David Alaba ist im EM-Sticker-Album im nicht ganz aktuellen österreichischen Nationaltrikot abgebildet.
Topps

Wer hat auch gesammelt und geklebt? Kaum ist die Frage in den Redaktions-Chat getippt, antwortet der erste Kollege. Sein erstes Panini-Hefterl habe er mit fünf besessen, zur WM 1998: "Ich konnte kaum lesen, kannte aber das ganze Heft, jeden Spieler und jede Flagge auswendig." Seine Verwandten seien genervt gewesen, weil er sie "geprüft" habe, wer denn nun der schwerste und größte Spieler sei, erklärt er.

Ein anderer Kollege erinnert sich an das Heft zur EM 1984 in Frankreich. Das Album wurde zwar nicht bis zum letzten Pickerl gefüllt, möglicherweise sei das mangelnde Taschengeld schuld gewesen. Ein Sujet aber ist bis heute hängen geblieben: ein Tormann, zum Vollmond hin hüpfend, "großartiges Motiv". Keine Frage, nicht nur der Kampf auf dem Rasen ist eine hochemotionale Angelegenheit. Auch die Sache mit den Fußballstickern ist eine.

Lange lag das Geschäft mit den Pickerln in den Händen der Italiener. Genauer: seit 1970. Das Unternehmen Panini brachte damals anlässlich der Weltmeisterschaft in Mexiko das erste Album auf den Markt. Das knapp 50 Seiten schmale Heft ist heute ein echtes Sammlerteil. Auf Onlineportalen wird das Album für 4.250 Euro angeboten, vollgeklebt, "leichte Rostflecken auf dem Papier" inklusive.

EM-Album mit 88 Seiten

Das aktuelle Heft, seit kurzem am Markt, ist um einiges dicker, es umfasst 88 Seiten. Wer genau hinschaut, wird allerdings das Panini-Logo vermissen. Stattdessen prangt im rechten oberen Eck der Name "Topps". Die Fußball-EM kommt für Stickersammlerinnen und -sammler einer Zeitenwende gleich. Das US-Unternehmen Topps besitzt die Rechte für das Fußballsticker-Sammelalbum – zumindest jene für die Europameisterschaften. In Sachen Weltmeisterschaften liegen sie noch bis 2030 bei den Italienern.

Die Schlacht um die Alben verwundert nicht. Das Geschäft mit den Stickern ist ziemlich lukrativ. Die Umsätze von Panini stiegen vor allem in den Jahren der Fußball-Großereignisse. Während der WM in Russland im Jahr 2018 erwirtschaftete das Unternehmen erstmals mehr als eine Milliarde Euro, der Umsatz war doppelt so hoch wie im Jahr davor. 2022 umfasste das Panini-Sammelalbum zur Fußball-WM 670 verschiedene Sticker. Um es zu füllen, seien etwa 1.000 Euro nötig, wurde damals errechnet.

Doch wer gibt so viel Geld für Fußballpickerl aus? Anruf bei Kurt Prenner-Platzgummer, einem leidenschaftlichen und langjährigen Sammler von Panini-Stickern. Das Heft zur WM in Mexiko kaufte er 1970 von seinem Lehrlingsgeld. Seit über einem Jahrzehnt veranstaltet der 69-Jährige zu jeder WM und EM Panini-Sticker-Börsen, etwa 15 bis 30 Veranstaltungen im Jahr eines Fußball-Großereignisses.

6,99 Euro haben wir für ein EM-Sticker-Set hingelegt, das Album mit Softcover kostet 5,99 Euro.
privat

Ob er das heuer auch tun wird, weiß er noch nicht. Als 2022 verkündet wurde, dass Panini das Sammelheft zur EM 2024 nicht mehr produzieren wird, hielt er die Börse in Trauerkleidung ab – der gebürtige Oberösterreicher steht in engem Kontakt mit dem Unternehmen.

Ein teurer Spaß

Das Geschäft mit den Fußballstickern sieht Prenner-Platzgummer dennoch kritisch. Anfangs habe man etwa 200 Pickerl benötigt, um ein Heft zu füllen, heuer sei das Sammeln mit über dreimal so vielen Aufklebern ein teurer Spaß. Vor allem für die Kleinen. Das beeinflusse das Publikum bei seinen Börsen: "Auf 100 Erwachsene kommen vielleicht zwei Kinder", erklärt er. Meist seien es Männer, die sich zum Tauschen träfen.

José Mourinho Match Attax Tarot l UEFA EURO 2024
topps_de

Das neue Album des Unternehmen Topps hatte der in Vorarlberg lebende Sammler bislang noch nicht in der Hand. Das wird nicht nur von der portugiesischen Trainerlegende José Mourinho beworben, es fällt noch gigantischer aus als die letzte Panini-Ausgabe 2022. 728 verschiedene Sticker verstecken sich in den blauen Packungen. Den US-Amerikanern geht es offenbar darum, das Album weiter aufzublasen. Das kommt nicht überall gut an. "Dass die Playoff-Teams, die sich nicht qualifiziert haben, drin sind, ist eine lächerliche Frechheit", schimpft ein fußballbegeisterter Kollege.

Auch sonst dürfte 2024 so einiges gewöhnungsbedürftig sein für die Sammlerinnen und Sammler. Etliche Spielerporträts sind im Querformat abgebildet, bei einigen Mannschaften sind nur die Köpfe der Spieler vor den Nationalflaggen zu sehen. Der Grund dafür? Die Lizenzrechte für die Verbandswappen des Gastgeberlands Deutschland, des Europameisters Italien sowie der Engländer und Franzosen liegen nach wie vor bei Panini.

Fans wird das wahrscheinlich nicht vom Kauf abhalten. Selbst Kurt Prenner-Platzgummer räumt ein: "Auch ich will es vollbekommen." Wäre ja noch schöner, wenn seine Sammlung aus 150 Alben ausgerechnet heuer eine Lücke aufwiese. (Anne Feldkamp, 3.4.2024)