Georg Willi
"Wo ein Willi, da ein Weg": Bei Georg Willis Kür zum Stadtchef noch vielzitiertes Bonmot, ist es sechs Jahre später etwas aus der Mode gekommen. Der Weg zu einer möglichen zweiten Amtszeit wird nämlich steiniger.
Florian Scheible

Innsbruck – Der Willi ist ein bunter Hund am Marktplatz. Eh klar, er ist ja Bürgermeister, und das schon seit sechs Jahren. Aber es hilft schon auch, dass in der beschaulichen Altstadt von Innsbruck alles zusammenkommt und alle zusammenkommen. Man kennt einander, man grüßt einander, man ist per Du. Da kommt natürlich auch der grüne Stadtchef kaum zehn Meter weit bis zum nächsten Plausch. Schon überhaupt, weil er heute gleich selbst die Menschen anspricht.

"Darf ich Ihnen eine Walde-Seife mitgeben?", fragt Georg Willi zwei Frauen in ihren Fünfzigern. "Ja, aber wir wählen nicht", sagt die eine. So ein Seiferl geht natürlich trotzdem. Die Firma Walde produziert ihre Waren hier in Innsbruck, klärt der Stadtchef auf. In einem besonders umweltschonenden und nachhaltigen Verfahren. "Alles ökologisch", sagt er.

Auch Blumensamen, Kugelschreiber und ein gedrucktes Mini-Wahlprogramm zum Ausklappen hat der Bürgermeister noch im Angebot. Und dass er all das aus einem großen Korb verteilt und ihn fleißige Helfer in giftgrünen Parteijacken unterstützen, zeigt schon: Der Bürgermeister ist auf Wahlkampf-Spaziergang. "Willi unter Leuten" nennt man das in seiner Partei.

Vom Hoffnungsträger zu "House of Cards"

Für Nicht-Innsbrucker ist es gefühlt noch gar nicht so lange her, da war der heute 64-Jährige einer der großen grünen Hoffnungsträger. Denn als er 2018 zum Sprung in den Chefsessel der Tiroler Hauptstadt ansetzte, war er zwar "nur" Bürgermeisterkandidat. Aber er war auch einer von dem Schlag, den seine Partei überall gebrauchen könnte. Leutselig und eloquent zugleich; einer, dem der niederschwellige Kontakt mit den Menschen liegt, der aber auch vor Kamerateams aus der Bundeshauptstadt gute Figur macht; ein grüner Sympathieträger mit bürgerlichem Auftreten, ein Brückenbauer zu den Konservativen. Kurzum: einer, der über das klassische Stimmenpotenzial der Grünen hinausstrahlt – und sich noch für höhere Weihen in der Partei qualifizieren könnte. "Wo ein Willi, da ein Weg" wurde zum vielzitierten Bonmot – auch und gerade, weil die Bundespartei da soeben aus dem Nationalrat geflogen war.

Wahlplakate in Innsbruck
13 Listen treten heuer bei der Wahl in Innsbruck an. Die Konkurrenz ist also groß.
Florian Scheible

Für Innsbruckerinnen und Innsbrucker ist diese Zeit dagegen ebenso gefühlt schon deutlich länger her. Denn zwischen damals und dem kommenden Sonntag, an dem Willi erstmals zur Wiederwahl antritt, liegt eine ganze Reihe von Skandalen, wechselseitigen Intrigen und politischen Blockaden von Willis Projekten, die seine Amtszeit trübte. Nicht nur löste der Bürgermeister nach diversen Scharmützeln seine eigene Viererkoalition aus Grünen, SPÖ, der bürgerlichen Liste Für Innsbruck und der ÖVP auf. Nach einer Debatte über umstrittene Gagen im Rathaus traten auch drei grüne Abgeordnete aus dem Klub aus und gründeten eine eigene Liste. Alles in allem: eine Prise "House of Cards" im sonst so zurückgelehnten Innsbruck.

Und dann war da noch die Affäre um umstrittene Sonderverträge für Willis frühere Personalamtschefin. Der Bürgermeister wurde beschuldigt, sie bevorzugt und ihr hohe Zulagen zugesichert zu haben, nachdem der Stadtsenat sie abgewählt hatte. Ausgelöst wurde die Causa durch einen Bericht des Kontrollamts. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) leitete deshalb im Vorjahr ein Ermittlungsverfahren gegen Willi wegen Verdachts der Untreue und des Amtsmissbrauchs ein. Im September wurde es eingestellt, weil dem Politiker keine strafbare Handlung nachgewiesen werden konnte. Willis Wiederwahl als Bürgermeister wäre also vieles, aber ganz sicher kein Selbstläufer.

Selfies mit dem Bürgermeister

Mit einem Amtsinhaberbonus dürfte es am Sonntag dementsprechend schwierig werden. Einen Bekanntheitsbonus hat Willi allemal. "Kennsch' eh den Herrn Bürgermeister?", fragt ein Vater seine Teenager-Tochter in der Innsbrucker Innenstadt. "Ja, natürlich", antwortet die ohne Zögern. Ein schon erwachsener Sohn und seine Mutter bitten den Stadtchef gleich darauf zum Selfie. Und als der gerade weitergehen will, tippt ihm eine Pensionistin in Begleitung einer Freundin auf die Schulter. "Ja grüß euch", sagt Willi. "Darf ich euch beglücken?" Mit einer Walde-Seife natürlich.

Auch unter den jungen Menschen, die in Scharen den Marktplatz am Inn-Ufer bevölkern, ist Willi wohlbekannt. Wenn vielleicht auch nicht bei jedem einzelnen. Eine junge Passantin mit flottem Schritt lehnt die angebotene Seife dankend, aber bestimmt ab. Nix von fremden Männern annehmen, sicher ist sicher. Die zwei US-Touristinnen haben dagegen andere gute Gründe, das Wahlprogramm nicht einzustecken. Kein Wahlrecht mangels Wohnsitz. Und was auf dem Flyer steht, würden sie sowieso nicht verstehen.

"Willi auf Fahrrad"

Mit seinem weißen Hemd, dem karierten Sakko und der beigen Chino würde der einstige Nationalratsabgeordnete Willi locker auch als ÖVP-Mann durchgehen, wenn's denn sein müsste. Kein Nachteil in der bürgerlich geprägten Hauptstadt des schwarzen Kernlands Tirol. Offene Ablehnung begegnet dem Bürgermeister auf der Straße dementsprechend selten.

Georg Willi und ein Bürger Innsbrucks
Kein Selbstläufer: der amtierende Stadtchef beim Wahlwerben.
Florian Scheible

Ein bisschen emotionaler wird es höchstens, wenn's ums Radfahren geht. Denn der Stadtchef ist auch selbst so viel per Zweirad unterwegs, dass er den ihm zustehenden Dienstwagen gleich abgeschafft hat. "Wenn jetzt irgendwo ein Teilstück von einem Radweg fehlt, verbinden das die Leute sehr schnell direkt mit ihm", erklärt sein Wahlkampfleiter. Im Gegensatz zum Antritt vor sechs Jahren habe man das Wahlplakat-Leitmotiv "Willi auf Fahrrad" deshalb dezent, aber deutlich zurückgefahren.

Neue Brücken, leere Wohnungen

Was will Willi politisch, sollten die Innsbrucker ihm noch eine zweite Amtszeit schenken? Eine neue Brücke über den Inn bauen zum Beispiel, nur für Fußgänger und Radfahrer. "Aber ich will, dass sich darauf Gastronomie ansiedelt", sagt der Stadtchef. "Und man auf der Brücke zusammenkommen und sitzen kann wie in Italien." Die hohe Leerstandsquote bei Wohnungen in den Griff kriegen will er auch. Denn Innsbruck ist nicht nur wie der Rest Österreichs von steigender Inflation und davongaloppierenden Mieten betroffen. Es hat mit 8,8 Prozent auch die höchste Leerstandsquote aller Landeshauptstädte. Rund 2.500 der gut 7.000 aktuell leerstehenden Wohnungen will Willi wieder auf den Markt bringen. "Mit Push- und Pull-Faktoren", wie er sagt. Heißt: mit Anreizen zum Vermieten – oder neuen Abgaben, wenn nicht vermietet wird.

Und die leidigen Sonderverträge für seine ehemalige Mitarbeiterin, die ihn so viel an Reputation gekostet haben? Würde er das noch einmal so machen? "Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker", sagt Willi. "Deshalb würde ich mich wieder schützend vor sie stellen. Wenn ein Stadtsenat sie abwählt, würde ich sagen: Ich bin voll dagegen, dass das passiert. Und ich unterstütze sie im arbeitsrechtlichen Prozess gegen die Stadt Innsbruck." Selbst durchgreifen würde er als Bürgermeister aber nicht mehr. (Martin Tschiderer, 8.4.2024)