Apotheke mit Medikamenten
Auch im vergangenen Winter waren bestimmte Antibiotika, Husten- und Fiebersäfte für Kinder oder auch Schmerzmittel Mangelware und temporär nicht erhältlich.
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Wien – Der Mangel an verschiedenen Medikamenten ist auch im vergangenen Winter angesichts zahlreicher grassierender Viren wieder deutlich zutage getreten. So fehlten laut der Österreichischen Ärztekammer immer wieder bestimmte Antibiotika, Husten- und Fiebersäfte für Kinder oder auch Schmerzmittel. Aber auch bei Blutdrucksenkern, Krebsmedikamenten, Arzneien für Magenschutz oder Medikamenten, die zur Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems eingesetzt werden, gebe es teils einen Mangel, sagte Kammerpräsident Johannes Steinhart am Mittwoch. Aktuell sind gemäß einer Liste des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen 547 Arzneispezialitäten nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Insgesamt sind in Österreich nach Angaben der Apothekerkammer rund 16.800 Humanarzneispezialitäten zugelassen. Die Lieferengpässe bei Arzneien hätten inzwischen ein Ausmaß erreicht, "das es in einem der reichsten Länder der Welt nicht geben dürfte". Steinhart mahnte bessere Strategien dagegen ein: Hier sei die Politik in Österreich und auch in der EU gefordert.

Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer nahm aber auch die pharmazeutische Industrie in die Pflicht. Gemeinsam müsse es gelingen, dass wieder vermehrt Produktionsstätten in Europa und auch in Österreich entstehen. Zuletzt zeigte die Tendenz in die andere Richtung: Viele Unternehmen seien aus Europa abgewandert, weil in Südostasien billiger produziert werde. Im Jahr 2000 wurden noch rund 59 Prozent der Wirkstoffe in Europa produziert. Aktuell würden hingegen fast 70 Prozent der Produktionsstätten, die den europäischen Markt mit Medikamenten beliefern, in Asien liegen. "Das bedroht unsere Versorgungssicherheit", sagte Mayer.

Die Politik muss laut den Ärztekammer-Vertretern die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich wieder mehr Unternehmen regional ansiedeln. Das bedeute aber auch, dass es angesichts höherer Personalkosten auch höhere Preise bei Medikamenten brauche. Finanzielle Anreize für Unternehmen, die in Österreich produzieren wollen, zählen zu den Maßnahmen, die die Kammer vorschlägt. "Es muss möglich sein, dass sich Europa eine Medikamentenindustrie leistet", sagte Mayer. Die österreichische Strategie mit Niedrigpreisen bei Medikamenten sei jedenfalls zu hinterfragen. Denn Händler würden sich das Preisgefälle zwischen den einzelnen Ländern auch zunutze machen und Medikamente in einem Staat billig einkaufen und in einem anderen teurer verkaufen. Ärztekammer-Vizepräsident Edgar Wutscher sprach sich für ein Verbot solcher Parallelexporte aus. Aktuell sind diese aber grundsätzlich mit EU-Recht vereinbar.

Wirkstofflager eingerichtet

Im vergangenen Winter hat sich das grüne Gesundheitsministerium mit dem Verband der Arzneimittelvollgroßhändler auf die Einrichtung eines Wirkstofflagers geeinigt, um wichtige Medikamente im Notfall auch selbst in Apotheken herstellen zu können. Zudem muss die pharmazeutische Industrie bis zum nächsten Winter ihre Lager so anpassen, dass rund 700 relevante Medikamente für den Bedarf von vier Monaten zur Verfügung stehen. Diese Maßnahmen der Regierung sind zwar laut Kammervize Mayer "schon okay" – aber eben nur als kurzfristige Lösung. "Das selbstgefällige Sich-Beklatschen der Politik halte ich für entbehrlich", sagte Mayer.

Der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) unterstützt die Forderung der Ärztekammer, wonach es sinnvoll wäre, attraktive Rahmenbedingungen für eine Medikamentenproduktion in Europa zu schaffen. Diese werde Geld kosten – "beim Auf- und Ausbau von Werken als auch bei den Produkten selbst", sagte Generalsekretär Alexander Herzog in einer Aussendung. Dass alle Arzneimittel künftig in Europa produziert werden können, sei aber "nicht realistisch". (David Krutzler, 3.4.2024)