Eine Krähe attackiert einen Rotmilan
Hat die kleinere Krähe keine Angst vor dem mächtigen Rotmilan? Nein, im Gegenteil, hier fliegt sie zum Angriff. (Belichtungszeit 1/800 Sek., Blende f6.3, Lichtempfindlichkeit ISO 500, Brennweite 420 mm am APS-C-Sensor entspricht einer Bildwirkung von 630 mm umgerechnet aufs Kleinbildformat, Crop)
Michael Simoner

Der Himmel ist eine eigenartige Gegend. Irgendwie wollen wir zwar alle dorthin, aber kaum kommen wir ihm näher, sind wir froh, wenn wir wieder gelandet sind. Die Gallier rund um Asterix und Obelix fürchten bekanntlich, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Aber ein Blick hinauf lohnt sich. Denn am Himmel gibt es viel mehr als fade Flugzeuge: Wolken, Blitze, Regenbögen, Sonne, Mond und Sterne, die Spitze des Donauturms – und jede Menge Vögel.

Da oben in der Luft treibt sich bei uns im Mostviertel seit neuestem ein Rotmilan (Milvus milvus) herum. Im Mai vorigen Jahres haben wir den Greifvogel zum ersten Mal vom Garten aus erspäht. Weil wir ihn damals gar nicht auf dem Radar hatten, mussten wir ihn im Vogelführer nachschlagen. Und jetzt zieht er wieder hier seine Runden. Vermutlich ist es ein Teilzieher, der den Winter ein Stück weiter südlich verbracht hat.

Galt schon als ausgestorben

Wir sind jedenfalls ganz aus dem Häuschen, denn der Rotmilan galt lange als extrem selten. In den 1980er-Jahren war er in Österreich praktisch ausgestorben. Im Jahr 2000 wurden fünf bis zehn Brutpaare gezählt, momentan gehen Vogelschutzorganisationen von 100 bis 200 Brutpaaren im Bundesgebiet aus. Die meisten davon in Oberösterreich und im Osten des Landes. Rotmilane gibt es nur in Europa, am weitesten sind sie in Deutschland verbreitet.

Nicht alle sind so erfreut vom Comeback des Rotmilans. Als er der Krähengemeinde, die sich in hohen Kiefern auf dem Nachbargrundstücke niedergelassen hat, zu nahe kam, wurde es turbulent. Zuerst konnten wir nicht erkennen, wer wen attackierte. Doch als die Krähen abwechselnd auf den Eindringling in ihrem Luftraum losgingen, war die Rollenverteilung klar. Die kleineren Krähen sind wendiger und schnitten dem Rotmilan immer wieder den Weg ab. Selbst als er sich mit kräftigen Flügelschlägen aus dem Staub machte, verfolgten ihn die aufgebrachten Rabenvögel noch.

In der Gruppe sind Krähen stark

Dass Krähen und Rotmilane keine guten Freunde mehr werden, ist bekannt. Oft ist das Verhalten der Greifvögel daran schuld. Sie sind zwar keine direkten Fressfeinde von Krähen, jagen diesen aber häufig die Beute ab. Weil sie auch Aas fressen, kommen sich die ungleichen Vögel oft gegenseitig ins Gehege. In der Gruppe sind Krähen aber stark und legen sich auch mit Sperbern, Bussarden und Falken an.

Gelegentlich wird der Rotmilan mit dem ähnlich großen Bussard verwechselt. Doch die langen, schmalen Flügel mit den schwarzen Spitzen und vor allem der gegabelte, rostrote Schwanz machen den Milan eigentlich unverwechselbar. Sein Cousin, der Schwarzmilan, ist etwas kleiner, durchgehend braun gefärbt und hat einen nicht so eindeutig gegabelten Schwanz. Mäuse haben sie alle auf der Speisekarte, bei der Jagd gibt es aber kleine, feine Unterschiede. Bussarde stürzen sich auf die Beute und verharren damit zumindest kurz auf dem Boden. Rotmilane hingegen krallen sich die Beute im Drüberfliegen, sie können auch ähnlich wie Seeadler Fische aus dem Wasser greifen.

Immer wieder Giftköder 

Wer Rotmilane nachschlägt, stößt unweigerlich auch auf das unerfreuliche Thema Giftköder. Vor allem in Ober- und Niederösterreich verenden überdurchschnittlich viele Rotmilane, weil sie mit Gift versehenes Aas fressen. Unglückliche Zufälle oder gezielte Anschläge? Im Vorjahr ging ein Fall durch die Schlagzeilen, bei dem im Bezirk Braunau der Funksender eines Rotmilans gefunden wurde. Von dem Vogel, der in Schweden beringt und verkabelt worden war, fehlte jede Spur. Stattdessen hatte irgendjemand eine tote Taube an das GPS-Modul gehängt. Der oder die Täter sind bis heute nicht gefasst. Ihnen drohen bis zu zwei Jahre Gefängnis, weil der Rotmilan ein streng geschütztes Tier ist. (Michael Simoner, 3.4.2024)

Ein Rotmilan im Flug
Mit kräftigen Flügelschlägen änderte der Rotmilan seinen Kurs. (1/800 Sek., f6.3, ISO 320, 420 mm APS-C, Crop)
Michael Simoner
Eine Krähe attackiert einen Rotmilan
Doch die wendigere Krähe verfolgte ihn weiter. (1/800 Sek., f6.3, ISO 320, 420 mm APS-C, Crop)
Michael Simoner
Ein Rotmilan im Flug
Bis der Rotmilan schließlich davonsegelte. Die Greifvögel haben eine Flügelspannweite von bis zu 1,80 Meter. (1/800 Sek., f6.3, ISO 250, 420 mm APS-C, Crop)
Michael Simoner