Für echte Veganer und Vegetarierinnen ist eine flexitarische Ernährung zwar ein schlechter Kompromiss. Dem Planeten und der eigenen Gesundheit würde diese Diät aber sehr guttun.
IMAGO/ Anna Bogush

Im Englischen ist der Begriff geläufiger als im Deutschen: Die Bezeichnung "flexitarian" – eine Wortkreation, die aus den englischen Wörtern für flexibel und Vegetarier zusammengesetzt ist – wurde schon vor über 20 Jahren von der American Dialect Society zum nützlichsten Begriff des Jahres gewählt. Damit bezeichnet werden Personen, die sich vorwiegend pflanzlich ernähren, ihre Gesundheit und die Umwelt fördern und trotzdem nicht völlig auf Fleisch verzichten.

Laut einer nicht allzu strengen Definition für Umfragen essen Flexitarier an zumindest drei Tagen pro Woche kein Fleisch – und an den anderen Tagen im Idealfall solches aus nachhaltiger Produktion. Eine andere wissenschaftlich-medizinische Definition ist die "Planetary Health Diet", ein 2019 vorgestellter Menüplan, der von der sogenannten EAT-Lancet-Kommission erstellt wurde und sowohl die Gesundheit der Menschen wie auch die des Planeten bestmöglich fördern soll – auch bei einer Erdbevölkerung von zehn Milliarden im Jahr 2050 oder etwas später.

Ein weiterer Vorteil dieser Diät: Sie ist logischerweise leichter durchzuhalten, wird ohnehin schon von vielen praktiziert und stellt noch kein Reizwort dar – anders als Veganismus. Doch wie sehr würde ein flexibler Vegetarismus zum Klimaschutz beitragen können, wenn sich eine Mehrheit so ernähren würde? Bisherige Berechnungen zeichneten ein recht positives Bild von den möglichen Auswirkungen eines weitverbreiteten Flexitarismus, der von radikaleren Tierschützern eher abgelehnt wird.

Ernährung Landverbrauch
So sehr würde sich der Landverbrauch je nach Ernährungsweise verändern.
Hannah Ritchie - https://ourworldindata.org/land-use-diets

Erhebliche Vorteile 

Eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) bestätigt die bisherigen Analysen. Die planetare Gesundheitsdiät scheint tatsächlich gesund für den Planeten zu sein: Gemäß den neuen Berechnungen könnte eine globale Umstellung sogar ein wichtiger Hebel sein, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die so ermöglichte Reduktion von Treibhausgasemissionen würde das verfügbare Kohlenstoffbudget entlasten und das 1,5-Grad-Celsius-Ziel mit weniger CO2-Entnahme und moderateren CO2-Reduktionen im Energiesystem erreichen, berichten die PIK-Forschenden um Florian Humpenöder und Alexander Popp im Fachblatt "Science Advances". Auch Preise für Treibhausgasemissionen, Energie und Lebensmittel würden sich verringern.

"Unsere Berechnungen zeigen, dass eine nachhaltigere, flexitarische Ernährung die Erreichbarkeit der Klimaziele des Pariser Abkommens auf verschiedene Weise erhöht", sagt PIK-Forscher Humpenöder in einer Pressemitteilung des PIK. Eine Ernährungsumstellung hätte eine Verringerung der Treibhausgasemissionen zur Folge, insbesondere von Methan aus der Tierhaltung für die Fleisch- und Milchproduktion. Diese Reduktion würde es laut Humpenöder konkret ermöglichen, das globale CO2-Budget für das 1,5-Grad-Celsius-Ziel von aktuell 500 Gigatonnen um 125 Gigatonnen zu erweitern.

Zudem würde die Ernährungsumstellung im Vergleich zu fortgesetzten Ernährungsmustern die Umweltauswirkungen der Nahrungsmittelproduktion – etwa durch Abholzung und Stickstoffeinträge – reduzieren, ergänzt Alexander Popp. Eine solche Diät verringere zudem die Treibhausgasemissionen aus dem Agrarsystem so stark, dass sie die 1,5-Grad-Celsius-kompatiblen Treibhausgaspreise für die gesamte Volkswirtschaft im Jahr 2050 um 43 Prozent senkt.

Große Herausforderungen

"Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einsatz für eine Agrar- und Ernährungswende einen erheblichen Unterschied machen könnte, wenn wir in den nächsten zehn bis 15 Jahren die 1,5-Grad-Celsius-Grenze nicht überschreiten wollen. Dies erfordert weltweit gemeinsam koordinierte Anstrengungen, um den Übergang zu einer nachhaltigen, gesunden Ernährung zu unterstützen", sagt Johan Rockström, PIK-Direktor und Mitautor der Studie.

Den Forschenden zufolge sind jedoch noch erhebliche Herausforderungen auf verschiedensten Ebenen zu bewältigen: Erst am Montag hatte eine Studie im Fachblatt "Nature Foods" errechnet, dass mehr als 80 Prozent der EU-Landwirtschaftssubventionen in die Tierhaltung und in Futtermittel gepumpt werden – weil mehr als bisher angenommen. Auch auf staatlicher Ebene ist die Entscheidungskompetenz in Sachen Ernährung und Landwirtschaft auf verschiedene Institutionen und Ministerien aufgeteilt, was die Umsetzung einer kohärenten Politik zur Förderung gesunder Ernährung behindert. (Klaus Taschwer, 3.4.2024)