In ihrer Serie
In ihrer Serie "Time Capsule" von 2023 hat Laure Winants die chemische Reaktion von Salz auf einem analogen Film festgehalten.
Laure Winants

Auf Forschungsstationen tief im arktischen Eis passiert selten etwas Gutes, das weiß man spätestens seit John Carpenters 1982 erschienenem Science-Fiction-Horrorfilm Das Ding aus einer anderen Welt. Die belgische Künstlerin Laure Winants hat ihr Atelier mehrere Monate in eine solche Station verlegt, und auch wenn das Forschungsteam rund um sie von keinem außerirdischen Formwandler dezimiert wurde, sind die Ergebnisse ihrer fotografischen Observationen nicht besonders erfreulich.

In den letzten zwei Ausstellungen vor dem Umzug Anfang 2025 widmet sich das Foto-Arsenal unter der Leitung von Felix Hoffmann anlässlich der Klima-Biennale nämlich dem Thema Klimagerechtigkeit. From a Tongue We Are Losing von Laure Winant zeigt im kleineren Teil des Ausstellungsbereichs die komplizierte Beziehung zwischen Eis und Sonnenlicht, während sich Beate Gütschow im größeren Teil in ihrer Schau Widerstand, Flut, Brand, Widerstand mit einer dystopischen Gegenwart beschäftigt.

Was stimmt hier nicht? 

Schon in den 1990er-Jahren interessierte sich die Künstlerin für Landschaften und die Natur, bevor man aber ihre neuesten Arbeiten sieht, geht man an der 2018 entstandenen Serie HC vorbei. Darauf sieht man Alltägliches, öffentliche Parkanlagen, Bäume und Backsteinmauern, erst beim zweiten Blick fällt einem auf, dass hier etwas merkwürdig ist. Durch nachträgliche Bearbeitungen entstehen nämlich perspektivische Unmöglichkeiten, die an das Bildthema des verschlossenen Gartens der Mariengemälde des 14. und 15. Jahrhunderts erinnern.

In ihrer fortlaufenden Serie
In ihrer fortlaufenden Serie "#K" dokumentiert Beate Gütschow auch ihren Weg von der Künstlerin zur Aktivistin.
Beate Gütschow, VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Immer nur Gärten zu fotografieren, während die Welt brennt, kam der Künstlerin irgendwann nicht mehr richtig vor. Seit 2021 beschäftigt sie sich daher in der fortlaufenden Serie #K mit den Folgen der Erderhitzung, reist dafür an Orte von Flutkatastrophen und nimmt an Demonstrationen teil. Die künstlerischen Schwarz-Weiß-Tapezierungen in den Räumen des Museumsquartiers sind daher keine klassische Fotoausstellung, sondern ein halber Roman, der von einem übermächtigen, kapitalistischen Unterdrücker erzählt. Das ist Kunst, die nicht besonders schön aussieht, aber die politische Dringlichkeit in den Vordergrund stellt.

Buntes Eis

Einen visuell ansprechenderen Blick auf die Klimakrise wirft da schon Laure Winants in ihren bunten Chemigrammen, in denen Licht und salziges Meerwasser die Spuren von Millionen von Jahren ökologischen Wandels auf Fotopapier sichtbar machen. In ihrer Serie Time Capsule schmilzt sie arktisches Meereis aus Bohrungen auf Negativen, daraus entsteht ein Dialog zwischen Natur und Wissenschaft, der uns schmerzlich daran erinnert, wie schön das sein kann, was wir leichtfertig zerstören.

Die wichtigste Frage bleibt aber unbeantwortet. Mit ihren Chemikalien, den damit verbundenen Emissionen und dem Ausstellungsbetrieb ist die Fotografie nämlich selbst eine reichlich unökologische Kunstform. Sollte sich Fotografie, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben hat, nicht auch ständig selbst hinterfragen? (Jakob Thaller, 27.3.2024)