Wien/London – Die britisch-österreichische Journalistin Hella Pick ist tot. Sie starb in der Nacht auf Donnerstag im Alter von 94 Jahren in London. Das teilte der Czernin-Verlag mit, bei dem 2022 ihre Autobiografie "Unsichtbare Mauern" erschienen ist. Die gebürtige Wienerin musste im Kindesalter vor den Nationalsozialisten nach England fliehen, wo sie als Außenpolitikjournalistin Karriere machte und als langjährige Korrespondentin des "Guardian" über weltbewegende Ereignisse berichtete.

Hella Pick war Ende Jänner 2024 noch in Berlin.
Hella Pick war Ende Jänner 2024 noch in Berlin.
IMAGO/Achille Abboud

Flucht vor den Nazis

Pick wurde am 24. April 1929 in Wien in eine jüdische Familie geboren und wurde von ihrer Mutter im März 1939 in einem Kindertransport nach London geschickt. Sie kam bei einer netten jüdischen Familie unter, "aber die Unsicherheit und Entwurzelung verlässt einen nie", erinnerte sie sich im Vorjahr im Rahmen einer Rede im österreichischen Parlament. Ihre Mutter kam wenige Monate später nach England.

Nach einem Studium der Politikwissenschaft machte sie in England als außenpolitische Journalistin Karriere. "Frauen im Außenressort wurden als exotisch angesehen und von einer abgeschotteten, ausschließlich männlichen Welt mit ihrem bewährten Mix aus Kameradschaft und scharfer Konkurrenz fast immer als unerwünschte Eindringlinge wahrgenommen", erinnerte sie sich in ihrer Autobiografie. Die ersten Lehrjahre verbrachte sie beim Magazin "West Africa". Bald wechselte sie zum "Guardian", wo sie viele Jahre als Korrespondentin für die Vereinten Nationen und später als internationale Korrespondentin arbeitete.

"Angst gehabt, mich als Jüdin zu bekennen"

Auch für Mitteleuropa war sie in ihrer Laufbahn zuständig und berichtete daher oft über Österreich, wo sie die Politiker Bruno Kreisky, Hannes Androsch, Heinz Fischer und andere kennenlernte. "Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass Österreich judenfeindlich oder antisemitisch eingestellt ist", sagte sie einst. "Aber ich habe immer Angst gehabt, mich als Jüdin zu bekennen."

Pick hat von der Kuba-Krise und der Ermordung John F. Kennedys ebenso berichtet wie vom Rücktritt Richard Nixons, sie war bei Abrüstungsverhandlungen ebenso dabei wie beim Ende des Kalten Kriegs und dem Niedergang der Sowjetunion.

Nach ihrem Abschied von der renommierten Tageszeitung "Guardian" veröffentlichte sie 1996 eine Simon-Wiesenthal-Biografie und arbeitete für das Dialogforum von George Weidenfeld. Erst die Bekanntschaft mit Wiesenthal brachte sie dazu, sich mit ihrer jüdischen Identität und der jüdischen Kultur zu beschäftigen. Sie stellte fest: "Man darf sich nicht verstecken."

Nach dem Brexit, dem Austritt Großbritanniens aus der EU, erhielt sie die österreichische Staatsbürgerschaft. 2023 folgte das Goldene Verdienstkreuz der Stadt Wien. Zudem war Pick Trägerin des Goldenen Ehrenkreuzes der Republik Österreich und Commander of the British Empire.

"Antifaschistin, Zeitzeugin und Mahnerin"

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) würdige Pick in einer Aussendung als "eine Antifaschistin, Zeitzeugin und Mahnerin, die nicht müde wurde, auch jungen Generationen das 'Niemals vergessen' nahezubringen": "Ihre Courage sowie ihre großartige Vorbildwirkung für Generationen von aufrechten Menschen ist bewundernswert."

Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) würdigte Pick als "eine der herausragendsten politischen Journalist*innen", die "mit klarem, analytischem und vor allem unbestechlichem Blick" über einflussreiche Charaktere der Weltpolitik, aber auch über Österreichs Rolle in der NS-Zeit und seinen Umgang damit geschrieben habe.(APA, 4.4.2024)