Valentin Bontus (ganz links) aus Perchtoldsdorf hat sich in Windeseile in der olympischen Formula Kite etabliert.
Sailing Energy

Perchtoldsdorf, Podersdorf, Paros, Paris. Das sind gewiss nicht alle, aber sehr wichtige Stationen im Leben von Valentin Bontus. Wobei Paris eigentlich Marseille meint, wohin Frankreichs Hauptstadt heuer im Sommer die Segelbewerbe der Olympischen Spiele ausgelagert hat. Segeln, wenn wir schon bei kleinen Korrekturen sind, trifft es in dem Fall auch nicht ganz, denn Bontus ist kein Segler, sondern Kitesurfer. Formula Kite, so heißt die olympische Sparte, und "Formel" macht Sinn: Die Kitesurfer "heizen" in circa zwölf Minuten langen Races auf dem Wasser um die Wette.

Abhängen ist nicht gleich abhängen. Surfern und Surferinnen, egal welcher genauen Gattung, sagt man einen Hang dazu seit jeher nach. Beim Kitesurfen ist auch Bontus lange gut abgehangen - im doppelten Wortsinn. Der 23-Jährige, der aus Perchtoldsdorf stammt, kam über seinen Vater dazu, der den Sport schon Ende der 90er für sich entdeckt hatte. Von Perchtoldsdorf war es kein Katzensprung, aber auch nicht wirklich weit nach Podersdorf am Neusiedler See, dort hat sich Bontus entwickelt, dort ist er Mitglied im Yachtclub. Die Urlaube der Familie drehten sich oft ums Kitesurfen, auch Valentins gut zwei Jahre ältere Schwester kitet. "Die Mama ist nur anfänglich lieber in der Sonne gelegen. Irgendwann ist ihr das zu blöd geworden, da hat sie auch mit dem Kiten begonnen."

Paros machte das Rennen

Neben Ägypten lagen spanische und griechische Inseln als Urlaubsdestinationen auf der Hand. Unter all den Inseln hat Paros bald das Rennen gemacht, dort besitzt die auch in Österreich in der Immobilienbranche tätige Familie seit 2010 ein Haus und seit 2020 dazu noch das "Seesoo" mit acht Zimmer und drei Apartments, die vermietet werden, direkt am Strand. Valentin konnte natürlich laufen, bevor er kiten konnte, aber rasend lange hat es danach auch wieder nicht gedauert. Bald flog er vielen anderen um die Ohren, Big Air und Freestyle machen schließlich das klassische Kitesurfen aus.

Aber dann, aber dann. Für den Herbst 2020 hatte sich der Borg-Maturant eineinhalb Monate Kitesurfen in Brasilien im Kalender eingetragen, doch aus den eineinhalb Monaten wurden dreieinhalb Tage. Mit einem Kreuz- und Innenbandriss im linken Knie flog er zurück nach Österreich. "Nach der OP hab ich eine Reha gemacht", sagt Bontus. "Aber das Knie hat immer noch wehgetan, auch bei normalen Sprüngen."

Mit offenen Armen

Zum Hadern blieb kaum Zeit. Keine drei Jahre ist es her, da bekam Bontus Wind von der Einführung einer olympischen Kitesurfdisziplin. Zunächst war ein Bewerb für Mixed-Teams vorgesehen, der wäre für Österreich kein Thema gewesen. Alina Kornelli, mittlerweile ist sie eingebürgert, kitete damals noch für Deutschland. Doch als zwei Solobewerbe beschlossen wurden, kontaktierte Bontus den Österreichischen Segelverband, der ihn mit offenen Armen empfing. "Als Ziel", sagt Bontus, "haben wir die Spiele 2028 in Los Angeles fixiert. Aber wir haben gesagt, wir nehmen 2024 natürlich mit, wenn ich es schaffe, mich zu qualifizieren."

"Die Medaille", sagt Bontus, "habe ich mir aufgehoben."
OeSV / Dominik Matesa

Die Perspektiven haben sich flott verschoben. Denn Bontus hat sich im neuen Metier in Windeseile an der Weltspitze etabliert. Bei der WM im August 2023 wurde er sensationell Vierter, auf Bronze fehlte wenig, doch das Olympiaticket nach Paris - Pardon: nach Marseille - war unter Dach und Fach. Kürzlich gelang Bontus mit dem vierten EM-Rang vor Los Alcázares in Spanien die Bestätigung dafür, dass er sich in der Weltspitze etabliert hat. Und am Samstag schloss er die traditionelle Trofeo Princesa Sofia vor Palma de Mallorca auf Rang sieben ab. Kornelli wurde Sechste.

Dabeisein ist nicht alles

"Die Medaille", sagt Bontus, "habe ich mir aufgehoben." Bei den Spielen im Sommer will er jedenfalls nicht nur dabei sein. "Ziel sind die Top Acht. Und ich will die Chance auf eine Medaille möglichst hoch halten. Vielleicht stellen sich ja die Sterne richtig."

Kitesurfen ist nicht ungefährlich, weder im Training noch im Bewerb. Da streiten manchmal bis zu dreißig Racer mit bis zu 35 Knoten (65 km/h) auf engem Raum um jede Position. Die Leinen zum Kite, der je nach Windstärke neun, elf, 15 oder 23 Quadratmeter misst, können zu Verwicklungen führen. Dazu kommen die Foils, scharfe schwertähnliche Verlängerungen samt Tragflächen, die das Brett und den Surfer aus dem Wasser heben. Bontus: "Es passiert erstaunlich wenig. Dass einer ins Spital muss, kommt selten vor." Seine Herangehensweise, gibt er zu, habe er ändern müssen. "Jetzt gilt es, auf höchstem Niveau zu performen. Jeden Tag ein Bier nach dem Kiten, das geht sich nicht mehr aus." Abhängen, das war einmal. (Fritz Neumann, 8.4.2024)