Spritze wird an einem Oberarm angesetzt
Spritzen wurden während Corona häufig an den Oberarmen angesetzt. Nun untersucht die EU-Staatsanwaltschaft, ob bei der Beschaffung des Serums alles rechtmäßig zugegangen ist.
AP/David Goldman

Die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) hat Ermittlungen zum Impfstoffdeal zwischen der EU-Kommission und dem Hersteller Pfizer übernommen. Das meldete das Nachrichtenportal "Politico" zu Wochenbeginn mit Verweis auf einen Sprecher der belgischen Staatsanwaltschaft in Lüttich, die die Untersuchung bis vor kurzem geführt hat. Es geht um die umstrittene Bestellung von bis zu 1,8 Milliarden Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs gegen Covid-19. Direkt eingebunden in die Verhandlungen waren seinerzeit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der CEO von Pfizer, Albert Bourla.

Ermittler der EPPO haben in den vergangenen Monaten die Ermittlungen belgischer Staatsanwälte gegen von der Leyen wegen "Einmischung in öffentliche Ämter, Vernichtung von SMS, Korruption und Interessenkonflikten" übernommen. "Politico" schreibt, die Redaktion habe die entsprechenden Unterlagen eingesehen. Ende des vergangenen Jahres hatte das Magazin enthüllt, dass Impfstoffdosen im Wert von mindestens vier Milliarden Euro vernichtet werden mussten. Die Nachricht, dass die EPPO den Fall nun untersucht, birgt die Gefahr, dass die Rolle der Kommissionspräsidentin bei dem Mega-Impfstoffdeal noch stärker in den Fokus rückt. Der geschätzte Wert lag bei mehr als 20 Milliarden Euro.

Kommission winkt ab

Die EPPO führt europaweite Ermittlungen zu Finanzkriminalität durch und könnte theoretisch Telefone und anderes relevantes Material aus Kommissionsbüros oder in anderen europäischen Ländern wie von der Leyens Heimat Deutschland beschlagnahmen. Die Kommission hat sich bisher geweigert, den Inhalt der Textnachrichten offenzulegen oder auch nur ihre Existenz zu bestätigen.

Die aktuellen Ermittlungen wurden ursprünglich Anfang 2023 von den belgischen Justizbehörden eingeleitet, nachdem der Lobbyist Frédéric Baldan eine Strafanzeige eingereicht hatte. Baldans Beschwerde bezog sich auf den mutmaßlichen Austausch von Textnachrichten zwischen von der Leyen und Bourla im Vorfeld des größten Impfstoffdeals der EU auf dem Höhepunkt der Pandemie. Baldan reichte in Belgien eine Strafanzeige ein, die von der Leyen "Einmischung in öffentliche Funktionen, Vernichtung von SMS, Korruption und Interessenkonflikte" vorwarf, wie aus rechtlichen Informationen seines Anwalts hervorgeht.

Von der Leyen schweigt

Von der Leyen hat es bisher vermieden, das Thema auch nur anzusprechen. Auch gegenüber der EU-Ombudsfrau lehnt es die Präsidentin der Kommission ab, Auskunft zu geben. In einer Antwort auf eine entsprechende Frage von "Politico" zu den fehlenden Textnachrichten sagte von der Leyen: "Alles Notwendige dazu wurde gesagt und ausgetauscht. Und wir werden auf die Ergebnisse warten." Von der Leyen hat erst kürzlich bekanntgegeben, für eine weitere Amtsperiode auf ihrem Posten bleiben zu wollen.

Im Jahr 2022 hatte die EPPO angekündigt, dass sie die Impfstoffbeschaffung der EU auf breiter Basis untersuchen werde. Die "Politico"-Enthüllung ist der erste Hinweis darauf, dass sich die Staatsanwaltschaft explizit mit von der Leyens Textnachrichten an Pfizer beschäftigt. Die "New York Times", die zuerst berichtete, dass der Austausch stattfand, als die beiden die Bedingungen des Deals aushandelten, hat eine parallele Klage gegen die Kommission auf Herausgabe der Dokumente eingereicht. Der Fall, der jetzt von der EPPO untersucht wird, überschneidet sich mit Klagen, die Pfizer gegen Ungarn und Polen angestrengt hat. Ungarn, angeführt von Viktor Orbán, einem entschiedenen Gegner von der Leyens, hat laut zwei Insidern mit Kenntnis des Falles ebenfalls eine Beschwerde im Zusammenhang mit der Rolle der Kommissionspräsidentin bei den Impfstoffverhandlungen mit Pfizer eingereicht, berichtet "Politico". (red, 2.4.2024)