte übrig. Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, sexueller Missbrauch – das Übliche. In einem Artikel will sie nun ein neues Licht auf das Christentum werfen. Sie schreibt über die queere, evangelische Pastorin Annina, die für Frauenrechte kämpft und im Zeichen sexueller Selbstbestimmung auf Social Media ihren Talar auszieht. Kein Wunder, dass Martin das nicht gefällt. Als er jedoch Klaras Story umschreibt und die starke Frau aus ihrer Sicht zum Objekt degradiert, überwältigt sie der Zorn, und sie wird wegen eines Wutausbruchs beurlaubt.

Immerhin hat sie jetzt mehr Zeit, um sich der geheimnisvollen Telefonnummer zu widmen, die sie seit geraumer Zeit trotz Blockierung mit Nachrichten bombardiert. "Ich wurde verleumdet, verspottet und meine wahrhaftige Spur wurde gelöscht. Bist du an der Wahrheit interessiert, auch wenn sie deine Welt auf den Kopf stellt?", heißt es da zum Beispiel. Mehr oder weniger freiwillig lässt sich Klara auf den Dialog ein und wird prompt einer dubiosen Whatsapp-Chatgruppe hinzugefügt – den "Bible-Bad-Asses". Dort versenden religiöse Frauenfiguren wie die Gottesmutter, Eva, Maria Magdalena oder Lilith Emojis und schwelgen in der Vergangenheit.

Heilige oder Hure

Mit der Idee, den biblischen Austausch über Whatsapp laufen zu lassen, versucht Löhle, die hochtrabende Thematik zugänglicher zu machen. Das gelingt ihr. So erfährt man beispielsweise, wie aufgebracht die heilige Maria darüber ist, in der hebräischen Bibel noch als "junge Frau", in der griechischen Version aber plötzlich als "Jungfrau" betitelt zu werden. "Meine Sexualität wurde mir abgesprochen, mein Unterleib sowieso, um ein Bild zu erschaffen, das Frauen sich auf ewig schlecht fühlen lässt."

Sie lernt zudem, wie das Image mancher Frauen in der Bibel verzerrt wurde. Maria Magdalena wurde im Kontrast zur Mutter Gottes häufig als laszive Prostituierte dargestellt. In Wirklichkeit war sie eine Apostelin, die Jesu Auferstehung als Erste verkündete, wahrscheinlich sogar dessen Gemahlin. Trotzdem argumentiert die katholische Kirche das männliche Vorrecht auf höhere Kirchenämter unter anderem damit, dass Jesus keine Apostelinnen erwählt haben soll. Maria Magdalenas Evangelium wurde, wie viele andere, nie in die offizielle Bibel aufgenommen.

Feministische Bibelwissenschaft

Löhle ist darum bemüht, aktuelle feministische Debatten abzubilden, und ihr beruflicher Background hilft ihr dabei: Auch als Journalistin macht sie auf Ungerechtigkeiten und Benachteiligung von Frauen aufmerksam. In ihrem Roman fragt Klara sich, wie die römisch-katholische Kirche ihren Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren rechtfertigt, obwohl sich bereits im Alten Testament Aspekte queerer Liebe finden lassen. Oder warum Menschen Muttermilch abstoßend finden, aber gerne die Milch von Kühen trinken.

Sprachlich trägt Löhle etwas zu dick auf. Die Protagonistin Klara wird zur unsympathischen Nörglerin, die in jedem Kompliment ihres Freundes Noah einen möglichen Angriff wittert oder Dinge sagt wie "Das macht jetzt aber echt Liebe mit meinem Kopf, verfickt nochmal". Ausufernde Dialoge, in denen die Charaktere allzu oft direkt aufs Wesentliche zu sprechen kommen, und der Mangel an unerwarteten Wendungen lassen die Handlung teils unrealistisch erscheinen.

Feministische Bibelwissenschaft wirkt plötzlich aber auch spannend: Löhle schmückt ihren Debütroman mit zahlreichen Infos und Interpretationsansätzen aus, von denen man sich wünscht, man hätte sie wenigstens einmal im Religionsunterricht vernommen, und trifft damit den Zeitgeist. (Patricia Kornfeld, 30.3.2024)