Vor 20 Jahren wäre das mit den Transportflugzeugen aus Brasilien so gelaufen: Österreich hätte den Kauf mehrerer Flieger fürs Bundesheer vereinbart und dafür im Gegenzug Gegengeschäfte, also Aufträge aus Brasilien, im Wert vieler Milliarden Euro zugesagt bekommen. Doch seit den Nachwehen der Eurofighter-Anschaffung 2003 ist dieses Modell in Verruf geraten. Die Justiz ermittelte rund zehn Jahre im heimischen Eurofighter-Komplex. Neben möglichen Schmiergeldzahlungen wegen des Verdachts, dass es im Zuge der Gegengeschäfte Malversationen gegeben haben könnte. Auch wenn wenig herausschaute, lässt die Politik seitdem die Finger von solchen Deals.

Und daher läuft das jetzt so ab: Im vergangenen Herbst hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner verkündet, vom brasilianischen Flugzeugbauer Embraer drei bis vier Transportmaschinen des Typs C-390 zu erwerben. Die Maschinen sollen die bisherigen Hercules-Maschinen ersetzen. Eine halbe Milliarde Euro ist das Auftragsvolumen. Nicht nur gibt es keine Gegengeschäfte, Österreich kauft nicht direkt von Embraer, sondern erwirbt die Maschinen von den Niederlanden, die selbst mehrere der Flugzeuge kaufen. Vom Geschäft sollen heimische Betriebe dennoch profitieren. Doch dafür müssen freilich Klinken geputzt werden.

C-130 Herkules
Eine C-130 Herkules,die bisherige Transportmaschineder Österreichischen Luftwaffe.
ERWIN SCHERIAU / APA / picturede

So ist diese Woche eine größere österreichische Delegation aus dem Bereich Sicherheit, Rüstung und Flugzeugtechnik in Brasilien, um für Aufträge zu werben. Neben Werksbesuchen bei Embraer stehen auch offizielle Termine in Brasília an, etwa im Verteidigungsministerium. Aktuell sind noch zwei andere Delegationen aus Österreich in Brasilien unterwegs: Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ist mit Unternehmern und Industrievertretern ins Land gereist. Als erster hochrangiger heimischer Politiker, seit der damalige Verteidigungs- und Sportminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) das 215-Millionen-Einwohner-Land im Jahr 2015 besuchte, wirbt er vor Ort für bessere Wirtschaftsbeziehungen. Parallel touren österreichische Unternehmen durchs Land, die auf der Suche nach Fachkräften sind.

Österreichs militärisch-industrieller Komplex besteht freilich nicht aus Panzerbauern. Unternehmen wie Frequentis sind da, die unter anderem Air-Traffic-Management-Systeme anbieten, zivile wie militärische. Der Drohnenbauer Schiebel ist vor Ort. Sie interessieren vor allem mögliche Aufträge im Gegenzug für den Kauf der Transportflieger. Aber auch die ÖBB will sich umschauen, ob sie Fachkräfte vor Ort anwerben kann, konkret sucht die Bahn Kräfte für den Verschubberreich. Die Voestalpine ist mit einem Edelstahlwerk ohnehin präsent, der Feuerfesthersteller RHI auch. Aber auch der Chef des Kärntner Konzerns Wietersdorfer, Michael Junghans, ist gekommen. Das Unternehmen ist groß im Geschäft mit Kunststoffrohren für Wasserleitungen, wer in Brasilien erfolgreich sein will, müsse vor Ort produzieren, sagt der Unternehmer, man wolle prüfen, wie das möglich ist.

Wirtschaftswachstum

Österreichs Beziehungen mit Brasilien sind vom Umfang her gering: Gerade 0,5 Prozent der heimischen Exporte gingen im vergangenen Jahr nach Brasilien. Aber Brasilien ist der größte Markt Südamerikas, das Wirtschaftswachstum von zuletzt zwei bis drei Prozent ist nicht berauschend, aber solide. Der Wahlsieg Luiz Inácio Lula da Silvas, eines moderat linken Politikers, hat Brasiliens Ansehen nach der Zeit des rechtskonservativen Jair Bolsonaro international wiederhergestellt.

Unterzeichnet wurde ein Memorandum of Understanding, eine Absichtserklärung beider Länder, sich für eine verstärkte Wirtschaftszusammenarbeit einzusetzen. Und auch ein Letter of Intent, in dem beide Seiten bekunden, den Fachkräfteaustausch zu forcieren. Brasilien ist ja ein Schwerpunktland Österreichs, wenn es darum geht, Arbeitskräfte ins Land zu holen. Neben Pflegekräften werden vor allem IT-Spezialisten gesucht. Beim Web-Summit in Rio, einer riesigen Messe für Tech-Firmen und Start-ups, präsentiert sich Österreich als attraktiver Arbeitgeber.

Das Brasilien-Unterfangen wird nicht einfach. Das beginnt bei den Anwerbungen. Brasiliens Arbeitsminister Luis Marinho äußerte bei einem Gespräch mit Kocher zwar prinzipiell Verständnis für Bedürfnisse europäischer Länder, denen Arbeitskräfte fehlen. Zugleich pochte er auch darauf, dass Brasilien die Menschen selbst brauche. "Europa muss besser planen", sagte der Minister selbstbewusst. Der Arbeitskräftemangel werde noch zunehmen, so Marinho, von einem Austausch müssten beide Seiten profitieren. Brasilianer sollten gut ausgebildet werden, dann in Österreich arbeiten, dann zurückkehren. Wohl auch deshalb wird ein Teil der Delegation mehrere Universitäten besuchen, um Kooperationen auszuloten. Im vergangenen Jahr war in Brasilien wegen "wilder" Anwerbungen von Pflegekräften durch Deutschland heftige Kritik ausgebrochen. Schließlich unterzeichneten die beiden Länder ein Abkommen. Brasiliens Regierung will Einfluss auf die Entwicklung nehmen.

Ein unterschätztes Problem im Bereich Fachkräfte sind fehlende Abkommen bezüglich der Anerkennung von Sozialversicherungsleistungen: Wer jahrzehntelang in Österreich arbeitet und in die Pensionsversicherung einzahlt, kann seine Ansprüche in der Heimat nur geltend machen, wenn dies vertraglich geregelt ist. Mit Brasilien gibt es keine solche Vereinbarung, aber es ist immerhin eine in Ausarbeitung. Das kann aber dauern. Auch was den Embraer-Deal betrifft, der noch nicht unterschrieben ist – aktuell laufen noch Gespräche auf Fachebene –, gibt es nur Versprechungen von brasilianischer Seite: João Pedro Taborda, der das Unternehmen in Europa vertritt, sagt bei einem Treffen in Brasília, dass man mit den Österreichern enger zusammenarbeiten wolle. Es gibt ja auch schon einige Zulieferer wie den Luftfahrtzulieferer FACC. Aber das sind nicht viel mehr als Versprechungen des viertgrößten Flugzeugbauers der Welt hinter Boeing, Airbus und Bombardier. Einige Unternehmer aus dem Sicherheitsbereich murren, dass es mit vereinbarten Gegengeschäften, die rechtlich erlaubt sind, einfacher gegangen wäre. Jetzt heißt es also Klinken putzen. (András Szigetvari aus Rio de Janeiro, 17.4.2023)