Die meisten Abgeordneten hätten große Lust auf einen Untersuchungsausschuss bezüglich russischer Spionage. Einige betonten das explizit, bei anderen lässt es sich vermuten. Doch der von der ÖVP-eingesetzte U-Ausschuss hinsichtlich rot-blauen Machtmissbrauchs will sich nicht so ganz in einen Russland-U-Ausschuss verwandeln lassen. Dafür fehlten in dessen Einsetzungsantrag klare Bezüge zu Russland, erklärte Verfahrensrichterin Christa Edwards am Mittwoch immer wieder.

Sie streiten über die Zulässigkeit von Fragen mit Russland-Bezug: die Abgeordneten im U-Ausschuss zu rot-blauem Machtmissbrauch.
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Dabei hätten die Parlamentarier vor allem die zweite Auskunftsperson des Tages gerne über Russland befragt: Sibylle G., die einstige Chefin des Extremismus-Referats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Sie arbeitete punktuell mit Egisto Ott zusammen, gegen den es schwere Vorwürfe der Spionage für Russland gibt. G. habe "zehn Jahre verhindert, dass gewisse Leute österreichische Staatsbürger wurden", erklärte die Beamtin vor dem U-Ausschuss. Dabei dürfte es um einen russischen Oligarchen gehen, für dessen Einbürgerung laut internen Chats aus dem Innenministerium immer wieder ÖVP-nahe Berater geworben haben.

Akten über Identitäre verlangt

Auch zu Aktenanforderungen von FPÖ-nahen Vorgesetzten wurde G. befragt; sie geriet ja nach der blauen Übernahme des Innenministeriums aufgrund ihrer Rechtsextremismus-Ermittlungen ins Visier. G. erklärte, dass es immer wieder "in der Linie", also auf dem Dienstweg, zu Aktenanforderungen gekommen sei – etwa auch über die rechtsextreme Identitären Bewegung.

Die FPÖ hatte - in Form von Generalsekretär Peter Goldgruber - auch nach verdeckten Ermittlern gefragt, diese Auskunft war jedoch verweigert worden. Wenig später habe dann die Hausdurchsuchung im BVT stattgefunden, da habe sich G. "wie eine Beschuldigte" gefühlt, obwohl sie nur Zeugin war. Stundenlang durchwühlten Beamte der Einsatzgruppe für Straßenkriminalität (EGS) ihr Büro, geleitet von einem blauen Lokalpolitiker. Ein Dokument, das damals auf ihrem Arbeitsplatz lag, sei später überraschend woanders aufgetaucht, gab G. an.

Außerdem habe nach der Durchsuchung ihres Büros ein Mailausdruck gefehlt, konkret eine Einladung des Neonazis Gottfried Küssel an einen Polizisten. Der sei "weg" gewesen, sagte sie den Abgeordneten, ohne die Beamten des Diebstahls zu beschuldigen.

Geprägt war ihre Befragung allerdings von heftigen Geschäftsordnungsdebatten rund um die Zulässigkeit von Fragen. Das ging sogar so weit, dass Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty der SPÖ vorwarf, Fragen mit Russland-Bezug verhindern zu wollen. Dabei hätte G. bestimmt einiges zu erzählen gehabt: Lange Zeit war Martin Weiss, ein enger Verbündeter des flüchtigen Wirecard-Spions Jan Marsalek, ihr Vorgesetzter gewesen. Weiss war in die Causa Marsalek schon früher und noch tiefer als bisher bekannt verwickelt: Gemeinsam mit Egisto Ott suchte er schon ab 2016 im BVT nach Informationen mit Wirecard-Bezug. In Chats zwischen Marsalek und einem weiteren Spion beschreibt Ersterer Weiss als seinen "Austrian guy" und einen "gemeinsamen Freund".

Am Donnerstag soll dann der heutige FPÖ-Chef Kickl über seine Beziehung zu Weiss aussagen. Zu vermuten sind auch hier lange Debatten über den Untersuchungsgegenstand. Wie Verfahrensrichterin Edwards meinte: Die ÖVP hätte das Thema Russland ja in den Einsetzungsantrag "reinschreiben können".

Erlaubt waren hingegen die meisten Fragen an Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, die am Abend noch an der Reihe war. Sie wurde zu angeblichen Schredderaktionen und zur Kassenreform samt "Patientenmilliarde" befragt. Erste dementierte sie, Letztere bezeichnete sie als sinnvoll – wenngleich die Patientenmilliarde ein Marketing-Gag der ÖVP gewesen sei, über den sie sich geärgert habe. (fsc, gra, 10.4.2024)