Am 4. Mai wird jährlich der internationale
Am 4. Mai wird jährlich der internationale "Star Wars"-Tag gefeiert, statt "May the Force be with you" sagen die Fans dann "May the 4th be with you".
EPA/JONO SEARLE

Ich bin 2015 aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten und im selben Jahr habe ich auch meinen Glauben an Star Wars verloren. Damals kam nämlich Das Erwachen der Macht in die Kinos, der erste von Disney produzierte Star Wars-Film. Vielleicht fragt man sich, was beides miteinander zu tun hat? Immerhin sind ein paar schlechte Filme nicht so schlimm, wie die aktuelle Weltlage. Tagtäglich sind wir mit Kriegen, Krisen und Katastrophen konfrontiert, die den Glauben an einen Gott erschüttern können. Star Wars war aber immer mehr als eine Filmreihe, es war etwas, woran Leute buchstäblich glaubten. In Großbritannien gaben bei einer 2001 durchgeführten Volksbefragung 390.127 Menschen an, dem Religionsbekenntnis Jedi anzugehören.

Als Star Wars-Jünger wird der eigene Glauben ständig auf die Probe gestellt. Denn der größte Böse­wicht im Star Wars-Universum ist nicht Darth Vader oder der galaktische Imperator – es ist Schöpfer George Lucas selbst. Seit seinem ersten Film 1977 arbeitet er laut der Meinung vieler Fans daran, sein Lebenswerk wieder zu zerstören. Durch nachträglich eingefügte digitale Effekte, alberne Charaktere wie Jar-Jar Binks oder den Verkauf an Disney. Der Spruch "Entweder man stirbt als Held oder lebt lange genug, um zum Schurken zu werden" passt hier perfekt. Mit neun Hauptfilmen, zusätzlichen Spin-offs, Comics und Merchandise-Artikeln hat Star Wars mittlerweile mehr als zehn Milliarden US-Dollar eingenommen und ist nach dem Marvel Cinematic Uni­verse das zweiterfolgreichste Franchise aller Zeiten. Die Reihe wird kultisch – fast schon religiös – verehrt.

Aber wie viel echte Religion steckt darin? Woran hat sich George Lucas bedient – und glauben Leute wirklich an die Philosophie dahinter? Einer, der sich sowohl mit Star Wars als auch mit Glauben auskennt, ist Christian Wessely von der Universität Graz. Der Fundamentaltheologe hat sich bereits in seiner Dissertation 1996 mit Star Wars beschäftigt. Wir treffen uns in einem Kaffeehaus neben der Grazer Uni, wo sich in meiner Zeit als Student wie durch ein Wunder Kaffee oft in Bier verwandelt hat. "Als Purist nehme ich das Franchise seit der Übernahme von Disney nicht mehr ernst", erklärt er mir. Die ursprüngliche Trilogie mit ihrer Darstellung von Darth Vader, das seien die wahren Star Wars-Filme, sagt Wessely.

Gewagte These

"Als Star Wars-Fan sind Sie vom Glauben abgekommen, aber haben Sie bei Gott auch schon einmal gezweifelt?", will ich von dem Theologen wissen. "Wer nie gezweifelt hat, kann kaum ein vernünftiger Christ sein", sagt er und erklärt die Theodizee, die große Frage, warum Gott überhaupt Leid, Unheil und Ungerechtigkeit zulässt.

"Kann man sagen, Darth Vader ist so etwas wie Jesus?", frage ich vorsichtig, mit der leisen Befürchtung, religiöse Gefühle zu verletzen. "Wie meinen Sie das?", fragt Wessely skeptisch, aber interessiert. Meine These: Anakin Skywalker, der kleine Bub aus Episode 1, ist der Auserwählte, der Erlöser. Auf seinem heiligen Weg lässt er sich aber vom Bösen verführen und wird zum dunklen Darth Vader. Jesus war auch so ein Auserwählter, nur dass er der Versuchung widerstanden hatte. Dem Vergleich will sich der Theologe nicht anschließen. Am Ende unseres Gesprächs empfiehlt Wessely, mit seinem Kollegen Christian Feichtinger zu sprechen, der habe auch über Star Wars publiziert. Vielleicht kann der meiner gewagten These mehr abgewinnen.

Was haben Darth Vader und Jesus gemeinsam? Beide sind Auserwählte und wurden ohne biologischen Vater gezeugt.
Was haben Darth Vader und Jesus gemeinsam? Beide sind Auserwählte und wurden ohne biologischen Vater gezeugt.
AFP/ULISES RUIZ

Drei Tage später erscheint Feichtinger auf der Microsoft-Teams-Oberfläche meines Laptops. "Anakin ist sowas wie ein gefallener Messias, der selbst erlöst werden muss, bevor er die Erlösung bewirken kann", erklärt er. Das Motiv des Erlösers würde man in vielen Religionen finden, im Christentum sei es mit Jesus jedoch besonders präsent. Auch das Motiv, dass er ohne biologischen Vater gezeugt wurde, wäre eine Parallele zwischen Darth Vader und Jesus, jedoch fände sich Ähnliches auch in anderen religiösen Traditionen.

Spiritueller Fleckerlteppich

George Lucas hätte sich bei verschiedensten Motiven bedient, um seine Star Wars-Reihe zusammenzubasteln, sagt der Theologe. Zum Ersten wären das die christlichen Ideen von Schuld, Reue und Vergebung, die man stark in der alten Trilogie findet. Dann gäbe es aber auch asiatische Motive, die Jedi seien nämlich religiös spirituell geprägte Krieger, ähnlich den Samurai. "Der dritte Einflussfaktor ist die esoterische New-Age-Bewegung der 1970er", erklärt Feichtinger. Da gab es die populäre Buchreihe Don Juan von Carlos Castaneda, in der auch Motive einer geheimen spirituellen "Kraft" vorkommen, die ein Schüler von seinem alten Meister lernt. Das entspricht der Macht in Star Wars, sogar ganze Satzteile hätte George Lucas daraus übernommen und Meister Yoda in den Mund gelegt.

"Und ganz stark ist Star Wars auch von der Mythenforschung von Joseph Campbell beeinflusst", erklärt Feichtinger. Campbell habe das Motiv der Heldenreise geprägt, eine archetypische Grundstruktur von Figuren und Situationsabfolgen, die man fast in jeder großen Erzählung findet – und besonders bei Star Wars. "Haben Sie eigentlich schon einmal mit einem echten Jedi gesprochen?", fragt er mich und leitet mir Kontaktdaten weiter.

Max Lütgendorf ist Opernsänger,
Max Lütgendorf ist Opernsänger, "Star Wars"-Fan und hat einen eigenen Jedi-Orden gegründet.
Max Lüttgendorf

Drei Tage später stehe ich vor der Wiener Stadthalle, und Max Lütgendorf kommt auf mich zu, ein grinsender Mann mit einem dichten Bart. Gemeinsam wollen wir die aktuelle Star Wars-Ausstellung The Fans Strike Back anschauen. Im echten Leben ist Lütgendorff Opernsänger, gerade erst von einer Tour nach Wien zurückgekehrt. Auf seiner Kappe prangt ein blaues vogelähnliches Symbol der Rebellenallianz: die helle Seite der Macht aus der Filmreihe. Eigentlich sollte es leuchten, aber die Batterien sind leer.

Ordenskodex

Als wir den Raum der Ausstellung, die mit selbstgebastelten Exponaten von Fans für Fans konzipiert wurde, betreten, steht uns ein lebensgroßer Darth Vader gegenüber. "Meinen ersten Star Wars-Orden habe ich bereits vor 17 Jahren gegründet", erzählt der Tenor. "Aber dort gab es dann Probleme. Manche Mitglieder wurden egoistisch und sind quasi zur dunklen Seite übergelaufen. 2021 habe ich deswegen einen neuen Orden gegründet." Sie verstünden sich als philosophische Gemeinschaft, die den Kodex der Jedi benutzen, um ihr Leben zu gestalten. Dass sie keine Dinge mit ihrem Geist bewegen können, sei ihnen aber bewusst. Den Kodex aus den Filmen hätten sie leicht modifiziert, um ihn lebensnaher zu gestalten:

"Es gibt Gefühle, darum übe Frieden. Es gibt Unwissenheit, deshalb wisse. Es gibt Leidenschaft, deshalb übe Gelassenheit. Es gibt den Tod, doch als Teil der Macht."

Der Orden hat um die 80 Mitglieder, die sich einmal im Jahr zu einer mehrtägigen Veranstaltung treffen. Der Aufnahmeprozess ist langwierig. Erst ist man rund ein Jahr lang Aspirant, und je nachdem, wie versiert man ist, variiert die Dauer der Ausbildung. Danach wird man zum Padawan genannten Schüler und begleitet einen ausgebildeten Jedi, bis man selbst in diesen Rang aufsteigt. Anschließend kann man noch Meister werden. Lütgendorff ist als Ordensgründer der einzige Hochmeister. "Aber ich bin kein besonders autoritärer Herrscher", lacht er.

"Foto machen du kannst?"

In der Ausstellung kommen wir an dem Pod­racer, einer Art schwebender Schlitten, aus einer Szene aus Episode 1 – die dunkle Bedrohung vorbei. "Diese Szene ist nur im Film enthalten, weil George Lucas so ein Fan von Autorennen ist", kommentiert Lütgendorff. Wenngleich viele Fans Episode 1 hassen, ist es für den Opernsänger der Lieblingsteil aus der Filmreihe. Dort würde diese spirituelle Philosophie der Jedi, die eben auch sein Leben präge, am besten rüberkommen.

Auch auf dem Eisplaneten Hoth kommt man in der Ausstellung vorbei.
Auch auf dem Eisplaneten Hoth kommt man in der Ausstellung vorbei.
The Fans Strike Back Vienna

Wir gehen weiter durch die Ausstellung, kommen in einen rot-schwarzen Raum, in dem ein Thron steht. Der Thron des dunklen Imperators. "Foto machen du kannst?", fragt Lütgendorff in der Stimme von Yoda, dem kleinen, grünen Jedimeister mit dem komischen Satzbau. Der Opernsänger nimmt für das Foto seine Kappe mit dem Symbol der hellen Seite ab. "Das würde den anderen im Orden auch gefallen", sagt er.

Als wir die Ausstellung zwei Stunden später wieder verlassen, sind wir erschöpft, aber irgendwie auch erfüllt. Glauben, das kann etwas Schönes sein. Ob Gott oder Star Wars – eigentlich macht das gar keinen so großen Unterschied. (Jakob Thaller, 30.3.2024)