Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zieht die Verschwörungstheoretiker seit langem an. Vor seiner ersten Wahl im Jahr 2017 zirkulierte die Falschmeldung, der vormalige Ex-Rothschild-Banker bleibe der jüdischen Bankerfamilie verpflichtet: Als Staatschef verdiene er zu wenig Geld, um die hohen Steuern seiner lukrativen Rothschild-Jahre bezahlen zu können.

Emmanuel Macron und Brigitte Macron.
Emmanuel Macron und Gattin Brigitte im Visier von Propagandistinnen und Propagandisten.
IMAGO/Federico Pestellini

Später tauchte das Gerücht auf, Macron pflege mit dem Intendanten von Radio France eine Liaison – oder mehr noch, die beiden Männer bildeten ein Paar. Sogar Ex-Präsident Nicolas Sarkozy munkelte, der Präsident habe halt etwas "Androgynes".

Prozess gegen die "Spinner"

Neuerdings wird der Präsident – der am Donnerstag an der Pariser Sorbonne-Universität eine lang erwartete programmatische Rede zur außenpolitischen Ausrichtung Frankreichs halten soll – indirekt angegriffen: Auf vielbesuchten Netzadressen gilt seine Frau Brigitte als "trans", das heißt als Mann. Jetzt mag Macron die Anfeindungen nicht länger wegschweigen: Zum Schutz seiner Familie gehe das Paar nun gerichtlich gegen die "Spinner" ("fadas" auf Französisch) vor, sagte er vor laufenden Kameras.

Brigitte Macron hat erreicht, dass der auf 2025 angesetzte Prozess wegen Verletzung der Intimsphäre schon Mitte Juni dieses Jahres stattfindet. In der Sache lassen Fotos der jungen Frau und ihrer drei Kinder aus erster Ehe keinen Zweifel am Geschlecht der "Première dame", die knapp 25 Jahre älter ist als ihr Präsidentengatte.

Als Urheberin des Gerüchtes zu Brigitte Macron gilt eine Französin namens Natacha Rey, die sich "unabhängige Journalistin" nennt. An dem Prozess will sie wegen eines Krebsleidens nicht teilnehmen. Zur planetaren Verbreitung ihrer unbelegten Theorie verhalf ihr die Amerikanerin Candace Owens, eine Trumpistin, deren Konto mit der russischen Botschaft in den USA verlinkt ist.

Politische Freunde von ihr hatten vor Jahren schon die ehemalige amerikanische First Lady Michelle Obama als angeblichen Mann geoutet. Der französische Sozialforscher Laurent Cordonier macht hinter diesen Gerüchten unter der Gürtellinie eine Verschwörungsachse rechtsextremer und russischer Netzwerke aus. "Diese Kreise geißeln die Dekadenz der Welteliten, die vermeintlich für Migranten, Juden und LGBT eintreten und die christliche Zivilisation bedrohen", sagte Cordonier auf dem Sender France-Culture.

Nährboden im Sinne Moskaus

Laut anderen Experten sind die persönlichen Attacken auf die Macrons ein Lehrstück politischer Desinformation: Je dicker aufgetragen, desto eher werde die Fake News geglaubt. Zumindest entsteht Verwirrung, was denn überhaupt noch stimme. Das schaffe den Nährboden für Propaganda- und Verschwörungsthesen Moskauer Provenienz.

Besonders gerne greifen russische Hackergruppen Frankreich an. Paris gilt einerseits als unzuverlässiges Glied der Nato-Kette, fährt aber momentan einen harten Kurs gegen das Kreml-Regime. Laut Geheimdienstberichten hat Moskau sogar die Bettwanzenhysterie in Paris angeheizt, um die Olympischen Sommerspiele zu treffen. (Stefan Brändle aus Paris, 23.4.2024)