Es ist heiß in Berlin, um sechs Uhr morgens hat es bereits 32 Grad, in Tschechien toben Waldbrände, sie drohen auf Deutschland überzugreifen. Und auf den Straßen Berlins protestieren tausende Menschen gegen die neue Gesundheitsreform. Denn mit ihr sei es vorbei mit der Solidarität, so die Demonstranten.

Der Gesundheitsminister kontert: Die Reform führe zu einem besseren und gerechteren System, er will das Projekt durchpeitschen. Und die gefeierte Mikrobiologin Maral Safafi (Sesede Terziyan) kehrt von Boston zurück an die Charité, um hier ihre Forschungen voranzutreiben. Ein Coup für die renommierte Universitätsklinik, deren Ärztinnen und Ärzte mit ihren Fallgeschichten schon drei Staffeln zuvor für hohe Einschaltquoten in der ARD sorgten.

Die sechs neuen Folgen der vierten Staffel schauen jetzt ein paar Jahrzehnte in die Zukunft und führen am Donnerstag auf Arte und ab 9. April in der ARD ins Jahr 2049. Die Autorinnen Tanja Bubbel und Rebecca Martin und Regisseurin Esther Bialas exerzieren hier vor, wie unser Gesundheitssystem in rund 25 Jahren aussehen könnte.

Maral Safadi (Sesede Terziyan) auf dem Weg zur Station.
Maral Safadi (Sesede Terziyan) auf dem Weg zur Station.
Foto: ARD/MDR/ARD Degeto/Arte/Ufa Fiction/Armanda Claro

Pandemie, KI und Roboter

Freilich darf da eine drohende Pandemie nicht fehlen, und natürlich übernehmen Roboter – immerhin noch gesteuert von Menschenhand – diverse Operationen. Und klar, neue Technologien, Künstliche Intelligenz und andere Innovationen übernehmen Aufgaben, die in der Gegenwart oft noch von menschlichen Arbeitskräften ausgeführt werden. Aber vor allem zeigt die Serie, dass es ohne medizinische Ethik, ohne Mitgefühl und ohne sozialen Zusammenhalt auch in einem Vierteljahrhundert nicht geht.

Vorbereitung einer Herztransplantation.
Vorbereitung einer Herztransplantation.
Foto: ARD/MDR/ARD Degeto/Arte/Ufa Fiction/Armanda Claro

Gnadenloser Scorewert

Die geplante Gesundheitsreform spaltet die Gesellschaft, ein Scorewert bestimmt über die Behandlung von Patientinnen und Patienten. Und die Daten und Algorithmen sind gnadenlos, Menschen, die ihren Gesundheitsplan nicht einhalten, sich nicht an die Vorgaben halten, werden nicht behandelt, "es geht um Eigenverantwortung", argumentiert der Gesundheitsminister Thomas Nguyen (Hyun Wanner). "Es geht nicht um Zahlen, es geht um Menschen", sagt da Marals Mutter Seda (Adriana Altaras) und richtet eine Art geheime "Schaffenklink" ein, in der sie Patientinnen und Patienten operiert, die sonst durch den Raster fallen würden. Sie ist eine Ärztin der alten Schule, alle sollen eine Chance auf Behandlung bekommen.

Während die Mama also gegen die Gesundheitsreform kämpft, hat es Tochter Maral als Beraterin des Gesundheitsministers in Zeiten einer drohenden Pandemie nicht leicht. Sie will eine Ausbreitung des bisher unbekannten Erregers verhindern, er kämpft um sein politisches Überleben und sieht seine politische Karriere wegen unbeliebter Pandemiemaßnahmen bedroht. Wir kennen das.

Und dann werden auch noch die Gelder für die vielversprechenden Forschungen des Neurotechnologen Ferhat Williamsen (Timur Işık) eingefroren. Und das, obwohl er mit seiner Locked-in-Methode kurz vor dem Durchbruch stand. Alles zu wenig dringlich, zu teuer und nicht effizient genug.

Der telegesteuerte Operationssaal in der Charité 2049
Der telegesteuerte Operationssaal in der Charité 2049.
Foto: ARD/MDR/ARD Degeto/Arte/Ufa Fiction/Armanda Claro

Reißbrett und private Scharmützel

Menschlichkeit versus Algorithmus, Eigenverantwortung gegen Solidarität, gesellschaftliche Spaltung im Großen trifft auf Zusammenhalt im Kleinen: Viele Szenen wirken hier gar arg wie am Reißbrett entworfen. Und dann sind da noch die zu breit ausgewalzten privaten Scharmützel, Maral kämpft um Anerkennung durch ihre Mutter, Marals Frau – die Gynäkologin Julia Kowalczyk (Angelina Häntsch) – wiederum um mehr Zeit mit ihr.

Julia Kowalczyk (Angelina Häntsch, links) mit ihrer Frau Maral.
Julia Kowalczyk (Angelina Häntsch, links) mit ihrer Frau Maral.
Foto: ARD/MDR/ARD Degeto/Arte/Ufa Fiction/Armanda Claro

Interessant ist die Serie immer dann, wenn es um medizinische Fragen geht. Wenn etwa erklärt wird, wie das Mikrobiom genau arbeitet, wenn man sieht, wie Neuromodulation funktioniert oder wie die neue Niere vom Drucker kommt. Und auch die Ausstattung – gedreht wurde im Champalimaud Clinical Centre in Lissabon inklusive Dschungelcafé – macht Freude und so manche Schwäche im Drehbuch wett. (Astrid Ebenführer, 4.4.2024)