Warum der Wolf, aber nicht der Fuchs bei der Zähmung durch den Menschen zum Zug kam, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Vielleicht liegt es am strengen Geruch, den die Rotfüchse verströmen. Dass sie sich ansonsten durchaus für das Zusammenleben mit dem Menschen eignen würden, bewies ein vielbeachtetes langjähriges Experiment, das der sowjetische Biologe Dmitri Beljajew 1959 unter dem Deckmantel einer Pelztierfarm begann.

Auf seiner Versuchsstation bei Nowosibirsk spulte Beljajew den Prozess der Zähmung von Silberfüchsen gleichsam im Schnellvorlauf ab, indem er jedes Jahr rund zehn Prozent der zutraulichsten Individuen für die Weiterzucht auswählte. Es dauerte keine vier Generationen, da wurden aus den einstigen Wildtieren Wesen mit immer mehr hundeähnlichen Eigenschaften: Sie verloren ihre Aggressivität, blieben ein Leben lang verspielt, ließen sich gerne den Bauch kraulen und wedelten mit dem Schwanz. Auch äußerlich tat sich etwas: Ihr Fell bekam weiße Flecken, die Schnauze wurde kürzer, und die Stehohren verwandelten sich in Schlappohren.

Fuchs, Rekonstruktion, Dusicyon avus
Grafische Rekonstruktion der ausgestorbenen Fuchsart Dusicyon avus. Zähmten die Menschen vor 1.500 Jahren im heutigen Argentinien diese Spezies?
Illustr.: Jorge Blanco

Tier und Mensch in einem Grab

Ein aktueller archäologischer Fund lässt vermuten, dass eine solche Annäherung zwischen Fuchs und Mensch vereinzelt auch in der Vergangenheit geschehen ist, zumindest bis sich Wolfsnachfahren als die besseren Hunde erwiesen. Den Beweis für die unerwartete Allianz liefert eine 1.500 Jahre alte Begräbnisstätte in Patagonien, Argentinien, wo ein Fuchs sich das Grab mit einem Menschen geteilt hatte. Es wirkte zumindest, als hätten die beiden zu Lebzeiten eine besondere Verbindung gehabt.

Die archäologische Stätte von Cañada Seca nahe der Stadt San Rafael wurde 1991 entdeckt und enthält die Überreste von mindestens 24 Mitgliedern einer Jäger- und Sammlergemeinschaft. In einer der Grabgruben identifizierten die Forschenden die Knochen eines zunächst unbekannten hundeartigen Lebewesens. Um dieses Rätsel zu lösen, führte nun ein Team um Ophélie Lebrasseur von der Universität Oxford und Cinthia Abbona vom Nationalen Rat für wissenschaftliche und technische Forschung in Argentinien eingehende genetische, morphologische und isotopische Analysen der alten Knochen durch.

Dabei stellte sich heraus, dass es sich bei dem Tier tatsächlich wie vermutet um einen Fuchs handelte, und zwar um eine heute ausgestorbene Art namens Dusicyon avus, die bis vor etwa 500 Jahren in Südamerika beheimatet war. Die Ergebnisse der im Fachjournal "Royal Society Open Science" erschienenen Studie klärt aber nicht nur die Artenfrage, sondern bringt auch mehr Licht in die seltsame interspezielle Bestattung.

Absicht oder Zufall?

Bisher war es schwierig, die Bedeutung dieser Entdeckung zu beurteilen, da die Knochen von Mensch und Fuchs durcheinander im Grab lagen, was wenig Anhaltspunkte dafür lieferte, wie die Anordnung ursprünglich ausgesehen hatte und ob sie absichtlich oder zufällig erfolgt war.

Nach der Untersuchung der Kohlenstoff- und Stickstoffisotope in den Fuchsknochen konnten die Forschenden jedoch bestätigen, dass bei dem Tier vor allem "menschliche" Ernährung auf dem Menüplan standen. Die Nahrung bestand aus wesentlich mehr Pflanzen und weniger Fleisch, als man bei einem wildlebenden Fuchs erwarten würde. Dem Team zufolge deutet das auf eine fortdauernde und gleichförmige Fütterung hin, wahrscheinlich lebte er also in Gesellschaft der Jäger und Sammler.

Fuchsknochen, Ausgrabung
Die geborgenen Fuchsknochen verrieten viel über die einstige Ernährung des Tieres. Wahrscheinlich wurde es von Menschen gefüttert.
Fotos: Cinthia C. Abbona et al./Royal Society Open Science

Seine starke Bindung an Menschen während seines Lebens wäre auch ein guter Grund dafür, das Tier seinem Besitzer mit ins Grab zu legen, meinen die Wissenschafter. Untermauert wird diese Schlussfolgerung durch eine frühere Radiokarbondatierung der Fuchsknochen. Diese ergab, dass das Tier etwa zur gleichen Zeit wie der dazugehörige Mensch begraben wurde.

Kein Techtelmechtel mit Hunden

Auch das Genom des Fuchses wurde von Lebrasseur und ihrem Team genauer analysiert. Damit wollten die Forschenden vor allem eine ältere Hypothese zur Ursache für das Aussterben der Fuchsart überprüfen. Demnach sei die Spezies verschwunden, weil sie sich mit den erst viel später eingeführten Haushunden vermischt hat, wodurch eine hybride Linie entstand, die schließlich genetisch ganz in den Hunden aufging.

Doch das dürfte nicht der Fall gewesen sein, wie die DNA-Analysen ergaben. Die genetischen Unterschiede zwischen Dusicyon avus und modernen Hunden erwies sich als zu groß, als dass die beiden in der Lage gewesen wären, lebensfähige Nachkommen zu erzeugen. Die Forschenden vermuten daher, dass eine Kombination aus Klimawandel und menschlichem Einfluss für das Verschwinden der Fuchsart verantwortlich war. (tberg, 11.4.2024)