Wahlsieger Bassirou Diomaye Faye
Wahlsieger Bassirou Diomaye Faye ist erst 44 Jahre alt und damit ungewöhnlich jung für das Präsidentschaftsamt im Senegal.
AFP/JOHN WESSELS

"Mr. Clean" ist ein eher überraschender Spitzname für einen Politiker, der vor zwei Wochen noch im Gefängnis saß. Doch im Senegal feiern sie ihren designierten Präsidenten Bassirou Diomaye Faye als genau das: als Herrn Sauber. Ein inoffizieller Titel, den er sich einst als schnörkelloser Steuereintreiber verdient hatte. Elf Monate hatte er zuletzt in Haft gesessen, in erster Linie deshalb, weil er als Gefolgsmann des wegen angeblicher Volksverhetzung inhaftierten Ousame Sonko galt, dem eigentlich starken Mann der Opposition der vergangenen Jahre.

In Westafrika sind Länder mit dem Prädikat "Stabilitätsanker" zuletzt so rar geworden, dass dieses Wort inzwischen etwas vorsichtiger verwendet wird. Insofern atmet der Senegal durch, dass die Nation diesen Status in letzter Not irgendwie verteidigt hat. Im letzten Moment die Amnestie für Sonko und Faye, immerhin Faye wurde zu den eigentlich schon für Februar vorgesehenen Wahlen zugelassen, nach deren Verschiebung es tödliche Proteste gegeben hatte. Der Urnengang am Wochenende lief wie meistens im Senegal friedlich ab, und als sich die absolute Mehrheit für Faye abzeichnete, griff der Kandidat der bisherigen Regierungskoalition, Amadou Ba, zum Telefonhörer und gratulierte dem Herausforderer. Ein wohltuender Kontrast zur Nachbarschaft mit putschaffinen Ländern wie Guinea und Mali.

Künftige Doppelspitze

Die Opposition bezeichnet die Wahl des Mannes, der in seiner Heimatstadt vor zwei Jahren noch die Bürgermeisterwahl verloren hatte, offen als "Plan B". "Sonko ist Diomaye, Diomaye ist Sonko", riefen seine Anhänger in den wenigen Tagen vor den Wahlen. Und Sonko, der nicht zu den Wahlen zugelassen wurde, sagte: "Bassirou bin ich." Der Senegal wird künftig von einer Doppelspitze regiert. Sonko werden Ambitionen nachgesagt, nach einer Amtszeit zu übernehmen.

Die Wahl ist auch deshalb bemerkenswert, weil Faye erst 44 Jahre alt ist und damit ungewöhnlich jung für ein derartiges Spitzenamt. Er wird der jüngste demokratisch gewählte Präsident des Kontinents sein, zuletzt schien für eine derartige Karriere ein Militärumsturz die Voraussetzung zu sein wie bei den Junta-Chefs Assimi Goita (41) in Mali und Ibrahim Traoré (36) in Burkina Faso. 60 Prozent der Bevölkerung im Senegal ist jünger als 25 Jahre alt.

Es ist nicht so ganz klar, ob Faye von der eigenen Popularität oder jener Sonkos getragen wird. Aber sein eher zurückhaltendes Auftreten kommt gut an im Senegal, auch seine klaren Versprechen wie die Reform der Finanzpolitik und die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz. Anders als viele andere führenden Oppositionspolitiker in Afrika hat er lange in ländlichen Gegenden gelebt und gilt als ein Mann, der die Probleme der vernachlässigten Peripherie versteht.

Linkspolitischer Panafrikanist

Der Senegal verfügt über beachtliche Gasvorkommen vor der Küste und gehört zu den "Compact with Africa"-Ländern, die von der G20 besonders gefördert werden. Faye hatte sich vor den Wahlen als "Kandidat für den Systemwandel" und "linkspolitischer Panafrikanist" bezeichnet, der Senegals nationale "Souveränität" wiederherstellen werde. Einer, der vermeintlich ausbeuterische Verträge mit Rohstoff- und Energiekonzernen neu verhandeln werde.

Frankreich, noch immer eine wirtschaftlich einflussreiche Größe im Senegal, wurde in diesem Zusammenhang nicht so konkret zum Thema der politischen Debatte gemacht wie in den vergangenen Jahren in anderen Ländern des frankophonen Afrikas. Zumal die Nachverhandlung von Rohstoffverträgen inzwischen zum allgemein Refrain von Politikern auf dem Kontinent gehört und sich nicht nur gegen den Westen richtet. Zuletzt wurde der Kongo deshalb in China vorstellig – ohne jeden Erfolg.

Doch der "Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft", der deutsche Unternehmen auf dem Kontinent vertritt, äußerte sich nach den Wahlen im Senegal eher skeptisch. Man rechne mit einer "absehbar kritischeren Bewertung der Beziehungen zum Westen", die Bundesregierung müsse dem Land auch weiterhin "Angebote zur Zusammenarbeit bei unternehmerischen Investitionen" machen.

Große Hoffnungen

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Charles Huber (67) war bis zum Jahr 2022 Berater des bisherigen Präsidenten Macky Sall, der Deutsch-Senegalese hat den Sieg der Opposition kommen sehen. "Sall hat eine sehr gute erste Amtszeit hingelegt, aber in der zweiten Legislaturperiode fast Allmachtsfantasien gezeigt", sagt Huber, "Sall hat zu lange mit einer verfassungswidrigen dritten Amtszeit geliebäugelt und die halbe Opposition ins Gefängnis gesteckt – so etwas funktioniert im Senegal nicht."

Faye traut er zu, die ins Stocken geratene Erfolgsgeschichte des Senegals neu zu beleben. "Das Land braucht einen Wandel, und die Leute nehmen es regelrecht als Erlösung wahr, dass der Machtwechsel friedlich vonstattenzugehen scheint." Der ehemalige Mitarbeiter der Steuerbehörde Faye habe besonders bei der Jugend große Hoffnungen geweckt, verkrustete Strukturen aufzubrechen und das Land politisch und wirtschaftlich von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zu lösen.

"Das war nicht nur die Abwahl eines Präsidenten, sondern eines ganzen Systems postkolonialer Strukturen", sagt Huber. Faye habe dabei gute und qualifizierte Leute hinter sich, denen Huber Erfolge im Kampf gegen Korruption und die Ankurbelung der Wirtschaft durch die Verlängerung der Wertschöpfungsketten zutraut. Huber glaubt, dass trotz der Unklarheit über Fayes politischen und wirtschaftlichen Kurs auch Europa profitieren werde. "Es gibt neue Hoffnung im Land – und das hat durchaus Auswirkungen auf die Migrationszahlen. Wer Hoffnung hat, der bleibt im Senegal." (Christian Putsch, 26.3.2024)