Frederick Lau und Christoph Krutzler in der Netflix-Serie
Frederick Lau und Christoph Krutzler in der Netflix-Serie "Crooks" ab Donnerstag.
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Der Fachkräftemangel ist auch in der Unterwelt ein Thema. Einen geeigneten Handwerker zu finden, der einen im Untergeschoß eines Nagelstudios befindlichen Tresor öffnen kann, ist gar nicht so einfach. Charly (Frederick Lau) könnte, aber er will nicht. Zwei Millionen wären zu holen, und es ist ganz einfach. Zwanzig Prozent für Charly, okay? Nein, Charly will nicht. Charly bekommt Ärger.

Joseph (Christoph Krutzler) hat Ärger. Als der Taxler die schöne Alina (Klara Mucci) zu ihrem nächsten Arbeitsplatz eskortiert, eskaliert die Situation. Der Unterweltkönig, genannt "der Große", liegt im Sterben. Charly und Joseph sollen eine wertvolle antike Münze von Berlin nach Wien bringen. Das läuft auf vielerlei Weise schief. Die beiden finden sich in kürzester Zeit von einer serbischen Einbrecherbande verfolgt, einem Wiener Rotlicht-König und der Mafia in Marseille. Es wird einen "Tuscher geben", lautet das Versprechen. Es wird eingelöst. Marvin Kren ("4 Blocks"), Benjamin Hessler und Georg Lippert schrieben das Buch zur Gangsterserie "Crooks", die ab Donnerstag auf Netflix abrufbar ist. Der Österreicher Marvin Kren führte gemeinsam mit Cüneyt Kaya auch Regie.

STANDARD: Die erste Folge ist dem Theaterregisseur, Bühnenbildner und Schauspieler Karl Welunschek gewidmet, der kurz nach den Dreharbeiten starb. Wie kam er zu der Rolle?

Kren: Ja, die ganze Serie ist leider ein Denkmal geworden. Karl Welunschek ist für mich eine sehr prägende Figur. Er war in den 1980er- und 1990er-Jahren ein berühmter Regisseur in Wien. Ich war bei den Proben meiner Mutter dabei und war von seinem Wesen und von seiner Gestalt immer schon beeindruckt. Er hatte etwas Tieftrauriges, dazu diese Wildheit und Schläue und Weisheit. Er war einfach ganz besonders. Über die Jahre verloren wir uns aus den Augen, und für "Crooks" war es so, dass ich diese Rolle nicht besetzen konnte. Meine Frau machte mich auf ihn aufmerksam, und Karl kam extra aus Asien angereist und legte ein dermaßen präzises und wahrhaftiges Casting hin, dass nicht nur ich, sondern auch Netflix und meine Produzenten sofort Feuer und Flamme waren und gesagt haben: Okay, sofort besetzen. Karl war am Set ein besonderer Mentor für Frederick Lau und Christoph Krutzler und hat beide extrem durchgetragen. Am letzten Drehtag gab es Standing Ovations für Karl. Viele Leute mochten ihn sehr, sehr, sehr gern, und sein Tod war für uns alle sehr bitter, weil wir sehr zusammengewachsen sind. Danach wollte er immer was sehen, während ich im Schnitt war, und ich musste ihn immer vertrösten, wir waren noch nicht so weit.

STANDARD: Das Milieu der organisierten Kriminalität lässt Sie ja ganz offensichtlich nicht los. Was fasziniert Sie denn so daran?

Kren: Es hat mit den verbotenen Welten zu tun. Ich finde es spannend, in etwas nicht Alltägliches blicken zu dürfen. Das hat schon mit den Horrorfilmen begonnen.

"Das sind verbotene, gefährliche Welten, in die ich eindringen möchte."

STANDARD: "Rammbock" zum Beispiel.

Kren: Genau, das sind auch verbotene, gefährliche Welten, in die ich eindringen möchte. Ich habe eine gewisse Faszination für das Kriminelle, aber gleichzeitig eine große Angst und Abscheu davor, und versuche mir diese Welten anzueignen. Bei "4 Blocks" war das natürlich viel ernsthafter gemeint und klarer. "Crooks" versucht auch, authentische Welten zu schaffen, ist aber spielerischer.

STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem kriminellen Milieu?

Kren: Die österreichische Filmtradition verlangt Recherche, und das nehme ich sehr ernst. Was macht das Milieu aus? Was macht das Gangstergenre daraus? Beides ist gekennzeichnet durch charismatische Figuren. Diese Brücke muss man schaffen.

Crooks | Offizieller Trailer | Netflix
Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz

STANDARD: Gehen Sie für die Recherche selbst in die Nachtlokale?

Kren: Es sind tatsächlich eher tagsüber nüchterne Treffen im Café, wo ich mich mit Leuten austausche, die ehemals im Milieu gearbeitet haben. Das ist recht unspektakulär vom Surrounding. Also, es ist nicht so wie Melville, der nachts mit seinem Auto durch die dunklen Gassen von Paris gefahren ist und einfach stundenlang Leute beobachtet hat. Ich nehme von den Gesprächen extrem viel mit.

STANDARD: Sie greifen gern auf Schauspieler zurück, die Sie gut kennen. Warum?

Kren: Für mich ist das Verhältnis zu Schauspielern ein Vertrauensverhältnis. Das Vertrauen zu Christoph Krutzler und Frederick Lau ist besonders groß, weil wir irgendwie die gleiche Art und Weise haben, zu denken, zu fühlen, und ich in beiden alte Seelen entdecke, die schon sehr oft auf der Welt waren und das auch extrem gut transportieren können. Das ist ein absolutes Geschenk. Was die beiden als Grundausstattung mitbringen, ist für mich einzigartig. Ich versuche, besondere Menschen mit Erfahrung aus dem Leben zu finden. Der Erfahrungsschatz eines Menschen, der Schauspieler wird, hilft oft für das Suchen.

STANDARD: Über den Schauspieler Kida Khodr Ramadan wurden in einer Dokumentation Vorwürfe im Zusammenhang mit Übergriffen am Set erhoben. Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Kren: Bei der ersten Staffel von "4 Blocks", wo ich dabei war, kann ich diese Vorfälle nicht bestätigen. Bei "Crooks" gab es einen klaren Verhaltenskodex seitens Netflix und der Produktion. Daran mussten sich alle halten. Nichtsdestotrotz heiße ich jene in der Doku beschriebenen Vorwürfe in keinster Weise gut, und meine Unterstützung gilt jenen, die unter Machtmissbrauch leiden mussten und in ihrer Arbeit eingeschränkt wurden.

STANDARD: In "Crooks" prallen österreichische und deutsche Welten aneinander. Gab es Sprachregelungen?

Kren: Ja, das ist ein lustiges Ding, denn einerseits ist es so, sagt meine Erfahrung, dass die deutschen Nachbarn durchaus eine Liebe zu unserem Dialekt haben, aber ganz offensichtlich gleichzeitig auch eine totale Abneigung. Das ist ganz seltsam, aber wenn sie ihre Sprache nicht verstehen, dann werden sie ganz nervös. Das heißt, es gibt tatsächlich eine deutsche Fassung in Deutschland. In Österreich und überall sonst gibt es die österreichische Fassung. Ich finde das vollkommen in Ordnung. (Doris Priesching, 4.4.2024)