Der Kleinsatellit Pegasus der FH Wiener Neustadt war sechs Jahre lang im Weltraum und sammelte emsig Daten.
FH Wiener Neustadt

Luft- und Raumfahrt sind keine Bereiche, die man spontan mit Österreich assoziieren würde. Und doch gibt es etliche heimische Unternehmen, die in dieser Königsklasse der Industrietechnik reüssieren. Nicht selten handelt es sich dabei um Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen oder Hochschulen.

Vor allem Niederösterreich hat sich in den vergangenen Jahren mit seinen Fachhochschulen als kleiner, aber feiner Weltraum-Hub entwickelt. "Es gibt zwar keine große Tradition im Weltraumbereich in Österreich, aber sehr wohl in der Industrietechnik, etwa im Anlagenbau", sagt Michael Moll, Geschäftsführer des Technologie-Inkubators Accent des Landes Niederösterreich. "Es geht hier stark um Hardware, um Antriebe – und da haben wir viel Expertise in Österreich."

Ausstellung in Wien

Eine Sonderschau im Technischen Museum Wien gibt aktuell einen spannenden Überblick, welche niederösterreichischen Hochschulen und Firmen erfolgreich im internationalen Raumfahrtbusiness mitmischen. Dafür reserviert ist der "Innovation Corner", eine kleine Ausstellungsfläche im Museum, auf der im vierteljährlichen Wechsel aktuelle Forschung und Technologie präsentiert wird.

Technisches Museum Wien Ausstellung Weltraum
Im Technischen Museum Wien sind einige der Entwicklungen der niederösterreichischen Weltraumtechnik zu sehen.
TMW

Noch bis zum 26. Mai bestimmt heimische Luft- und Raumfahrttechnologie das zwischen Dampfmaschinen und Lokomotiven aus dem 19. Jahrhundert situierte Areal und setzt einen modernen Kontrapunkt zu den altehrwürdigen Exponaten. Konzipiert wurde die Ausstellung vom Museum gemeinsam mit Accent und der niederösterreichischen Finanzierungsgesellschaft Tecnet Equity.

Verteilersystem für Satelliten

Eines dieser Aushängeschilder ist die Firma RHP, ein Spin-off des Austrian Institute of Technology (AIT). Das Unternehmen hat ein Dosier- und Verteilersystem für das Antriebsgas von Satellitenantrieben entwickelt, das wesentlich kleiner ist als frühere Produkte. Während herkömmliche Lösungen verschiedene Komponenten wie Ventile und Leitungen vereinen, ist das System von RHP ein aus mehreren Edelstahlplatten bestehender, kompakter Block mit innenliegenden Strukturen zur Antriebsgasverteilung.

Zu den Kunden des Unternehmens gehört die britische Eutelsat Oneweb, ein Anbieter von Satelliteninternet. Etliche Hundert Satelliten von Eutelsat haben die Technik aus Seibersdorf an Bord.

Satellitenantrieb

Mit Satelliten beschäftigt sich auch die Firma Enpulsion aus Wiener Neustadt, ein Spin-off von FOTEC, dem Forschungsunternehmen der Fachhochschule Wiener Neustadt. Enpulsion entwickelt das nach eigenen Angaben bisher leistungsstärkste FEEP-Triebwerk (Field Effect Electric Propulsion) für Satelliten auf dem Markt. Diese Form des Ionenantriebs erzeugt Schub, indem ein Festmetalltreibstoff verflüssigt und anschließend ein elektrostatisches Feld angelegt wird. Der Ionenausstoß erfolgt durch winzige, hohle Nadeln aus Wolfram.

ENPULSION

Die aktuelle Generation des Antriebs verwendet 20 Nadeln, bis 2026 sollen es bereits mehrere Tausend sein", erklärt Christian Klösch, Kustos für Raumfahrt im Technischen Museum Wien. Als Treibstoff wird Indium verwendet, das – anders als Edelgastreibstoffe – nicht unter Druck gelagert werden muss und deshalb ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen handhabbar ist. Rund 200 Kleinsatelliten hat Enpulsion bereits mit den Nanoantrieben ausgestattet.

Auch eine Entwicklung der Fachhochschule Wiener Neustadt wird den Antrieb in Zukunft nutzen. Im Rahmen des Masterstudiengangs Aerospace-Engineering tüfteln Studierende in Zusammenarbeit mit FOTEC an einem Kleinsatelliten, der mithilfe des Ionenantriebs zum Van-Allen-Strahlungsgürtel fliegen soll. Dort wird dann ein Jahr lang die Strahlungsresistenz elektrischer Bauteile getestet.

Transportdrohne geplant

Satellitenbau ist kein Neuland an der FH Wiener Neustadt – der von Studierenden entwickelte Kleinsatellit Pegasus wurde im Juni 2017 in den Orbit geschossen und sendete mehr als sechs Jahre täglich Daten ins Kontrollzentrum an die FH. Im Jänner 2024 endete die Mission und Pegasus verglühte planmäßig in der Erdatmosphäre. Es ist eines mehrerer Projekte, die im Weltraumprogramm ASAP vom Klimaschutzministerium und der nationalen Förderagentur FFG unterstützt werden. Vor wenigen Monaten startete im Rahmen des Programms der Klimasatellit Pretty ins All.

Die Transportdrohne Trogon nutzt den innovativen Antrieb in Erdnähe.
Die Transportdrohne Trogon nutzt den innovativen Antrieb in Erdnähe.
FHWN

Für einen deutlich erdnäheren Einsatz ist die Transportdrohne Trogon konzipiert, ebenfalls ein Projekt an der FH Wiener Neustadt. Ein im Maßstab 1:4 verkleinertes Demonstrationsmodell hängt derzeit im TMW über den Schaukästen und Monitoren des Innovation Corner. Das reale Exemplar soll eines Tages autonom starten, fliegen und landen, 14 Meter Flügelspannweite aufweisen und bis zu 500 Kilogramm schwere Lasten transportieren können – bei einer Maximalgeschwindigkeit von 300 km/h und 1.500 Kilometern Reichweite.

Hardware im Fokus

Der Schwerpunkt der ausgestellten Luft- und Raumfahrttechnologien liegt klar auf Hardware: Antriebssysteme, Satelliten, Messgeräte und anderes "Berührbare". In einer Vitrine sind via 3D-Druck hergestellte Bauteile von FOTEC zu sehen, hauptsächlich aus Aluminium- und Titanlegierungen. Darunter befindet sich eine Motorhalterung für Solarpaneele oder ein Filtergehäuse für Telekommunikationssatelliten.

Damit soll gezeigt werden, wie wichtig diese Fertigungstechnik in der Luft- und Raumfahrt schon heute ist. Nicht nur sind damit hochkomplexe Geometrien realisierbar, sondern auch eine Gewichtsersparnis gegenüber herkömmlichen Fertigungsverfahren wie Fräsen, Bohren oder Guss. Und bekanntlich verteuert jedes zusätzliche Gramm Gewicht die Reise zu den Sternen.

Sichere Kommunikation ist der Beitrag der Fachhochschule St. Pölten zur extraterrestrischen Leistungsschau. Dabei geht es den Forschern genau genommen um eine irdische Anwendung, nämlich die Verschlüsselung von Daten. Dies allerdings mithilfe von Satelliten, über die per Funk kommuniziert wird. Sie haben ein Verfahren zur Verschlüsselung entwickelt, das auch von Quantencomputern nicht geknackt werden kann.

Die sogenannte Satellitenkryptografie basiert darauf, dass der Schlüssel nicht mittels komplexer mathematischer Verfahren erzeugt wird, sondern aus physikalisch messbaren Eigenschaften des Funkkanals, etwa dem Phasenwinkel des Signals. Die FH St. Pölten hält ein Patent für diese Technologie. "Die Luft- und Raumfahrt ist ein riesiges Zukunftsthema und ein gigantischer Wachstumsmarkt", ist Michael Moll von Accent überzeugt. "Gerade für Start-ups ist es hochspannend." (Raimund Lang, 2.4.2024)