Florian Tursky im Bürgermeister-Wahlkampf in Innsbruck
Wahlkampf ohne Rückenwind: ÖVP-Kandidat Florian Tursky in seiner alten, neuen Heimatstadt am Inn.
Fabian Mühleder

Also angenehm ist das alles nicht. Da wird man nach langem Hin und Her zum Spitzenkandidaten einer neuen, geeinten ÖVP-Liste im notorisch zerstrittenen Innsbruck gekürt. Da gibt man dafür extra einen prestigeträchtigen Sprungbrett-Posten als Staatssekretär in Wien auf. Dann kommt just nach der Entscheidung schon wieder dieser Querulant aus den eigenen Reihen daher und gründet eine Gegenliste. Und dann macht einem genau an diesem einen Tag auch noch das Sauwetter einen Strich durch die Rechnung!

Florian Tursky von der Volkspartei hat es derzeit wirklich nicht leicht. Eigentlich hätte an diesem Mittwochnachmittag sein Wahlkampfabschluss stattfinden sollen. Mit Würsteln und Frühlingsblumen als Wahlkampf-Goodies. Natürlich vor dem Goldenen Dachl, Innsbrucks Wahrzeichen Nummer eins. Schließlich ist man ja die ÖVP, die die bürgerliche Stadt am Inn jahrzehntelang geprägt und dominiert hat. Wenn auch seit langer Zeit unter wechselnden Decknamen. Aber dann ist genau dieser Mittwoch der einzige Tag der Woche, an dem es nach einem Temperatursturz schüttet wie aus Kübeln – während für Dienstag, Donnerstag und jeden anderen Wochentag strahlender Sonnenschein angesagt ist.

Viel Wien für Tiroler Geschmacksnerven

Das Team Tursky schmeißt deshalb noch einmal alles um. Den von langer Hand geplanten Wahlkampfabschluss verlegt man kurzerhand auf den Freitag. Und an diesem kalten Mittwochnachmittag steht Florian Tursky statt auf der Bühne vor dem Goldenen Dachl jetzt auf dem Gehsteig vor dem Spar in der Höttinger Au. "Du willst also der neue Bürgermeister werden", sagt ein Mann mit bunter Brille und Innsbruck-typischer Funktionsjacke zum ÖVP-Kandidaten. "Das ist der Plan", erwidert Tursky, pflichtbewusst lächelnd.

Orange statt Schwarz oder Türkis: In der Tiroler Landeshauptstadt ist die ÖVP "das neue Innsbruck".
Fabian Mühleder

Hier im Innsbrucker Wohnbezirk verteilt der Politiker mit seinen Helferinnen und Helfern orange Umhängetaschen, auf denen "Auf geht's" steht. Und darunter: "Das neue Innsbruck". Denn Orange ist hier an der Nordkette nicht die Farbe des weitgehend ausgestorbenen Polit-Projekts BZÖ, sondern der ÖVP. Und die ÖVP ist hier nicht die ÖVP, sondern "Das neue Innsbruck". Zwar hat sich die Volkspartei nach beachtlichen drei Jahrzehnten endlich mit der abtrünnigen bürgerlichen Liste "Für Innsbruck" unter Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer versöhnt. Mit der Volkspartei will man aber zumindest namentlich offenbar trotzdem nicht so direkt in Verbindung gebracht werden. Vielleicht ja doch etwas zu viel Wien für Tiroler Geschmacksnerven.

Werken im Gemeinderat?

Nicht leicht hat es der wacker wahlkämpfende Tursky jedenfalls nicht nur wegen des Sauwetters und der Querulanten aus den eigenen Reihen – kaum hat man Oppitz-Plörer im Boot und das konservative Lager scheinbar wiedervereint, tritt nämlich der bisherige ÖVP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber bei der Bürgermeisterwahl am Sonntag mit einer eigenen Liste an; was Tursky die sonst wohl sichere Stichwahl kosten könnte.

Schwer machen es dem 35-Jährigen noch zumindest zwei andere Gründe. Erstens: Dass der frühere Büroleiter des einstigen Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter einst nach Wien auszog, gefällt nicht allen in Innsbruck. Vor allem, weil er jetzt wieder zurückwill. Und noch mehr, weil ihm viele nicht glauben, dass er lange bleiben wird. Im Vorfeld hatte Tursky zwar zugesichert, auch im Gemeinderat werken zu wollen, wenn er es nicht zum Bürgermeister schafft. Aber dass das wirklich stimmt, können sich so manche in der Tiroler Landeshauptstadt nicht so recht vorstellen.

"Rückenwind hast du da keinen"

Und zweitens: Seine Partei ist in einem für viele ÖVPler beunruhigenden Zustand. Ob EU- oder Nationalratswahl, just im Superwahljahr schwächelt die Volkspartei massiv in Umfragen. Selbst in der Festspielstadt Salzburg verlor man jüngst nicht nur den Bürgermeistersessel wieder an einen Roten; man verpasste auch die Stichwahl deutlich, und mit gerade 20 Prozent setzte es für den schwarzen Spitzenkandidaten Florian Kreibich ein handfestes Debakel. Oder wie es Tursky formuliert: "Rückenwind hast du da keinen." Da soll der Ex-Staatssekretär die Konservativen zumindest im traditionell bürgerlichen Innsbruck vor der nächsten Watsche retten. So muss sich Druck anfühlen für einen Neo-Kommunalpolitiker. Wie entspannt kann man da sein?

Ist Tursky der Richtige für Innsbruck? Wählerinnen und Wähler stimmen darüber am Sonntag ab.
Fabian Mühleder

"Der persönliche Druck wiegt schwerer auf mir als der parteipolitische", sagt Tursky, beige Chino, blaues Sakko, Anstecknadel mit seinem Listenlogo, wie sie amerikanische Präsidenten mit der US-Flagge tragen. Denn mit seinem Antritt in Innsbruck und Rückzug aus Wien habe er schon "alles auf eine Karte gesetzt", wie er sagt. Warum eigentlich? Innsbruck sei für ihn als seine alte Heimatstadt schon ein besonderes Pflaster. In seiner persönlichen Lebensplanung habe er bereits öfter mit einer Rückkehr an den Inn kokettiert. "Ich hätte es aber wahrscheinlich in einer späteren Lebensphase gemacht." Nur: Alternative ÖVP-Kandidaten für Tirols Hauptstadt waren nicht wirklich da. Der Ruf der Partei kam. Und Tursky folgte.

"Innsbruck an den Inn bringen"

Mit den Olympischen Winterspielen 1976 habe Innsbruck eine internationale Bedeutung erlangt, die weit über die eigentliche Größe der Stadt hinausgehe, sagt Tursky auch. "Dafür hat es enorme Erneuerung gebraucht." Die sei unter dem amtierenden Bürgermeister Georg Willi zum Erliegen gekommen. In der nächsten Legislaturperiode brauche die Stadt aber wieder viel davon. Vor allem bei den Themen, die man in Innsbruck eigentlich überall und von allen hört: "Wohnen, Verkehr, Standort". Und das sei, sagt Tursky, ein Herzensprojekt: "Innsbruck an den Inn bringen." Heißt: Eine Belebung des innerstädtischen Flussufers mit Gastronomie, Sitzgelegenheiten und Stufen. "Wie in Lienz oder Meran."

Und dass der Ex-Staatssekretär auch ohne Bürgermeistersessel in Innsbruck bleiben will, stimmt das wirklich? "Absolut", sagt Tursky. "Wenn es kein voll ausfüllender Job in Innsbruck wird, arbeite ich daneben eben wieder in der Privatwirtschaft." (Martin Tschiderer, 12.4.2024)