Parlament Wien
Der Nationale Sicherheitsrat tagte am Dienstagabend im Parlamentsgebäude. Die SPÖ forderte die Einberufung der Kontrollkommission zur Überprüfung der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), auch andere Parteien finden das sinnvoll.
Heribert Corn

Wien – Der Nationale Sicherheitsrat hat sich am Dienstagabend mit der Spionagecausa rund um den festgenommenen Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott beschäftigt. Vor Beginn der Sitzung des Gremiums übten Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) scharfe Kritik an der FPÖ, diese wies dies zurück. Neue Erkenntnisse drangen danach nicht nach außen. Die SPÖ will nun die sogenannte DSN-Kontrollkommission einschalten, die Neos signalisierten Zustimmung.

Einberufen wurde das Gremium durch den formal zuständigen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf Initiative der Grünen. Die im Sicherheitsrat besprochenen Inhalte unterliegen der Geheimhaltungspflicht.

Vor der Sitzung äußerten vor allem ÖVP und Grüne scharfe Kritik an der FPÖ. Karner sagte in einer am Dienstagnachmittag kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, es stünden schwere Vorwürfe im Raum – Spionage, der Verrat von österreichischen Staatsgeheimnissen an Russland sowie Vorwürfe wie Amtsmissbrauch. Die von ihm geforderte lückenlose Aufklärung sei auch Teil der notwendigen Beratungen.

Karner fordert "lückenlose Aufklärung"

Karner wies auch noch einmal auf seine Forderung nach einer Ausdehnung der Befugnisse der Ermittlungsbehörden hin: Eine lückenlose Aufklärung sei nur dann möglich, wenn die Polizei "als Ermittlungsbehörde im Auftrag der Staatsanwaltschaft" die "entsprechenden neuen und zeitgemäßen Möglichkeiten" bekomme, die auch notwendig seien, um "erfolgreich und restlos" zu einer Aufklärung zu kommen – "selbstverständlich nur nach richterlicher Anordnung". Hierbei gehe es um die "sogenannte Internettelefonie – Telefonie über Messengerdienste, die nicht überwacht werden können", so Karner. Zuletzt hatten die Grünen einem solchen Ansinnen eine Absage erteilt.

ZIB 2: Innenminister Karner: "Vorwürfe wiegen schwer"
ORF

Scharfe Kritik richtete Karner – wie auch Vizekanzler Kogler vor der Sitzung – an die FPÖ. Es sei ein "Faktum", "dass es jemand gibt, der in diesem Haus Verantwortung getragen hat, nämlich ganz konkret (Ex-Innenminister und nunmehr FPÖ-Chef, Anm.) Herbert Kickl, in dessen Amtszeit es zu einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung im BVT (das mittlerweile ausgelöste Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Anm.) gab", sagte Karner. Mit diesem sei der Staatsschutz "zertrümmert" worden und habe eine Zeitlang über keine internationalen Kontakte mehr verfügt.

"Faktum" sei ebenfalls, dass es in Österreich mit der FPÖ eine Partei gebe, die mit der Partei von Russlands Machthaber Wladimir Putin "Einiges Russland" einen Freundschaftsvertrag habe, so Karner.

Kogler: FPÖ bei Verrat "vorne mit dabei"

Auch Kogler verwies vor Sitzungsbeginn darauf, dass die Hausdurchsuchung im BVT unter dem damaligen Innenminister Kickl stattgefunden habe. Wenn man zurückschaue, unter welchen Regierungen und Parteieinflussnahmen sich das alles besonders günstig gestaltet habe, sehe man schon, dass die Regierungsbeteiligungen der Jahre 2018/19 hier mehr oder weniger "das Scheunentor offen hatten und das somit befeuert haben", sagte er zu den Spionagevorwürfen.

Es gehe darum, die Republik zu schützen, die Institutionen, die Bevölkerung. Und man müsse der FPÖ "auch einmal ausrichten": "Das ist auch Heimat, die Demokratie." Und wenn diese angegriffen und das auch zugelassen werde, "dann kann man auch davon reden, dass diese Heimat verraten wird. Und ich lasse mir nicht länger erklären, dass ausgerechnet die FPÖ die Heimat schützen will, und gleichzeitig sind sie beim größten Verrat an Russland nicht nur irgendwo hintendran, sondern vorne mit dabei", so Kogler.

FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker wies die Vorwürfe zurück. Die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats sah er in erster Linie als Vehikel der anderen Fraktionen, um der FPÖ "zu schaden". "Es ist so, dass die FPÖ seit Monaten stabil auf Platz eins in den Umfragen liegt, gleichzeitig verliert die Bundesregierung immer mehr an Bedeutung." So gesehen müsse man "kein Stratege" sein, um zu merken, was "Sinn und Zweck dieses heutigen Schauspieles" sei. Doch dies werde ein "Bumerang" für die ÖVP werden, meinte er. Ganz grundsätzlich sah der FPÖ-Mandatar die Verantwortlichkeit rund um die Skandale um Jan Marsalek, Wirecard und das BVT bei der Volkspartei: "Wie man es dreht und wendet, auf jedem dieser Aktendeckel steht ÖVP drauf." Das BVT sei bereits vor der Übernahme des Innenministeriums durch Kickl "vollkommen kaputt gewesen".

Kontrollkommission soll tätig werden

Eher "reduzierte" Erwartungen an die Sitzung äußerte SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner vor deren Beginn und wurde dann bestätigt: "Es gibt keine neuen Erkenntnisse, das kann ich Ihnen berichten", meinte er nach Sitzungsende, mehr konnte er wegen der Vertraulichkeit nicht sagen. Die Sitzung habe die SPÖ aber in der Feststellung bestätigt, "dass wir die letzten Tage schon das Gefühl hatten, dass der Nationale Sicherheitsrat zu einer Inszenierungsbühne der ÖVP und des Bundeskanzlers missbraucht wird". Der ÖVP und Bundeskanzler Nehammer traue er nicht zu, die Vorgänge aufzuklären. Denn dieser habe als damaliger ÖVP-Generalsekretär Kickl "völlige Rückendeckung" gegeben bezüglich der BVT-Razzia, es habe damals sogar eine entsprechende Presseaussendung der ÖVP gegeben.

Im Nationalen Sicherheitsrat habe die SPÖ beantragt, dass die sogenannte DSN-Kontrollkommission "jetzt tätig werden sollte", berichtete Einwallner. "Ich glaube, dass es eine unabhängige Überprüfung braucht, um Vertrauen wieder herzustellen und zu stärken." Die fünfköpfige Kommission wurde Ende 2023 gegründet und wird von der Juristin Ingeborg Zerbes geleitet. Die Kommission ist weisungsfrei und soll die strukturelle Kontrolle der Abläufe im Verfassungsschutz gewährleisten.

Für die Einbestellung der Kommission braucht die SPÖ zumindest die Stimmen der Neos im parlamentarischen Unterausschuss für "Innere Angelegenheiten". Man bereite das jetzt vor, Ziel sei, den Antrag noch diese Woche einzubringen, teilte die SPÖ der APA mit.

Die Neos signalisierten jedenfalls Zustimmung: "Das ist selbstverständlich gut, wenn diese Kontrollinstitutionen wirken können. Das ist zu unterstützen", sagte Neos-Abgeordneter Douglas Hoyos. Im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch schloss sich auch der Grünen-Abgeordnete David Stögmüller der Forderung an – die Einberufung der Kontrollkommission sei ein "sinnvoller Ansatz". Auch die FPÖ zeigte sich dafür offen.

Van der Bellen: "Sache des Gerichts"

Erstmals hatte sich zuvor am Dienstag auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Affäre geäußert. Bei einer Pressekonferenz mit seiner Schweizer Amtskollegin Viola Amherd sagte er, er lese "mit Interesse" die Berichte über die Spionageaffäre. "Seien wir doch froh, dass etwas aufgedeckt wurde", sagte er. Der Fall zeige, dass "Mächte außerhalb der Europäischen Union" nicht nur durch Spionage Einfluss zu nehmen versuchten, sondern auch indem sie Stimmungen erzeugen. "Das kann schon nervös machen", so Van der Bellen, der zugleich betonte, dass die Klärung der Vorwürfe "Sache des Gerichts" sei. (APA, red, 10.4.2023)