Wahlplakate von Peter Pellegrini und Ivan Korčok.
Slowakische Wahlplakate in Trenčín nahe der tschechischen Grenze: Peter Pellegrini (links) will für die Slowakei "Ruhe, Stolz und Würde". Ivan Korčok (rechts) verspricht, "den Menschen zu dienen, nicht den Politikern".
REUTERS/Radovan Stoklasa

In Bratislava sind die Würfel offenbar längst gefallen. Vor der am Samstag anstehenden Stichwahl ums Präsidentenamt finden sich in den Gassen der slowakischen Hauptstadt nur ein paar vereinzelte Plakate mit dem Konterfei der beiden Kontrahenten. Von Wahlkampf ist hier sonst kaum eine Spur.

Bei der ersten Runde am 23. März hatten sich erwartungsgemäß der liberal-konservative Ex-Außenminister Ivan Korčok und der von der linkspopulistischen Regierung unterstützte Ex-Premier Peter Pellegrini durchgesetzt. Nachdem aber die Meinungsforschungsinstitute ein Kopf-an-Kopf-Rennen prophezeit hatten, kam der Abstand zwischen den beiden Kandidaten doch unerwartet: Mit 42,5 Prozent der Stimmen platzierte sich Korčok klar auf Platz eins, Pellegrini erhielt lediglich 37 Prozent.

Wenig überraschend: In den meisten großen Städten war der Abstand zwischen Korčok und Pellegrini sogar wesentlich deutlicher. Hier scheint das Rennen für Korčok also gelaufen. Die Stichwahl wird wohl vor allem im Osten entschieden – insbesondere in ländlichen Gebieten, fernab vom Wasserkopf Bratislava. Peter Pellegrini könnte dort einen wichtigen Vorteil haben, glaubt der Politologe Grigorij Mesežnikov, Chef des slowakischen Instituts für öffentliche Angelegenheiten: "Er hat die besseren Karten, um eine wichtige und klar definierte Gruppe anzusprechen: Und das sind die Wähler von Štefan Harabin."

Nationales Lager

Tatsächlich geistert das Lager Harabins, der in der ersten Runde mit immerhin 11,7 Prozent auf Platz drei kam, seither als größte Gefahr für Korčok durch die Debatten. Zwar ist Harabin ein Rechts-außen-Politiker, der mit seiner ideologischen Nähe zum Kreml von sich reden macht, während Pellegrini der Linkspartei Hlas (Stimme) vorsteht, mit der er sich 2020 von der linksnationalistischen Partei Smer (Richtung) abspaltete. Doch seither ist genug Zeit vergangen, um das politische Schachbrett im Land neu zu ordnen.

Smer-Chef Robert Fico, der 2018 nach dem Mord am Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová zurücktreten musste, ist zurück im Amt des Regierungschefs. Und Pellegrini, der Fico einst als Premier nachgefolgt war, gilt wieder als dessen Steigbügelhalter. Seine Partei Hlas und die rechtspopulistische Slowakische Nationalpartei (SNS) gingen nach der Wahl im vergangenen Herbst mit Smer in eine Koalition und sicherten Fico damit eine Mehrheit im Parlament – dessen Präsident prompt Pellegrini wurde.

Auch Mesežnikov hält den 48-jährigen Pellegrini für einen kaum eigenständig profilierten Kandidaten: "Er hat überhaupt keine persönliche Geschichte. Für die Ämter, die er bisher bekleidet hat, hat ihn jedes Mal Fico nominiert." In der Tat hat sich Pellegrini im bisherigen Wahlkampf kaum mit Inhalten hervorgetan: Für die Slowakei wünscht er sich vor allem "Ruhe", so sein Mantra.

Gegengewicht zur Regierung

Viele sehen genau das als Ankündigung eines Blankoschecks für Premier Fico, der gerne mit prorussischer Rhetorik aufhorchen lässt und sich mit einer umstrittenen Justizreform den Ruf eingehandelt hat, die Slowakei zu "orbánisieren". Nun geht es darum, ob der liberale, parteilose Karrierediplomat und Ex-Außenminister Ivan Korčok, der am Donnerstag seinen 60. Geburtstag feiert, auch die zweite Wahlrunde gewinnen und künftig ein Gegengewicht zu Fico darstellen kann.

Längst ist nicht ausgemacht, wie viele der national gesinnten Harabin-Wähler tatsächlich dem linken, wenig prononciert auftretenden Pellegrini ihre Stimme geben. Christlich-Konservative könnten gar zu Korčok tendieren. Die Umfrageinstitute bleiben sich jedenfalls treu: Sie prognostizierten am Mittwoch wieder einmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen. (Gerald Schubert aus Bratislava, 5.4.2024)