Justizministerin Alma Zadic und Verfassungsministerin Edtstadler bei einer Pressekonferenz.
Zadić und Edstadler müssen sich in den kommenden Wochen und Monaten in mehreren Reformpunkten einigen.
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Im Justizbereich stehen in den letzten Monaten vor der Wahl einige wichtige Reformen an. Die Verhandlungen zwischen dem Justizministerium unter Alma Zadić (Grüne) und dem Verfassungsministerium unter Karoline Edtstadler (ÖVP) gehen in die entscheidende Phase.

Handy-Sicherstellung

Höhere Hürden für Beschlagnahmen?

Wir tragen auf unseren Smartphones praktisch unser gesamtes Leben mit uns – und dennoch können Staatsanwaltschaften die Geräte beim Verdacht einer noch so kleinen Straftat sicherstellen und auswerten. Verfassungsministerin Edtstadler forderte jahrelang höhere Hürden, Justizministerin Zadić war dagegen stets zurückhaltend: Die Handy-Beschlagnahme sei gerade bei der Aufklärung "kleinerer" Delikte wie Stalking dringend notwendig.

Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) spielt nun Edtstadler in die Karten: Sicherstellungen seien demnach zu einfach möglich, das Parlament müsse bis Ende 2024 eine Neuregelung schaffen. Doch der Teufel steckt im Detail: Wie schwer muss ein Delikt sein, damit Handy-Abnahmen erlaubt sind? Wie genau müssen Richter ihre Beschlüsse begründen? Der Regierung bleibt wenig Zeit. Damit das Gesetz vor der Wahl beschlossen werden kann, müsste der Entwurf in wenigen Monaten fertig sein.

Datenschutz und Zitierverbot

Stärkere Pflichten für Medienunternehmen?

Ob die Regierung will oder nicht: Sie muss Medien künftig stärker an das Datenschutzgesetz binden. Derzeit sind Redaktionen generell von den Pflichten ausgenommen und müssen etwa Betroffene nicht über verarbeitete Daten informieren. Doch laut einer VfGH-Entscheidung geht diese generelle Ausnahme zu weit. Die Regierung muss nun eine heikle Neuregelung schaffen, die Datenschutz und Redaktionsgeheimnis abwägt. Aufgrund einer Frist des VfGH bleiben ihr dafür wenige Wochen.

Verfassungsministerin Edtstadler will den Zeitdruck offenbar zu ihren Gunsten nutzen. Dem Vernehmen nach wird die ÖVP einem Gesetzesentwurf des grünen Justizministeriums nur unter einer Bedingung zustimmen: Journalistinnen und Journalisten soll es künftig per Strafe verboten werden, wörtlich aus Ermittlungsakten zu zitieren. Aussagen wie "Ich liebe meinen Kanzler" oder "Kriegst eh alles was du willst" dürften dann nicht mehr öffentlich werden. Das Argument: Zitate aus geheimen Ermittlungsverfahren seien ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.

Die Grünen lehnten ein Zitierverbot bisher strikt ab. Es kriminalisiere Journalisten und sei kaum mit der Pressefreiheit vereinbar. Damit herrscht Pattstellung. Wie sie die Regierung bis zum Ende der Frist auflösen will, ist derzeit völlig unklar.

Entschädigung in Strafverfahren

Höhere Beträge für Freigesprochene?

Der linke Tierschützer Martin Balluch und der rechte Ex-Politiker Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben eines gemeinsam: Beide wurden angeklagt, freigesprochen und blieben nach ihren Strafverfahren auf einem Berg an Anwaltskosten sitzen. Derzeit ersetzt der Staat nur einen Bruchteil dessen, was an Kosten anfällt. In Schöffenverfahren, wie sie bei vielen Korruptionsdelikten vorgesehen sind, liegt die Obergrenze etwa bei 5.000 Euro.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat diesen niedrigen Kostenersatz in der Vergangenheit als grundsätzlich zulässig erachtet. Die allermeisten Fachleute erachten es aber als ungerecht und rechtsstaatlich höchst problematisch, dass Menschen, die am Papier unschuldig sind, durch hohe Kosten bestraft werden.

Bereits im Sommer haben sich ÖVP und Grüne auf eine Reform geeinigt, mittlerweile dürften die Verhandlungen fast abgeschlossen sein. Zwar werden Freigesprochene wohl nicht einen vollen Kostenersatz bekommen, die Beträge sollen aber deutlich steigen. Im Budget für 2024 sind vorerst 70 Millionen Euro reserviert. Details will die Regierung noch nicht bekanntgeben.

Generalstaatsanwalt

Neue Weisungsspitze in Ermittlungsverfahren?

Egal ob Diebstahl, Mord oder Korruption: Rein formal hat hierzulande in allen Ermittlungsverfahren die Justizministerin oder der Justizminister das letzte Wort. In der Praxis wird in heiklen Causen zwar der sogenannte Weisungsrat eingebunden, Fachleute fordern aber seit Jahrzehnten eine grundlegende Änderung – schon allein, um den Anschein politischer Einflussnahmen zu verhindern.

Die ÖVP stemmte sich lange gegen eine Reform, umso erstaunlicher war ein Schwenk der Partei im Jahr 2021. Türkise und Grüne kündigten damals gemeinsam an, die Weisungsspitze aus dem Ministerium herauszulösen. Doch drei Jahre später ist von dieser Gemeinsamkeit kaum mehr etwas zu spüren: Zadić und Edtstadler legten jeweils eigene Vorschläge auf den Tisch. Die Grünen wollen eine Dreierspitze, die vom Bundespräsidenten bestellt wird; die Türkisen eine Einzelspitze, die der Kontrolle des Parlaments unterliegt. Ein Kompromiss in den Monaten vor der Wahl scheint unmöglich. (Jakob Pflügl, 1.4.2024)