Die Nähe zum Menschen wird einer Wölfin jetzt zum Verhängnis. Sie ist zum Abschuss freigegeben.
APA/dpa/Boris Roessler

Im Mühlviertel streifen aktuell vermehrt Wölfe durch die Gemeinden. Beinahe täglich wird von einer neuen Sichtung berichtet. Seit Anfang des Jahres wurden bereits 50 Wolfssichtungen beim Wolfsmanagement des Landes Oberösterreich gemeldet, zehn davon alleine am vergangenen Wochenende.

Am Samstag wurde ein Angler am Badesee in Feldkirchen an der Donau von einem Isegrim überrascht. Der Mann flüchtete auf ein Holzgestell in einem nahe gelegenen Motorikpark. In St. Georgen an der Gusen filmten am Montag Kinder mit ihrem Handy, wie ein Wolf über die Straße lief und dabei beinahe von einem Auto erfasst wurde. Dasselbe Tier dürfte in der Früh auch bereits in Langenstein gesichtet worden sein. Acht Tage zuvor stieß am Ostersonntag eine 13-Jährige beim Joggen in Windhaag gleich auf zwei Wölfe. Die Schülerin lief davon, ein Tier dürfte sie daraufhin noch längere Zeit verfolgt haben. Was das Land Oberösterreich als untypisch und gefährlich einstuft.

Im Mühlviertel wird bereits auf Schildern vor Wölfen gewarnt.
Stefanie Ruep

Nicht davonlaufen

Dass sich Wolfssichtungen im Frühling häufen, sei laut Landesforstdirektion nicht ungewöhnlich. Jungwölfe würden nun das Rudel verlassen und seien auf Partnersuche. "Das ist nichts Außergewöhnliches, und es ist nicht richtig, dass Gefahr damit verbunden ist", stellt Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal klar. Wenn man einem Wolf begegnet, solle man "sich groß machen, drohen, unfreundlich sein", empfiehlt er. Allenfalls könne man noch einen Stein oder Ast nach dem Tier werfen, um ihn zu vergrämen. Weglaufen sollte man jedoch nicht, "das löst bei den Wölfen Interesse aus oder verstärkt es noch", sagt Kotrschal.

Bereits mehrmals hat das Land Oberösterreich in den vergangenen Monaten Abschussgenehmigungen erlassen, zwei Tiere wurden tatsächlich getötet. Bevor diese Genehmigung ergeht, muss ein Wolf binnen 14 Tagen zweimal vergrämt worden sein. Danach kann er in einem Zeitfenster von vier Wochen im Umkreis von zehn Kilometern um den Sichtungsort zum Abschuss freigegeben werden.

Wölfe ohne Scheu werden abgeschossen

In Salzburg und Niederösterreich ginge es diesen Wölfen bereits früher an den Kragen. In Salzburg können Wölfe künftig auch abgeschossen werden, wenn sie noch gar kein Nutztier gerissen haben, wie DER STANDARD berichtete. Es reicht die Klassifizierung als Risikowolf. Das sind Tiere, die sich regelmäßig in Siedlungsnähe aufhalten, die die Scheu vor Menschen und Hunden verlieren oder die sich aggressiv verhalten.

Auch der niederösterreichische Landesvize Stephan Pernkopf (ÖVP) betont: Wölfe, die ihre Scheu verloren haben, "dürfen und sollen abgeschossen werden". In Niederösterreich sind Wolfsabschüsse ohne einen Bescheid oder sonstige Freigaben wie in anderen Bundesländern möglich und erlaubt. Und in Kärnten will die Landesregierung ebenfalls noch vor Beginn der Almsaison das Jagdgesetz verschärfen. Wölfe dürfen dann bereits getötet werden, wenn "landwirtschaftliche Nutztiere unmittelbar bedroht" sind. Kärnten hat bisher bereits zehn Wölfe per Verordnung abgeschossen. Am Dienstag hat nun auch Vorarlberg eine Verordnung zum Wolfsmanagement verabschiedet, um Wölfe, die die Scheu vor Menschen oder Siedlungen verloren hätten, leichter beseitigen zu können.

Mit Wölfen leben

Kotrschal hält von den Wolfsabschuss-Verordnungen der Bundesländer nichts. Sie würden die bindende Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie verletzen, den Zugang der Zivilgesellschaft zum Rechtsweg ausschließen und damit gegen die Aarhus-Konvention verstoßen. "Wir sollten uns langsam daran gewöhnen, mit Wölfen zu leben", schlägt der Biologe vor und sieht Rudelbildung und Herdenschutz als probate Mittel dafür. Dazu rät er, "die Wege von Wolf und Mensch getrennt zu halten, sie nicht anzufüttern".

Wölfe seien über weite Distanzen sehr beweglich und würden dabei auch menschliche Verkehrswege benutzen. Zu fürchten brauche man sich vor ihnen im Moment nicht. In den vergangenen 30 bis 40 Jahren lebten in Europa 20.000 Wölfe und 370 Millionen Menschen zusammen, ohne dass es einen von den Tieren verletzten Menschen gegeben hätte, führt Kotrschal an. Das heiße nicht, "dass nichts passieren kann, aber weniger als bei Bären und Wildschweinen". Denn Wölfe könnten schwer von Menschen überrascht werden, "weil sie sehr auf Draht sind". (Stefanie Ruep, APA, 12.4.2024)