Peter Gridling, Ex-BVT-Chef
Die Spionageabwehr stoße rasch an ihre Grenzen, sagt Ex-BVT-Chef Gridling.
imago/CHROMORANGE

Es waren Hinweise aus Großbritannien, die zu einer neuen Wendung in einer spektakulären Spionageaffäre führten: Am Karfreitag wurde Egisto Ott, ehemals Mitarbeiter des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), festgenommen, seit Sonntag sitzt er in Untersuchungshaft.

Ott soll im Sommer 2022 gespiegelte Inhalte von Smartphones dreier langjähriger Spitzenbeamter aus dem Innenministerium an russische Geheimdienste verkauft haben. Handeln soll es sich dabei um die Geräte von Michael Kloibmüller, einst über Jahre Kabinettschef im Innenministerium, Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, sowie Michael Takacs, Bundespolizeidirektor mit Nähe zu Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Handys im Wasser

Die Weitergabe war auf einem kuriosen Weg erfolgt. Bei einem Bootsausflug von Innenministeriumsmitarbeitern war ein Kanu gekentert, die Smartphones wurden nass. Der mit der Reparatur der Geräte beauftragte IT-Techniker des BVT fertigte offenbar Kopien an und gab sie an Ott weiter. Dieser soll überdies noch einen Laptop an die russischen Dienste weitergereicht haben. Für Ott, der mutmaßlich mit dem flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek zusammengearbeitet hat, gilt die Unschuldsvermutung.

Die Causa schlägt politisch Wellen. Nehammer hat für den 9. April wegen Spionageverdachts den Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Die FPÖ siedelt die Affäre prompt im ÖVP-Dunstkreis an. Ott habe unter schwarzen Innenministern sowie dem einstigen BVT-Chef Peter Gridling Karriere gemacht.

Nie genug Ressourcen

Dieser wehrte sich im Interview mit dem Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch gegen die Vorwürfe. Gridling wies darauf hin, dass er selbst Ott 2017, als sich ältere Verdachtsmomente erhärtet hätten, bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und vom Dienst suspendiert hat. 2017 sei das Substrat aber noch "sehr dünn" gewesen, betonte Gridling auch im "ZiB 2"-Interview am Mittwochabend. Immerhin habe es Belege gegeben, dass Ott klassifizierte Dokumente auf seinen privaten Account überspielt habe. Damit sei eine neuerliche Sicherheitsprüfung möglich gewesen, in deren Folge Ott nicht mehr für das BVT habe tätig sein können. Das bedeute, dass man im ersten belastbaren Moment Konsequenzen gezogen und Ott entfernt habe, so Gridling in der "ZiB 2".

Im Verfassungsschutz hatte Ott fortan keinen Platz mehr, sehr wohl aber verblieb er im Innenministerium. Wie das passieren konnte? "Wir leben in einem Rechtsstaat", erwiderte Gridling im Ö1-"Morgenjournal". Erst nach einer Verurteilung zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe sei eine Auflösung des Dienstverhältnisses möglich – und die gibt es bis dato nicht: "Verfahren brauchten ihre Zeit."

Politisch dreht Gridling den Spieß um. Er erneuert seinen Vorwurf, wonach Ott auch die FPÖ, in Person des damaligen Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein, mit Infos versorgt habe: "Da gibt es einschlägige Chats." Ermittler vermuten, dass die FPÖ dafür bezahlt hat, die Blauen dementieren das. Jenewein ist mittlerweile aus der Partei ausgetreten. Anders als behauptet, sei ihm auch nicht bekannt, dass BVT-Mitarbeiter zu seiner Zeit gleichzeitig in genehmigten Nebenjobs für Marsaleks Wirecard gearbeitet hätten, sagt Gridling.

Ob die Spionageabwehr schlecht aufgestellt ist, wo erst wieder ein Hinweis aus dem Ausland zur Festnahme Otts geführt hat? Bei solchen Fällen sei die Beweisführung stets schwierig, zumal Hinweise oft sehr vage seien, sagt Gridling, aber ja: In Zeiten einer sich rasch verändernden Bedrohungslage "stößt man rasch an die Grenzen. Es sind nie genug Ressourcen da." (Gerald John, 3.4.2024)