Der Spionagefall Egisto Ott schwebt wie ein Damoklesschwert über der FPÖ: Während Kickls Amtszeit als Innenminister in den Jahren 2017 bis 2019 haben die mutmaßlichen russischen Spione Ott, Martin Weiss und Jan Marsalek hinter den Kulissen kräftig mitgemischt und vermutlich die verheerende Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ausgelöst, die Kickls Ära geprägt hat.

Kickl vor seiner Befragung
APA/GEORG HOCHMUTH

Am Donnerstag war Kickl auch dazu in den U-Ausschuss zu "rot-blauem Machtmissbrauch" geladen worden. Vor seiner Befragung betonte er, überhaupt keinen Bezug zu Russland zu haben und den mutmaßlichen Spion Egisto Ott nicht persönlich zu kennen. Die Affäre rund um mutmaßliche russische Operationen unter Leitung von Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek sei "zu 98 Prozent ÖVP", zahlreiche hochrangige Konservative hätten bei Wirecard angedockt. Die FPÖ wolle das aufklären.

Marsalek nicht als Spion erkennbar

Den Fall rund um Egisto Ott - gegen den ja seit 2017 wegen Spionageverdachts ermittelt wird - will Kickl nicht gekannt haben. Es sei ja nicht so, dass der Minister die Post aufmache oder im Haus herumrenne und frage, ob etwas vorgefallen sei, sagte Kickl dazu. Der damalige BVT-Direktor Peter Gridling habe ihn jedenfalls nicht informiert - wenngleich Gridling selbst relativ rasch, im Februar 2018, suspendiert worden war. Aber auch von diesem Ermittlungsverfahren habe er erst durch die Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz erfahren, behauptete der FPÖ-Chef wortreich.

Kickl betonte, dass er sich nicht um Inserate gekümmert habe; an der Spitze eines Ministeriums sei man viel beschäftigt. Es stimme, dass der mutmaßliche russische Spion Jan Marsalek einen Termin im Ministerium gehabt habe - der STANDARD berichtete; da sei es um dessen Ideen für Flüchtlingspolitik gegangen. Marsalek sei damals Manager von Wirecard gewesen, er habe kein Schild umgehabt, dass er russischer Spion sei, so Kickl. Von dem Treffen sei er informiert worden, dabei sei er nicht gewesen.

Der frühere deutsche Verfassungsschutz-Vize und Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt Dietmar Fritsche sei "der Beste" gewesen, den man als Berater für eine BVT-Reform gewinnen habe können, betonte Kickl. Fritsche baute offenbar später, nach dem Engagement durch Kickl, eine Beziehung zu Wirecard auf.

Befragt wurde Kickl auch zur Werbeagentur "Ideenschmiede", die in Korruptionsskandale verwickelt war und an der Kickl wenige Wochen im Jahr 2005 stiller Teilhaber gewesen sei - die politische Konkurrenz vermutet, Kickl sei länger involviert gewesen. Kickl sah da eine "Dreck- und Sudelkampagne", er wolle "das Spiel nicht mehr mitmachen". Er habe im Untersuchungsgegenstand keine Geschäftsbeziehung zur Ideenschmiede, die später Signs hieß, gehabt, sagte Kickl. Warum diese Agentur dem Innenministerium gratis ein Logo für die Einheit "Puma" überlassen habe? Womöglich habe ja jemand Freude an der Polizei, sagte Kickl.

Thomas S., offizieller Eigentümer der Signs, sollte übrigens auch geladen werden - er kam nicht, es wurde eine Beugestrafe ausgesprochen.

Am Ende drohte die FPÖ sogar mit einer Anzeige - weil die ÖVP "manipulierte" Dokumente zu Kickls Beziehung zur Ideenschmiede vorgelegt habe. Das wies die Volkspartei von sich.

Inserate in Rechtsaußen-Medien

In der Früh sah es noch so aus, als würde sich die U-Ausschuss-Befragungen am Donnerstag mehr als mühsam gestalten. Die erste Auskunftsperson, Alexander Höferl, ließ die Abgeordneten gleich einmal wissen, dass er den Untersuchungsgegenstand für mangelhaft formuliert halte und verfassungsrechtliche Bedenken habe. Dann kommunizierte der Mitarbeiter von Herbert Kickl doch, und das ist auch sein Job: Höferl war auch im Innenministerium für Kickls Pressestrategie zuständig.

Die Abgeordneten wollten von ihm wissen, warum das Ministerium in teils rechtsextremen Medien wie den mittlerweile aufgelösten "Wochenblick" und "Alles Roger?" für den Polizeiberuf warb. Die seien "reichweitenstark" und günstig gewesen, gab Höferl zurück. Man habe kostengünstig arbeiten wollen, im Gegensatz zur ÖVP. Dass Kickl inhaltlich in diesen Medien freundlich behandelt werde, habe keine Rolle gespielt. Die SPÖ hatte schon vor Befragungsbeginn kritisiert, dass das blaue Innenministerium in "rechten Hetzblättern" nach Polizisten gesucht habe.

Die "Poststelle"

Mit einiger Verspätung ging es am Nachmittag dann mit E., einem Juristen aus dem Innenministerium, weiter, der im Büro von Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber gearbeitet hatte. E. habe E-Mails, die an Minister und Generalsekretär gingen, sortiert; mit dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) korrespondiert, Protokoll geführt und den Minister in den Ministerrat begleitet, erklärte E. sein breites Tätigkeitsfeld.

Heftige Kritik gab es vonseiten der Abgeordneten an Tipps, die E. mit einen FPÖ-nahen Kommunikationsberater rund um dessen Beauftragung durch das Innenministerium ausgetauscht habe. Da soll es etwa darum gegangen sein, dass im Vertrag kein Stundensatz ausgemacht werde, damit nicht transparent werde, mit wem sich der Berater getroffen habe. Dazu sagte E., er sei nur die "Poststelle" gewesen; er habe sich immer an Experten gehalten.

Der eigentliche Hauptteil des U-Ausschusstages begann dann erst deutlich zu spät: Kickl, der eigentlich für 13 Uhr eingeladen war, wurde auf 16.15 Uhr verschoben. Vor seiner Befragung betonte er, dass der Skandal rund um russische Spionage "zu 98 Prozent ÖVP" sei. Hochrangige Konservative hätten sich mit Jan Marsalek getroffen und bei Wirecard angedockt; die FPÖ werde das aufklären. Er persönliche habe "überhaupt keinen Bezug zu Russland". Den mutmaßlichen Spion Egisto Ott kenne er nicht persönlich, und er habe "auch gar kein Interesse, ihn kennenzulernen". (fsc, gra, 11.4.2024)