Die Ideenschmiede lässt Herbert Kickl nicht los: Obwohl der heutige FPÖ-Chef stets betonte, nur "wenige Wochen im Jahr 2005" stiller Gesellschafter der Kärntner Werbeagentur gewesen zu sein, schlug sie immer wieder in Kickls Nähe auf.

Die Agentur war in den 2000er-Jahren in Wahlkämpfen der FPÖ engagiert worden, rund um spätere Aufträge des Landes Kärnten setzte es zumindest erstinstanzlich Verurteilungen wegen Bestechlichkeit.

FPÖ-Chef Herbert Kickl
FPÖ-Chef Herbert Kickl will nur für wenige Wochen an der damaligen Ideenschmiede beteiligt gewesen sein.
Heribert CORN

Wie eng Kickl in dieser Zeit mit der Ideenschmiede verbunden war, ist unklar. Der Verdacht, dass Agenturchef Thomas S. nur als Strohmann für Kickl agierte, konnte "trotz umfassender Ermittlungen" nicht eindeutig belegt werden, hieß es 2020 in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung.

Vergabe ohne Vergleiche

Es ist daher wenig überraschend, dass sich der von der ÖVP eingesetzte U-Ausschuss zu "rot-blauem Machtmissbrauch" auch mit der Ideenschmiede beschäftigt. Das Unternehmen, das sich 2015 in Signs Werbeagentur umbenannte und 2019 quasi neu gegründet wurde, wird sogar im Einsetzungsverlangen des U-Ausschusses genannt.

Nun ist die Ideenschmiede tatsächlich in Unterlagen aus Kickls Zeit als Innenminister aufgetaucht. Dabei geht es um einen Vergabevorgang, der offensichtlich einige Probleme mit sich gebracht hat.

So schloss das Innenministerium im März 2018, also drei Monate nach Kickls Amtsantritt, einen Beratervertrag für Social Media mit der Kirchbaumer GmbH ab. Hinter der Firma steht Hannes Kirchbaumer, ein Marketing-Spezialist, der in der FPÖ bestens vernetzt ist. Das geht zumindest aus einer Broschüre des Freiheitlichen Bildungsinstitutes hervor, in der es über Kirchbaumer heißt: "Er berät seit Jahren das Social-Media-Team auf Bundesebene und war auch maßgeblich an erfolgreichen Wahlkampagnen in den Bundesländern beteiligt."

Zeitdruck

Der Vertrag mit der Agentur erfolgt offenbar unter zeitlichem Druck des Kickl-Kabinetts, von einer "Kurzfristigkeit" des Kabinettauftrags ist in internen E-Mails die Rede. Ziel sei es gewesen, Werbung für den Polizeiberuf auf Youtube und Google zu platzieren. Dazu heißt es aus dem Büro von Kickl zum STANDARD, dass damals "weder im BMI noch in der vom BMI damals beauftragten Agentur Campaigning Bureau Expertise für die Schaltung von Google/Youtube-Werbungen" vorhanden gewesen sei. Deshalb sei ein Spezialist vermittelt worden.

Die Rechtsabteilung des Innenministeriums ist mit Dokumentation und Abwicklung der Vergabe jedoch rasch unzufrieden. So heißt es in einer E-Mail, es lägen nur lückenhafte Informationen vor. Eine Mitarbeiterin schreibt damals, im August 2018, sie habe der Leiterin der Social-Media-Abteilung mitgeteilt, dass grundsätzlich auch bei der vorherigen Vergabe drei Vergleichsangebote eingeholt werden müssen. Ein weiteres Problem: Die Agentur hat offenbar nach Vertragsende einfach weitergearbeitet, der neue Vertrag müsse rückwirkend datiert werden.

Nur wenige Tage später sind diese Vergleichsangebote dann plötzlich vorhanden, wie die Social-Media-Chefin im Ministerium – die zuvor beruflich vor allem rund um die FPÖ aktiv war – mitteilt.

Dazu sagt das Team Kickl heute, die Abteilungsleiterin habe die Verlängerung des Vertrags wohl übersehen, weil sie die Abteilung quasi hatte neu aufbauen müssen. Ihr Vorgänger habe sich "inzwischen unter Mitnahme mehrerer weiterer wichtiger Mitarbeiter in Richtung des ÖVP-geführten Landes Niederösterreich verabschiedet", zudem habe die Vergabeabteilung ein "höchst unkollegiales Verhalten" an den Tag gelegt und es "offensichtlich bewusst darauf angelegt, das Zustandekommen eines weiteren Auftrags hinauszuzögern bzw. zu verhindern".

Intern meldete die Abteilungsleiterin, sie habe schon vor längerer Zeit mündlich zwei Vergleichsangebote eingeholt: Ein Unternehmen habe kein Angebot legen wollen, ein zweites war knapp teurer als die beauftragte Agentur: nämlich jenes der Signs GmbH, vormals bekannt als Ideenschmiede.

Schwerer Verdacht der ÖVP

Als bei einer holprigen Vergabe an eine FPÖ-nahe Agentur plötzlich Vergleichsangebote gebraucht werden, taucht also genau jene Agentur mit einem etwas teureren Angebot auf, die immer wieder mit dem damaligen Minister Kickl in Verbindung gebracht worden war.

Andreas Hanger vermutet ein Scheinangebot durch die Ex-Kickl-Agentur.
APA/GEORG HOCHMUTH

Für ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger steht daher der Verdacht im Raum, dass es sich um ein Scheinangebot handeln könnte. Signs-Geschäftsführer Thomas S. beantwortete eine Anfrage des STANDARD dazu nicht.

Aus dem Büro von Kickl heißt es: "Auch diese Agentur war und ist aufgrund ihrer Expertise und ihres Tätigkeitsbereichs in der Lage, die damals gesuchten Leistungen zu erbringen. Dass sich der angebotene Leistungsumfang mit dem des anderen Offerts deckt, ist logisch angesichts der Tatsache, dass die nun weiterhin benötigten Leistungen ja bereits einige Zeit erbracht wurden und damit die Anforderungen an die Bieter völlig klar und eindeutig bestimmt waren."

Im Jahr 2019 will das Innenministerium die Agentur dann offenbar langfristig beauftragen, wofür eine EU-weite Ausschreibung nötig ist. Die Pläne dürften sich aufgrund des Erscheinens des Ibiza-Videos und des darauffolgenden Koalitionsbruchs nicht mehr realisiert haben. Später wird die Social-Media-Arbeit unter Kickl scharf kritisiert, weil etwa auf 4Chan für den Polizeiberuf geworben wurde. Dabei handelt es sich um eine Art von Forum, das immer wieder mit Rechtsextremismus, Verschwörungstheorien und der Verharmlosung von pädosexueller Kriminalität in die Schlagzeilen geraten ist. Kickl betonte später, die Buchung sei über Google und nicht direkt bei 4Chan erfolgt. (fsc, 8.4.2024)