Kleiner Fuchs
Die Futterpflanze des Kleinen Fuchs ist die Brennnessel. Aufgrund der Häufigkeit dieser Pflanze steht es auch um die Verbreitung des Schmetterlings nicht so schlecht.
Johannes Ruedisser

Neben der Klimakrise sehen wir uns seit einiger Zeit auch mit einer Biodiversitätskrise konfrontiert: Weltweit findet – verursacht durch menschliche Aktivitäten – ein massiver Rückgang der Artenvielfalt statt. Besonders dramatisch ist die Lage bei den Insekten, die immerhin rund 60 Prozent aller Spezies weltweit ausmachen. Allein in Österreich gibt es rund 40.000 Arten davon; etwa 4.000 sind Schmetterlinge. Ihre Vielfalt wird seit dem Vorjahr in einem österreichweiten Projekt erfasst. Finanziert wird es aus den Mitteln des Biodiversitätsfonds des Klimaministeriums.

2017 erregte der Entomologische Verein Krefeld großes Aufsehen mit einer Studie, die einen Rückgang der Biomasse von Fluginsekten von 76 Prozent innerhalb von 27 Jahren belegte – und das in Naturschutzgebieten. Deutlich länger schon sorgt der Rückgang der domestizierten Honigbiene für Beunruhigung. Honigbienen sind jedoch bei weitem nicht die Einzigen, die für die Bestäubung von Pflanzen sorgen. Daneben gibt es allein in Österreich über 700 Arten von Wildbienen, rund 400 Arten von Schwebfliegen und etwa 4.000 Arten von Schmetterlingen, von denen die meisten ebenfalls eine tragende Rolle als Bestäuber spielen. Sie alle gehen massiv zurück. Auch die EU ist sich der Misere bewusst: Bis 2030 sollen alle Mitgliedsstaaten konkrete Maßnahmen zur Erhaltung beziehungsweise zum Schutz ihrer Bestäuberinsekten vorlegen.

Kleines Wiesenvögelchen
Das Kleine Wiesenvögelchen fühlt sich in offenen Landschaften wohl und hat Wiesen und Magerrasen als Lebensräume für sich auserkoren.
Friederike Barkmann

Schulklassen und Laien einbinden

Allerdings ist über die Bestandsentwicklung der Schmetterlinge in Europa nur wenig bekannt, was es schwierig macht, gezielte Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Deshalb läuft in Österreich seit dem Vorjahr unter der Leitung des Instituts für Ökologie der Universität Innsbruck und in Zusammenarbeit mit der Naturwissenschaftlichen Sammlung der Tiroler Landesmuseen das Projekt "Viel-Falter, Insekten-Monitoring: Schmetterlinge". Dabei werden in ganz Österreich an 200 repräsentativen Standorten die dort vorhandenen Schmetterlinge erfasst – und zwar nicht nur von Expertinnen und Experten, sondern auch von interessierten Freiwilligen.

Diesen Ansatz haben die Innsbrucker Forscherinnen und Forscher in den letzten zehn Jahren perfektioniert: Im Rahmen eines Sparkling-Science-Projekts mit Schulklassen und eines Citizen-Science-Projekts untersuchten sie, wie sich die Schmetterlingsbeobachtungen von Laien für wissenschaftliche Zwecke nutzen lassen. Die Erkenntnisse daraus flossen ab 2018 erfolgreich in ein Tagfaltermonitoring in Tirol und ab 2020 in eines in Vorarlberg ein, wo an jeweils 100 repräsentativen Standorten regelmäßig die Tagfalter mit dieser Methode erhoben werden.

Teilnehmende der Schmetterlings-Erhebung
Seit 2023 wird die Schmetterlingsfauna in ganz Österreich erhoben. An der Aktion beteiligen sich Expertinnen und Experten ebenso wie Hobbyforscherinnen und -forscher.
Friederike Barkmann

Seit dem Vorjahr läuft die Erhebung der österreichischen Schmetterlingsfauna nun in ganz Österreich: Dazu wurden zusätzlich zu Tirol und Vorarlberg 200 repräsentative Standorte im gesamten Bundesgebiet ausgewählt. Jeweils 50 davon werden von Mitte Mai bis Anfang September viermal begangen, und die vorhandenen Tagfalter werden erhoben. Wer sich an dem Projekt beteiligen möchte, kann sich zum Schmetterlings-Monitoring anmelden. Im nächsten Jahr werden die nächsten 50 Flächen untersucht und so weiter, bis am Ende der vierjährigen Laufzeit alle Areale abgedeckt sind. Danach beginnt – entsprechende Finanzierung vorausgesetzt – der Zyklus von neuem. Zusätzlich werden an 80 dieser Standorte erstmals auch die Nachtfalter erhoben, die bisher eher stiefmütterlich behandelt wurden.

Schmetterlinge als Umweltparameter

Die Idee hinter diesen Erhebungen ist, für die verschiedenen Arten Zeitreihen erstellen zu können, die Aufschluss darüber geben, wie sich ihr Bestand über längere Zeiträume entwickelt. Dabei liegt das Hauptaugenmerk weniger auf seltenen Arten, sondern vor allem auf den eigentlich häufigen: So kann man etwa selbst eine Allerweltsart wie den Kleinen Fuchs oft nur in geringer Stückzahl beobachten, wie Projektleiter Johannes Rüdisser vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck erklärt. In diesem Sinne geht es beim Schmetterlingsmonitoring nicht nur um Falter: "Schmetterlinge haben dieselben Probleme wie die meisten anderen Bestäuberinsekten, und sie sind ausgezeichnete Indikatoren für die Qualität eines Lebensraums, weil sie sehr sensibel auf Umweltveränderungen reagieren", führt Rüdisser aus.

Augsburger Bär
Halbschattige Hänge gehören für den Augsburger Bär zu den bevorzugten Lebensräumen. Sein Name deutet auf sein ehemaliges Verbreitungsgebiet in den Lech-Auen bei Augsburg hin. Heute fehlt der bedrohte Falter dort allerdings im Arteninventar.
Buchner / Tiroler Landesmuseen

Allerdings können Insektenbestände je nach Witterung von Jahr zu Jahr extrem schwanken, da ihre Entwicklung stark von den jeweils herrschenden Temperaturen abhängt. Deshalb genügen fallweise Erhebungen nicht, um ihre langfristige Entwicklung zu beurteilen, wie Rüdisser betont. Gleichzeitig ist das hohe Schwankungspotenzial der Insekten aber auch eine gute Nachricht: Wenn wir gegensteuern, kommen sie rasch wieder zurück. Gegensteuern lässt sich unter anderem durch eine Insekten-freundlichere Landwirtschaft und die Einschränkung des Bodenverbrauchs. (Susanne Strnadl, 3.5.2024)