In den letzten Jahren wurden an den Börsen weltweit neue Höchststände und Börsenrekorde erreicht. Insbesondere die US-amerikanischen Börsen haben einen unaufhaltsamen Anstieg der Unternehmenskurse verzeichnet. Der Aktienindex S&P 500 hat sich seit Beginn des Jahres 2010 etwa versechsfacht. Selbst unter Berücksichtigung der Inflation ist eine Investition von 1000 Euro heute etwa 4300 Euro wert. Auch in Europa ist die Kursrallye zu beobachten, wenn auch nicht ganz so stark wie in den USA. Der europäische Aktienindex Stoxx-600 hat sich verdoppelt, und auch der deutsche Aktienindex DAX hat neue Allzeithochs erreicht. In Österreich haben ATX-Schwergewichte wie die OMV ebenfalls für neue Höchststände gesorgt. Anleger konnten in den letzten Jahren mit österreichischen Unternehmen einstellige Renditen erzielen.

Es gibt jedoch Kritiker, die argumentieren, dass der enorme Aufschwung an den Kapitalmärkten nach der Finanzkrise historisch einmalig war. Sie führen die offenen Geldschleusen der Notenbanken und die rekordtiefen Zinsen als Gründe dafür an. Studien zeigen jedoch immer wieder, dass die Kaufkraft mit Wertpapieren am besten erhalten werden kann. So wurden innerhalb der letzten zehn Jahre aus 10.000 Euro rund 32.000 Euro (wenn breit gestreut in Aktien investiert wurde). Spareinlagen sorgten aufgrund der Inflation hingegen für Kaufkraftverluste.

Geldschein, Sparbuch, Sparschwein
Bargeld, Spareinlagen und Bankeinlagen sind in Österreich die beliebtesten Sparformen – damit verlieren die Sparer allerdings viel Geld.
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Die Daten zeigen: Es gibt keine bessere Anlage als Aktien. Deprimierend ist einzig, dass die österreichischen Anleger dies noch immer nicht so sehen. Laut der Vermögensstatistik besitzen private Haushalte in Österreich im Jahr 2022 Wertpapiere und Aktien im Wert von rund 62,41 Milliarden Euro. Unter die direkte Wertpapierveranlagung fallen kurz- und langfristige verzinsliche Wertpapiere sowie (nicht-)börsennotierte Aktien.

Das mag nach viel klingen. Doch mehr als doppelt so viel Geld, nämlich über 822 Milliarden Euro, halten die Österreicher in Form von Bargeld, Spareinlagen und Bankeinlagen – welche nach Abzug von Steuern und der Inflation ein Verlustgeschäft darstellen. Sparer in Österreich verlieren so jährlich etwa 20 Milliarden Euro an Vermögenswerten. Umfragen und Studien zeigen, dass nur etwa 25 Prozent der Österreicher Wertpapiere besitzen. Die US-Amerikaner sind den Kapital- und Finanzmärkten gegenüber offener und risikofreudiger, das zeigt sich zum Beispiel daran, dass mehr als 60 Prozent der Haushalte in Aktien investieren.

Gründe für die Zurückhaltung

Gründe für die Zurückhaltung der österreichischen Anleger im Hinblick auf Investitionen an den Finanzmärkten sind vielschichtig und nicht immer einfach zu erfassen. Die folgenden Punkte sollen eine Übersicht zeigen und mögliche Gründe näher erläutern.

Zum einen sind es emotionale Aspekte. Die Kursentwicklung der Aktienmärkte kann stark schwanken. Das führt bei vielen Anlegern zu emotionalen Reaktionen, wie Angst und Gier. Diese Emotionen können zu Fehlentscheidungen führen, wie dem Verkaufen von Aktien in Panikphasen oder dem Nachkaufen bei euphorischen Marktstimmungen.

Ein weiterer Grund sind fehlende Beratung. Versicherungen und Finanzinstitute haben in Österreich in der Vergangenheit oft dazu geraten, konservativ anzulegen und Aktien eher zu meiden. Dies könnte daran liegen, dass Provisionsmodelle oft auf der Vermittlung von Produkten mit hohen Gebühren basieren, die nicht immer im besten Interesse des Kunden sind.

Allgemein ist ebenso ein geringes Finanzwissen zu beobachten. Viele Österreicher haben wenig Wissen über Aktien und die Funktionsweise des Aktienmarktes. Das führt zu Unsicherheit und der Sorge, falsche Entscheidungen zu treffen.

Die Risiko-Aversion trägt das Ihre dazu bei. Österreicherinnen und Österreicher gelten allgemein als risikoscheu. Das könnte an der historischen Prägung durch Krisen wie den Börsencrash der 1920er-Jahre oder die beiden Weltkriege liegen. Die Angst vor Verlusten ist daher groß und führt dazu, dass viele lieber auf "sichere" Anlagen wie Spareinlagen setzen, auch wenn diese reale Einkommensverluste bewirken.

Ebenso sind Anleger mitunter nicht gewillt, einen langfristigen Anlagehorizont ins Auge zu fassen. Aktien sind eine langfristige Anlage. Um von den hohen Renditen zu profitieren, muss man bereit sein, sein Geld über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg zu investieren. Dies ist für viele Österreicher, die ihr Geld kurzfristig benötigen könnten, keine Option.

Ursachen und Lösungsansätze

Die niedrige Aktienquote in Österreich hat mehrere Gründe. Um diese zu beheben, ist eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung über die Vorteile von Aktienanlagen notwendig. Finanzielle Bildung sollte bereits in der Schule beginnen und der Finanzmarkt transparenter und regulierter gestaltet werden. Ein breit gestreutes Aktienportfolio kann attraktive Renditen erzielen und gleichzeitig gegen Marktabschwünge und Inflation schützen. Crash-Prophezeiungen und Skepsis sind zwar immer vorhanden, doch Fakt ist: Die fehlende Investitionskultur und die Bevorzugung von Spareinlagen kosten Österreich jedes Jahr Milliarden Euro an entgangenem Wohlstand. (Bernhard Führer, 6.5.2024)