Der Saal im Hotel Wimberger war voll besetzt – zumindest so weit die Livestream-Kamera auf der Bühne den zum Teil blau erleuchteten Raum erfasste. Neben den Sitzreihen standen Menschen, auch am Balkon saßen sie. Dass "bis auf den letzten Sitzplatz" alles besetzt sei, betonte auch die Moderatorin des Abends von FPÖ TV, Lisa Gubik – und FPÖ-Obmann Herbert Kickl, der unter frenetischem Applaus das Podium erklomm, wiederholte es gleich am Anfang seiner Rede.

Diese nahm rund 20 Minuten des lang geplanten Abends im Wiener Hotel Wimberger unter dem Motto "Zurück zur Normalität" in Anspruch. Anlass war eine in weiten Teilen der Gesellschaft als einigermaßen beendet geltende Krise – wenn sie auch beträchtliche soziale und psychologische Nachwirkungen zeitigt: die Corona-Pandemie. Die FPÖ will das Thema offensichtlich erneut politisch nutzen.

Videostrecke mit Leopold Figl

Zu diesem Zweck hatte die FPÖ einen Frontmann der deutschsprachigen Maßnahmen- und Impfgegnerschaft eingeladen: Den deutschen Arzt Sucharit Bhakdi, gegen den nach antisemitischen Äußerungen in Zusammenhang mit den Anticoronamaßnahmen in Israel weiterhin ein Verfahren wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung im deutschen Kiel läuft.

Sucharit Bhakdi bei einer Anticoronademo in Wien im Jahr 2022
Sucharit Bhakdi nahm in Wien während der Pandemie an mehreren der zum Teil aggressiv verlaufenen Antimaßnahmenkundgebungen teil.
Foto: imago images/SEPA.Media

Erst jedoch wurde eine längere Videostrecke eingespielt, für die Menschen im Saal auf der Leinwand hinter der Bühne, für jene daheim – darunter auch, mangels Zugangs für die Presse, Journalistinnen und Journalisten – direkt am Screen. Im Schnelldurchlauf und mehrfach unterlegt von Leopold Figls historischem Ausspruch anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrags "Österreich ist frei" kamen darin alle Verdrehungen vor, die nachher zum Teil ausführlich besprochen wurden.

Da kam Bhakdi in Kurzform zu Wort. Gen-Impfstoffe gegen Covid 19 und andere Viren seien "lebensgefährlich" sagte er. Die Badener Internistin und Impfkritikerin Theresia Maier-Dobesberger sprach von "mehrfach Geimpften mit Krankheitsbildern, die ich so noch nicht gesehen habe". Gefährlich sei das Vakzin, nicht der Covid-19-Erreger, wurde höchst angstbesetzt vermittelt. Auf Faktenbasiertes wie die Erkenntnisse aus einer Metastudie des Robert-Koch-Instituts im Jänner 2024, die zu dem Schluss kam, dass sämtliche Covid-19-Impfstoffe verlässlich gegen schwere Erkrankungen schützen, wartete man vergebens.

Kickl: "Unrechtsregime über das ganze Land"

Anschließend redete Kickl. Nach der Begrüßung aller "lieben Freunde und, noch etwas herzlicher, lieben Schwurbler" erging er sich in einer pathetischen Pandemie-Abrechnung mit religiösen Versatzstücken. Vom "Ausrollen eines Unrechtsregimes über das ganze Land" berichtete er, und meinte damit die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die weitere Verbreitung des für immunschwächere Personen tödlichen Coronavirus in den Pandemiejahren.

Von "heiligen Versprechen" für "ein niemals wieder" sprach er. Von "Wundern" der Begegnung mit Gleichgesinnten bei den um Teil höchst aggressiv verlaufenen Antimaßnahmendemos während der Pandemie, die bekanntlich unter rechtsextremer Beteiligung stattfanden. Und er richtete – in Richtung Weltgesundheitsorganisation (WHO), die einen internationalen Pandemievertrag ausgearbeitet hat – den "dunklen und finsteren Mächten" die Botschaft aus: "Ihr werdet damit nicht durchkommen!" "Herbert, Herbert!" skandierte das Publikum.

Bhakdi über angebliche Immunschäden

Bhakdi, der Kickl "einen persönlichen, guten Freund" nannte, begann zuerst scheinbar weniger emotional: Eine Stunde lang ging er mit Impfungen an sich und mit den auch gegen Covid 19 eingesetzten mRNA-Vakzinen hart ins Gericht; ganz so, wie man es von ihm seit Pandemiebeginn kennt. Genbasierte Impfstoffe hätten ähnliche Abstoßreaktionen wie Organtransplantationen zufolge, sie würden das Immunsystem schädigen, führte er zum Beispiel aus.

Gegen die Behauptung, dass die Coronaimpfung schwere Schäden verursache, hatte als einer von mehreren Fachleuten 2022 bereits der deutsche Immunologe Carsten Watzl protestiert. Bhakdis Ausführungen seien "unwissenschaftlicher Unsinn", schrieb er. So stelle der prominente Impfgegner zum Beispiel Antikörper im Blut und Antikörper in den Schleimhäuten als völlig unabhängige Systeme dar, was wissenschaftlich nicht auf der Höhe der Zeit sei.

Ganztägiger Event am Samstag

Gegen Ende seines Vortrags wurde Bhakdi explizit. Die mRNA-Impfungen seien ein "satanisches Programm, das Millionen Menschen geschädigt und verstümmelt hat", sagte er. Die WHO setze auf diese Technologie und bedrohe damit die Menschheit. "Sie bedrohen Sie und ihre Liebsten – und die österreichische Einheitsregierung beabsichtigt, die WHO tatkräftig zu unterstützen". "Buuuuuhhhh!", tönte es daraufhin aus dem Saal.

Am Samstag geht der freiheitliche Gesundheitsdiskurs weiter. Im selben Hotel findet eine ganztägige Veranstaltung unter dem Titel: "Souveränität und Freiheit für die Völker Europas" statt, mit unter anderem einem Schwerpunkt: "WHO-Gesundheitsdiktatur verhindern". (Irene Brickner, 12.4 2024)