Bodycamera der Marke Axon eines US-Polzisten.
Bodycamera der Marke Axon eines US-Polizisten. In Österreich werden Modelle von Motorola Solutions eingesetzt.
AP/Ethan Cairns

Im vergangenen Jahr wurde es angekündigt, heuer soll es umgesetzt werden. Die Polizei soll 2024 flächendeckend mit "Body Worn Cameras" (Bodycams) ausgestattet werden, also Kameras, die an der Brust getragen werden. Ziel der Maßnahme seien die Deeskalation bei Amtshandlungen, der Schutz der Beamten und letztlich die Beweissicherung, heißt es aus dem Innenministerium, wo man die Einführung durchwegs positiv bewertet. Strafrechts-, Menschenrechts- und Datenschutzexperten beurteilen die Bodycams zum Teil zwar auch positiv, haben aber auch Kritikpunkte.

"Im täglichen Polizeidienst sind Polizistinnen und Polizisten immer wieder Ziel von aggressiven Handlungen", schreibt ein Sprecher des Innenministeriums an den STANDARD. Deeskalation und Beweissicherung seien daher wichtig für die Sicherheit der Beamten. Hier kommen die Bodycams ins Spiel. 3300 solcher Geräte hat die Bundesbeschaffungs GmbH zu je 275 Euro bei Motorola Solutions für die Polizei gekauft, mit einer Nachkaufoption auf 700 weitere Stück. Bis Jahresende sollen sie an "alle Polizeidienststellen mit Außenwirkung" ausgeliefert werden und im regulären Streifendienst eingesetzt werden.

Ab dann sollen Situationen, in denen Befehls- oder Zwangsgewalt angewendet wird, möglichst umfassend dokumentiert werden. Durchgehend werden die Kameras aber nicht laufen, wann sie eingeschaltet werden, entscheiden die Polizisten situationsabhängig.

Wann wird gefilmt?

Das kritisiert unter anderem Amnesty International. "Wenn die Bodycams nur dann eingeschaltet werden, wenn es die Polizist:innen für notwendig erachten, kann dies zu verzerrten und selektiven Videoaufnahmen führen", heißt es von der Menschenrechts-NGO. Es brauche klare Richtlinien, wann die Kameras laufen und wann nicht. In Deutschland forderte Amnesty etwa, dass auch Zivilisten das Einschalten der Bodycam verlangen können. In den USA müssen Polizisten die Kameras prinzipiell bei jeder Amtshandlung einschalten. Technisch wäre es auch möglich, dass sich die Kamera automatisch einschaltet, wenn die Dienstwaffe gezogen wird. Im deutschen Bundesland Thüringen hat das der Landtag bereits beschlossen. In Österreich gehe das aus rechtlichen Gründen nicht, heißt es vom Innenministerium.

Die rechtliche Grundlage für den Einsatz von Bodycameras ist Paragraf 13a des Sicherheitspolizeigesetzes. Dort ist festgelegt, dass die Aufnahme angekündigt werden muss und nur zur Verfolgung von strafbaren Handlungen, die sich während dieser Amtshandlung ereignet haben, analysiert werden darf oder zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Amtshandlung. Die Daten müssen verschlüsselt und nach sechs Monaten gelöscht werden, sofern sie nicht noch in einem Gerichtsverfahren als Beweismittel gebraucht werden.

Insofern können die Videos auch für Betroffene von Amtshandlungen von Vorteil sein, zum Beispiel in Prozessen um vermeintliche Polizeigewalt, indem "ein tatsächlich nicht vom amtshandelnden Polizisten manipulierbares Beweismittel vorliegt", heißt es aus dem Innenministerium. Dass nicht manipuliert werden kann, soll sichergestellt werden, indem Sicherung, Löschung und Bespielung von unterschiedlichen Personen durchgeführt werden und jeder Zugriff auf die Daten automatisch protokolliert wird.

Auch Strafjurist Gregor Klammer sieht die Einführung der Bodycams grundsätzlich positiv. Er vertritt immer wieder auch Opfer von Polizeigewalt: "Ohne Video in ein Verfahren zu gehen (gegen die Polizei, Anm.), ist fast aussichtslos. Als einfacher Bürger wird einem oft einfach nicht geglaubt", sagt er. Richter würden meist annehmen, dass Polizisten über amtliche Wahrnehmungen nicht die Unwahrheit sagen, da dies für sie berufsrechtliche Konsequenzen haben würde. Eine echte "Waffengleichheit" zwischen Bürger und Polizist sieht Klammer aber auch durch die Bodycams nicht hergestellt, eben weil die Polizisten entscheiden, wann gefilmt wird.

Als Bürger bleibt natürlich die Möglichkeit, Amtshandlungen selbst zu filmen. Das kann die Polizei nicht verbieten, hat der Oberste Gerichtshof 2019 klargestellt. Veröffentlichen darf man die Aufnahmen aber, solange darauf jemand zu erkennen ist, nicht.

"Mit Bodycams wird jeder Polizist und jede Polizistin zur wandelnden Überwachungskamera", heißt es vom Datenschutzverein Epicenter Works. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Aufnahmen mittels Gesichtserkennungssoftware analysiert werden. "Einmal analysiert, lassen sich mit den Videos leicht umfangreiche Bewegungs- bzw. Verhaltensprofile von Menschen erstellen", heißt es zum STANDARD. Man lehne die Einführung der Bodycams daher ab.

Was bringt's?

Getestet werden die Bodycams übrigens schon seit einigen Jahren. Noch unter dem damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wurden 2019 die ersten Geräte an die Polizei übergeben, 375 waren zuletzt im Einsatz. Die Erfahrungen seien "sehr positiv", heißt es aus dem Innenministerium. "Die Bedienung ist einfach und unkompliziert und vor allem die präventive Wirkung des 'Gefilmt-Werdens' ist spürbar." Das deckt sich mit Rückmeldungen von der deutschen Bundespolizei, die Bodycameras schon seit 2018 einsetzt, aber auch von den Wiener Linien, deren Securitymitarbeiter ebenfalls seit 2018 mit Bodycams ausgestattet sind.

Wissenschaftliche Studien zu den Effekten von Bodycameras gibt es nur aus den USA, wo die Geräte bereits 2014, nach Aufkommen der Black-Lives-Matter-Proteste eingeführt wurden, allerdings mit einem anderen Ziel als im deutschsprachigen Raum: dem Schutz der Bevölkerung (vor allem der afroamerikanischen) vor Polizeigewalt und dadurch der Wiederherstellung des Vertrauens in die Polizei. Eine Meta-Analyse, im Zuge derer die Ergebnisse von 70 Studien zu den Effekten von Bodycameras zusammengefasst wurden, hat ergeben, dass es keine statistisch signifikanten Effekte des Tragens von Bodycameras auf das Verhalten der Polizei, der Angehaltenen oder auf das Vertrauen in die Polizei gibt.

Mit den USA lässt sich die Situation in Österreich aber aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme, Waffengesetze und generell eines vollkommen anderen Levels an Waffengewalt ohnehin nicht vergleichen. Eher noch mit Deutschland. Mark Zöller, Professor für Strafrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der sich schon seit einigen Jahren mit Bodycameras beschäftigt, fasst seine Erfahrungen wie folgt zusammen: "Sie (die Bodycams, Anm.) können abschreckend wirken, aber bei einer bestimmten Klientel, zum Beispiel wenn Drogen, Alkohol, oder psychische Erkrankungen im Spiel sind, bringt es einfach nichts." Vor Gericht seien die Aufnahmen aber ein starkes Instrument, sowohl für die Polizei als auch für Bürger. Zöller hält die Einführung daher für sinnvoll, aber kein Allheilmittel. (Johannes Pucher, 27.4.2024)