Die Gerüchte gab es schon länger, am Mittwoch wurden sie bestätigt. Marcel Hirscher kehrt in den alpinen Skizirkus zurück. Er startet allerdings nicht mehr für Österreich, sondern für die Niederlande, die Heimat seiner Mutter. Dass Hirschers Herz für den Skisport schlägt, ist unbestritten. Ebenso seine Passion fürs Rennfahren, no na. Ehrgeiz zeigt er aber nicht nur zwischen Kippstangen, sondern auch in der Geschäftswelt. Und bei seiner Rückkehr auf die Piste dürfte es nicht nur um Spaß an der Freude gehen, sondern auch um viel Geld. Nicht zuletzt für seine Skimarke Van Deer, mit der er an den Start gehen wird.

Marcel Hirscher präsentiert seinen Ski Van Deer.
Nach seinem Rücktritt war Hirscher im Ski-Weltcup eher im Hintergrund tätig. Der 35-Jährige gründete mit Unterstützung seines langjährigen Sponsors Red Bull die Skifirma Van Deer.
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Was passiert eigentlich hinter den Kulissen der Marke mit dem Hirschkopf als Logo? Auf den heimischen Pisten sieht man regelmäßig Van-Deer-Skier, aber nicht in Massen. Dafür sind sie zu teuer. Zwischen 1100 und 1650 Euro kostet das Erwachsenenmodell mit Bindung, Interesse besteht trotzdem. "Die Nachfrage ist diesen Winter noch einmal ordentlich gestiegen, sowohl im Verkauf als auch in der Vermietung", sagt Christoph Bründl im Gespräch mit dem STANDARD.

Er ist Eigentümer von Bründl Sports, der Hirschers Skier exklusiv vertreibt. In der Produktion gebe es nur noch vereinzelt Verzögerungen, das sei viel besser geworden, verglichen zu den vorhergehenden Wintern. "Außerdem gibt es ein neues Modell für Genussskifahrer, die Rennskimodelle davor waren nur etwas für sehr sportliche Skifahrer." Absatzzahlen verrät Bründl allerdings keine. Van-Deer-Testimonials im Weltcup-Zirkus sind mit den Norwegern Henrik Kristoffersen und Timon Haugan aktuell zwei Weltklasse-Athleten.

Mehrheitseigentümer Red Bull

Hirscher schupft Van Deer nicht allein, mit Red Bull hat er einen der mächtigsten Partner an der Seite, die man in der Sportwelt überhaupt haben kann. Der Konzern aus Fuschl unterstützt seinen langjährigen Schützling sowohl in Sachen Marketing als auch finanziell. Vergangenes Jahr gab es eine Eigenkapitalspritze, und seither ist Red Bull mit 51 Prozent Mehrheitseigentümer.

45 Prozent gehören laut Firmenbuch Hirscher selbst, die restlichen vier Prozent Dominic Tritscher, einem Wegbegleiter. Van Deer-Red Bull Sport Equipment GmbH heißt das Unternehmen nun offiziell. Im Zuge der Fusion wurde auch das Firmenlogo angepasst, und zum Hirschgeweih kam ein Stier dazu. Rennchef ist mit Toni Giger auch kein Unbekannter, er war lange Zeit Sportdirektor beim ÖSV.

Henrik Kristoffersen steht mit einem Van-Deer-Ski vor einer Wand
Man kennt Henrik Kristoffersen sowohl als guten als auch sehr emotionalen Slalomläufer. Nun carvt er mit den Skiern seines einst größten Konkurrenten am Berg.
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Produktion in Stuhlfelden

Produziert wird in Stuhlfelden im Salzburger Pinzgau. Vor zwei Jahren haben Van Deer und Red Bull dort den Standort von Augment übernommen. Augment, vor allem bekannt vom Skispringen, blieb als Marke bestehen und wird auch weiterhin dort hergestellt. Doch der Standort mit rund 30 Beschäftigten droht, zu klein zu werden.

Die Anfrage, wie viele Skier jährlich produziert werden und wie es mit dem Standort weitergeht, lässt Van Deer unbeantwortet. Laut Salzburger Nachrichten sollen es pro Jahr maximal 5000 Stück sein, die Zielmarke soll aber bei 30.000 Paar liegen – als Vorbild diene die Schweizer Marke Stöckli. Eine Entscheidung werde laut Toni Giger "zeitnah" fallen, konkreter wurde er nicht.

Schwarze Zahlen schreiben jedenfalls beide Unternehmen nicht. Bei Van Deer betrug der Verlust 2022 rund eine Million Euro, bei Augment waren es 3,8 Millionen (allerdings größtenteils Verlustvorträge). Die Konkurrenz am Skimarkt ist groß und das Geschäft kapitalintensiv.

Extrem hoher Werbewert

Mit der angekündigten Rückkehr dürfte der 35-jährige Ex-Serienweltcupsieger jedenfalls eine große Maschinerie in Gang bringen. Von einem "marketingtechnisch genialen Schachzug" spricht etwa Marcel Grell vom Wiener Marktforschungsunternehmen Focus, das jährlich die Werbewerte von Einzelsportlern erhebt.

"Von 2014 bis 2019 hat Hirscher das Ranking mit Abstand angeführt, auf dem Höhepunkt entsprach seine Medienpräsenz einem Werbewert für Marken von 10,4 Millionen Euro", sagt Grell. Niemand habe sich seither nur ansatzweise diesem Wert genährt – am ehesten Dominic Thiem nach seinem US-Open-Sieg mit 6,3 Millionen Euro. "Noch eindrucksvoller sind die Zahlen vom Hahnenkammrennen in Kitzbühel vor zwei Jahren. Hirscher war Vorläufer und hatte mit Abstand den größten Werbewert, deutlich vor Matthias Mayer (Platz vier) und Aleksander A. Kilde (Platz eins)." Seine Rückkehr werde sich massiv auswirken.

Pull-Faktor für niederländische Gäste

Neben gesteigerter Aufmerksamkeit für Van-Deer-Skier, Hirscher als Person und natürlich Red Bull könnte sich die Rückkehr auch auf einen weiteren Bereich auswirken: den Tourismus. In vielen Sportarten gehören die Niederlande zur Weltspitze, der Skisport ist da allerdings nicht dabei. Zumindest bisher. Nichtsdestotrotz lieben die Oranjes den Skisport, und Österreich ist im Winter eine extrem beliebte Reisedestination.

Beschert Marcel Hirscher den heimischen Wintersportorten nun einen zusätzlichen Schub holländischer Gäste? "Möglich ist das schon", meint Anna Burton, Tourismusexpertin beim Wifo. "Mit der Weltmeisterschaft in Saalbach nächstes Jahr könnte es eine einmalige Chance für Niederländer sein, ihr Land bei so einem Event vertreten zu sehen." Es sei noch nicht absehbar, wie sehr das Antreten für die Niederlande seine Popularität im Land steigere, aber es sei gut möglich, dass das Interesse weiter zunehme.

Daran hat Hirscher selbst auch schon gearbeitet, immerhin drehte er als Tourismusbotschafter für Salzburg Werbespots in niederländischer Sprache. Mit 6,7 Millionen Nächtigungen in der Wintersaison 2022/23 laut Statistik Austria sind die Niederlande bereits Nummer zwei bei den Auslandsgästen hinter Deutschland. (Andreas Danzer, 26.4.2023)