Thomas Gangl, Noch-Chef der OMV-Kunststofftochter Borealis.
Thomas Gangl, bis Ende Juni noch CEO von Borealis, verantwortet ab 1. Juli das Europageschäft von Liberty Stahl.
APA/HANS PUNZ

Statt Öl, Gas und Kunststoffe wird es ab Sommer Stahl sein, der Thomas Gangl (52) umtreibt. Der Noch-Chef der OMV-Kunststofftochter Borealis wechselt zur Liberty Steel Group und wird als CEO das Europageschäft des eigentümergeführten Stahlkonzerns verantworten. Dazu gehören vier große Standorte in Galati (Rumänien), Ostrau (Tschechien), Dunaújváros (Ungarn) und Tschenstochau (Polen) sowie eine Reihe kleinerer Produktionswerke. 17.000 der weltweit rund 30.000 Mitarbeiter setzten in Europa nach Angaben von Gangl zuletzt zwischen drei und vier Milliarden Euro um.

Hinter Liberty Steel steht Sanjeev Gupta, ein britischer Milliardär mit indischen Wurzeln. Er hat in schneller Folge mehrere angeschlagene Stahlwerke aufgekauft und mit der GFG Alliance ein globales Firmenimperium aufgebaut. In Europa erfolgten die Akquisitionen im Zeitraum 2019 bis 2023. "Mein Aufgabe wird nun sein, das Geschäft zu stabilisieren und die Transformation der Stahlwerke zu Netto-Null-CO2-Emissionen bis 2030 zu schaffen", sagte Gangl bei der Vorstellung der Pläne am Donnerstag. Bis Ende Juni stehe er Borealis noch zur Verfügung, um einen sanften Übergang zu garantieren.

Wechsel in kritischer Phase

Tatsächlich nimmt Gangl in einer kritischen Phase für Borealis Abschied von diesem Unternehmen, dem er seit ziemlich genau drei Jahren vorsteht. Seit einem Jahr versucht OMV-Chef Alfred Stern eine "Fusion auf Augenhöhe" zwischen der eigenen Kunststofftochter und dem Joint Venture Borouge aus den Emiraten zu schaffen. Stern selbst hat vor Gangl Borealis geleitet. Borealis steht schon seit längerer Zeit wegen sinkender Kunststoffpreise unter Druck.

Der aus Oberösterreich stammende Gangl hatte, als es um die Nachfolge von Rainer Seele an der Spitze der OMV ging, Unterstützer, die lieber ihn als den aus der Steiermark stammenden Stern an der Spitze des größten Industriekonzerns Österreichs gesehen hätten. Seitdem ist das Verhältnis zwischen den beiden ein schwieriges.

Neues Headquarter in Wien

Kurz vor Weihnachten schien der Zusammenschluss von Borealis und Borouge fixiert, bis die Verhandler von Adnoc im letzten Moment auf die Bremse traten. Jetzt werden dem Vernehmen nach strittige Punkte nochmals verhandelt, etwa was den Firmensitz und die von OMV für einen gleich großen Aktienanteil am neuen, fusionierten Unternehmen zu zahlenden Geldbetrag betrifft.

Das Headquarter für Liberty Steel Europe hingegen steht fest: Es wird Wien werden. Zuvor soll eine europäische Holdinggesellschaft gegründet werden, an die in der Folge die einzelnen Standorte angebunden werden. Das weltweite Headquarter von Liberty Steel ist und bleibt hingegen in Dubai.

Kurze Entscheidungswege

Anders als in seinen gut 23 Jahren bei OMV, von 2019 bis 2021 als Vorstandsdirektor, und dann noch drei Jahren als CEO bei der Kunststofftochter Borealis habe er es nun mit sehr kurzen Entscheidungswegen zu tun, sagte Gangl. Das sei auch notwendig, um die ehrgeizigen Umbaupläne realisieren zu können, die in der sehr kurzen Zeit bis 2030 verbleiben, realisieren zu können.

Wo jetzt noch stark CO2-emittierende Hochöfen stehen, sollen Schritt für Schritt Lichtbogenöfen Einzug halten, die mit grünem Strom betrieben werden und die Basis sein sollen, dass "grüner" Stahl erzeugt und an Kunden ausgeliefert werden kann. Kostenpunkt: mehr als eine Milliarde Euro. In weiterer Folge soll auch Wasserstoff Einzug halten, wobei man auch die guten Kontakte in die Emirate nutzen möchte. "Die Transformationsschritte, die wir uns vorgenommen haben, gehen von Kohle Richtung Gas Richtung grüner Wasserstoff," sagte Gangl.

Grünstrom mit Partnern

Der Vorteil in Zentral- und Osteuropa seien die vergleichsweise niedrigen Produktionskosten, außerdem habe man einen Vorteil bei den Lohnkosten. Die gestiegenen Energiekosten seien aber Herausforderung genug. Den Bezug von grünem Strom wolle man über Partnerschaften "organisieren", Synergien zwischen den Standorten nutzen und zusehen, dass die in den europäischen Werken installierte Stahlkapazität von rund zwölf Millionen Tonnen auch tatsächlich ausgenutzt werden kann. Derzeit liege man um einiges darunter. (Günther Strobl, 4.3.2024)