Lärm, Straßenverkehr
Je dichter ein Gebiet verbaut ist, desto häufiger sind Menschen von Lärm belastet. Für rund die Hälfte der Betroffenen ist der Straßenverkehr die größte Lärmquelle.
APA/ROLAND SCHLAGER

Auf der Lärmkarte des Klimaschutzministeriums laufen Österreichs Straßen vielerorts wie bei einem Tintenfleck in alle Richtungen aus. Im Inneren sind die Linien dunkelviolett, dann werden sie rot, orange und gelb – je nachdem, wie viel Lärm der Verkehr verursacht. Autobahnen wie die A1, aber auch viele Bundesstraßen sind dunkelviolett, also über 75 Dezibel laut, viele umliegende Häuser und Wohnungen befinden sich in der orangen oder gelben Zone und sind damit ebenso noch einem Lärmpegel von 55 bis 65 Dezibel ausgesetzt – was in etwa dem Geräusch eines Fernsehers bei Zimmerlautstärke entspricht.

Zwei Millionen Menschen in Österreich wohnen laut den Daten in Gebieten, in denen der Verkehrslärm mehr als 55 Dezibel beträgt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) seien bereits 53 Dezibel der Schwellenwert, bei dem Lärm gesundheitsschädlich werden kann, vor allem, wenn dieser über einen längeren Zeitraum und auch in der Nacht andauert. Die möglichen Folgen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen und ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle. Laut der European Environment Agency zählt Verkehrslärm nach der Feinstaubbelastung zu den gesundheitsschädlichsten Umwelteinflüssen in Westeuropa.

Frage der Wahrnehmung

"Ein Geräusch wird dann zu Lärm, wenn es von den betroffenen Personen als störend wahrgenommen wird", sagt Martin Czuka, Akustikexperte am Austrian Institute of Technology (AIT). Beispielsweise könne das Geräusch eines Motorrads für einen Harley-Davidson-Fan als angenehmes Geräusch, für andere aber als unangenehm empfunden werden. "Entscheidend ist nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Frequenzzusammensetzung. Jedes Gehör kann darauf sehr unterschiedlich reagieren."

Der Verkehr ist längst nicht die einzige Lärmquelle, die Menschen in Österreich zu schaffen macht. Auch die Nachbarwohnungen und Baustellen sind häufige Quellen, wie Daten der Statistik Austria zeigen – vor allem in dicht besiedelten Ballungszentren. "Für fast die Hälfte der lärmgeplagten Menschen in Österreich ist der Kfz-Verkehr aber immer noch die größte Lärmquelle", sagt Helena Schuch, Verkehrslärmexpertin bei der Mobilitätsorganisation VCÖ.

Hohe Dunkelziffer

Sie schätzt, dass die Belastung durch Verkehrslärm in Österreich von den verfügbaren Daten noch unterschätzt werde. "In den Lärmkarten werden die großen Ballungsgebiete sowie die Flughäfen, Eisenbahnstrecken, Autobahnen, Schnellstraßen und Landesstraßen erfasst. Aber es gibt auch außerhalb dieser Gebiete viel Transitverkehr durch Lkws auf Gemeindestraßen, der zu einer hohen Lärmbelastung führt." Auch die Grenzwerte für die Lautstärken seien in den Daten zum Teil zu hoch angesetzt, weshalb viele Betroffene in der Statistik nicht aufscheinen. "Rund 30 Prozent aller Betroffenen werden schätzungsweise nicht erfasst", sagt Schuch.

Welche Maßnahmen gibt es gegen diesen Lärm? "Am effektivsten ist es, wenn Verkehrslärm vermieden wird, beispielsweise durch eine Verkehrsberuhigung im Ortsgebiet, mehr Tempo 30 und eine Verlagerung aufs Gehen und Radfahren", sagt Schuch. Tempo 30 statt Tempo 50 wirke auf das Gehör wie eine Halbierung der Verkehrsmenge. Auch auf Freilandstraßen, Autobahnen und Schnellstraßen machen niedrigere Tempolimits den Verkehr leiser. Dadurch seien teurere, aufwendigere Maßnahmen wie etwa Lärmschutzwände weniger notwendig.

E-Autos nicht immer leiser

Auch E-Autos können den Verkehr leiser machen – allerdings nur bis zu einer gewissen Geschwindigkeit. "Bis 30 Kilometer pro Stunde sind E-Autos durch ihren Antrieb deutlich leiser." Ab dann überwiege jedoch das Rollgeräusch. "Werden E-Autos immer größer und schwerer, bieten sie bei höheren Geschwindigkeiten erst recht keinen Vorteil", sagt Schuch.

Auch der Lärm durch Motorräder auf Österreichs Bundesstraßen werde in den kommenden Monaten voraussichtlich wieder zunehmen. Tirol hat deshalb seit einiger Zeit ein Fahrverbot für besonders laute Motorräder auf bestimmten Streckenabschnitten verhängt. Denn laut der Tiroler Landesregierung fühlen sich 44 Prozent der dortigen Bevölkerung durch den Lärm des wachsenden Motorradverkehrs belästigt. Besonders das hochtourige Fahren und das schnelle Beschleunigen und Bremsen werde als störend empfunden. Motorradfahrer, die gegen das Fahrverbot verstoßen, drohen in diesem Jahr Geldstrafen von 220 Euro.

Lärmradar in Städten

Einige Städte, darunter etwa Paris oder Amsterdam, setzen zudem auf sogenannte Lärmradare, die zu laute Fahrzeuge per Mikrofone registrieren. Autofahrer, die in Paris mit ihren Fahrzeugen einen Pegel von 85 Dezibel überschreiten, sollen in diesem Jahr erste Strafen dafür zahlen müssen. "Die Frage ist, ob es neben Tempolimits noch solche Lärmradare braucht", gibt Schuch zu bedenken. Denn würden Limits eingehalten werden, führe das meist bereits zu einer deutlichen Lärmreduktion.

Dort, wo sich Verkehrslärm nur schwer vermeiden lässt, wie beispielsweise auf Autobahnen, sollen vielerorts Lärmschutzwände dessen Ausbreitung verhindern. "Das Problem ist, dass diese Wände einen sehr hohen CO2-Fußabdruck haben können", sagt Akustik-Experte Martin Czuka. Gemeinsam mit anderen Forschenden teste Czuka deshalb Lärmschutzwände aus Schilf oder Lehm, die den Schall ähnlich gut abfangen sollen wie herkömmliche Lärmschutzwände, aber potenziell nachhaltiger seien. Wie vielversprechend diese Materialien sind, werde aktuell erforscht.

Lärmschutzwand, Straßenverkehr
Lärmschutzwände sind sehr effektiv darin, Schall abzufangen, sind aber aus ökologischer Sicht nicht immer besonders nachhaltig.
Gottfried Czepluch via www.imago

Schienenkreischen verhindern

Zudem untersuchen Forschende in einem aktuellen internationalen Projekt, wie sich der Lärm und die Erschütterungen durch Straßenbahnen mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) reduzieren lässt. Dafür werden in einem ersten Pilotprojekt Straßenbahnen in verschiedenen europäischen Städten mit Sensoren und Mikrofonen ausgestattet.

Mithilfe dieser Messungen soll die KI erkennen, wann und auf welchen Abschnitten es zu besonders großen Erschütterungen oder zum sogenannten Schienenkreischen kommt, wenn die Straßenbahn um eine Kurve fährt. "Dadurch könnten wir künftig womöglich frühzeitig erkennen, wenn Gleise zu stark abgenutzt sind, damit diese vom Betreiber rechtzeitig gewartet werden können", sagt Czuka.

Leiser Asphalt

Auch bei Fahrbahnoberflächen gebe es aus akustischer Sicht noch Optimierungspotenzial. Je nachdem, wie diese zusammengesetzt sind und welche Oberfläche sie haben, könne das auch die Lärmbelastung reduzieren. "Lärmarmer Asphalt ist sehr vielversprechend", sagt Schuch. Auf vielen Autobahnen in Österreich komme er bereits zum Einsatz, auf den meisten Land- und Gemeindestraßen allerdings noch nicht. "Österreich könnte sich hier an der Schweiz orientieren, die lärmarmen Asphalt immer mehr auch innerhalb der Ortsgebiete verbaut."

Laut dem VCÖ könne auch eine Begrünung der Fassaden helfen, die Lärmbelastung in Städten zu reduzieren. Experten wie Czuka sehen das jedoch differenzierter. "Werden beispielsweise Lärmschutzwände begrünt, muss das akustisch nicht immer Vorteile haben." Eine Begrünung sei jedenfalls nicht mit dem Effekt von Lärmschutzwänden vergleichbar. (Jakob Pallinger, 24.4.2024)