Der Angeklagte Ali K.
Ali K. (17) erschien am Wiener Landesgericht im Anzug. Im Gerichtssaal zeigte sich der Jugendliche durchwegs geständig.
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Wer weiß, was passiert wäre, hätte Ali K. (17) nicht der Mut verlassen. Der türkischstämmige Jugendliche stand im vergangenen September am Wiener Hauptbahnhof und musterte seine Umgebung sehr genau. Sein Ziel: ein Terroranschlag im Namen des "Islamischen Staates". Sein Vorbild: der Wiener Attentäter K. F., der am 2. November 2020 mit einer AK-47 um sich schoss, vier Menschen ermordete und 23 verletzte.

K. trug ein Messer mit einer 16 Zentimeter langen Klinge bei sich. Er wollte möglichst viele "Ungläubige" töten. Dafür zog er sogar Fahrradhandschuhe an, um bei den Messerattacken nicht abzurutschen. Wochen zuvor versuchte K. noch, in einem Geschäft an eine Schusswaffe zu kommen. Das scheiterte lediglich an seinem jugendlichen Alter.

"Rücktritt vom Versuch"

Eine Dreiviertelstunde hielt sich K. mit Tarnkleidung am Wiener Hauptbahnhof auf – dann machte er einen Rückzieher. DER STANDARD deckte die Vorgänge damals auf. Im feinen Juristendeutsch wird das "Rücktritt vom Versuch" genannt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren deshalb in diesem Punkt ein.

Sieben Monate später saß Ali K. im Anzug trotzdem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Wiener Landesgericht und hatte nicht mehr zu sagen als: "Ja, es stimmt."

Aber das sagte der Untersuchungshäftling im Verfahren dafür etliche Male. Über seine Anschlagspläne. Über jeden einzelnen Chat, über jedes einzelne Posting auf Tiktok und Co, in denen er die Terroristen des IS glorifizierte. Und die gab es auf K.s sichergestelltem Smartphone reichlich. In einer Polizeieinvernahme nach dem Terrorrückzieher machte K. kein Geheimnis daraus, wie viel er von den IS-Terroristen hielt: Die Jihadisten seien "die religiöseste Gruppe der Welt", die "alles richtig macht" und "für die Wahrheit kämpft." Ebenso sagte er den ermittelnden Beamten, dass er keinen Zorn auf die Menschen allgemein habe, "aber Polizisten, Soldaten und Homosexuelle sollten sterben".

Mittlerweile will sich K. vollständig vom IS losgesagt haben. Wie ihm das gelungen sei, wollte die Richterin wissen. Weil er in Haft ein Deradikalisierungsprogramm besucht habe, entgegnete er kurz angebunden. Mittlerweile sei der Jugendliche der Meinung, "dass es vollkommen falsch ist", was die Schlächter des "Islamischen Staates" treiben. Allerdings machte K. erst kürzlich wieder in einem Wiener Gefängnis einschlägig auf sich aufmerksam: Der Wiener beschädigte die Matratze in seiner Zelle und beschmierte sie mit den Symbolen der Jihadisten.

K.s Verteidiger Rudolf Mayer und David Jodlbauer erklärten die Radikalisierung ihres Mandaten mit "Einsamkeit, fehlenden Sozialkontakten, fehlendem Halt, keinem sicheren Elternhaus, Mobbingerfahrungen und schulischem Misserfolg". Schon im Ermittlungsverfahren wurde das offenbar schlechte Verhältnis des Burschen zum Vater hervorgehoben. Ein Streit soll auch dazu geführt haben, dass K. im vergangenen September einen Anschlag am Wiener Hauptbahnhof geplant hatte.

"Hatten großes Glück"

"Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir großes Glück hatten", betonte die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer. Schlussendlich wurde Ali K. zu zwei Jahren Haft verurteilt, davon acht Monate unbedingt. Da der Jugendliche seit fast sieben Monaten in Untersuchungshaft sitzt, ist er schon bald wieder in Freiheit. Konkret in einem Monat und einem Tag, wie die vorsitzende Richterin vorrechnete.

K. muss sich aber an Auflagen halten: Er muss das Programm zur Deradikalisierung und die begonnene Psychotherapie fortsetzen, um nicht wieder in alte Muster zu verfallen. Ebenso wurde eine Bewährungshilfe angeordnet, und der Jugendliche muss in die Wohngemeinschaft einer sozialpädagogischen Einrichtung ziehen. Die Verteidiger legten im Verfahren eine Zusage für einen Wohnplatz vor. Das Urteil ist rechtskräftig. (Jan Michael Marchart, 11.4.2024)