Lange Zeit war er in der Versenkung verschwunden, nun macht er wieder Schlagzeilen: Alexander Lukaschenko, der autoritäre Alleinherrscher in Russlands Nachbarland Belarus. Jüngst will er einen Drohnenangriff aus Litauen verhindert haben. Laut seinem Geheimdienstchef Iwan Tertel hat man Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt, die es ermöglicht hätten, Angriffe von Kampfdrohnen aus dem Gebiet Litauens auf Objekte in Minsk und seinen Vororten zu verhindern, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Belta. Das Nato-Mitglied Litauen dementiert, Beweise gibt es keine.

Moskau, der Verbündete

Jetzt hält Lukaschenko, den man zu Recht den "letzten Diktator Europas" nennen darf, die Zeit reif für Friedensgespräche im Ukrainekrieg. Die Front sei festgefahren, und die Bedingungen für Friedensgespräche seien gegeben. Vorschläge, die zwischen russischen und ukrainischen Vertretern in der Türkei in den ersten Kriegswochen diskutiert worden seien, könnten als Ausgangspunkt für Verhandlungen dienen, meint Lukaschenko laut der Nachrichtenagentur Tass.

Zugleich droht Lukaschenko, warnt vor einem "Weltuntergang". In seiner Rede vor der belarussischen Volksversammlung meinte er, "ein unvorsichtiges Wort, eine Bewegung könnte eine bewaffnete Konfrontation bis hin zum Einsatz von Atomwaffen verursachen". Auf der Versammlung in Minsk wurde auch die neue belarussische Militärdoktrin verabschiedet. Russland wird darin als "strategischer Verbündeter" bezeichnet.

Popmpöse Inszenierung: Alexander Lukaschenko vor dem Volkskongress.
via REUTERS/President of Belarus

Lukaschenko gibt den starken Mann. Doch spätestens seit der Niederschlagung der weiß-roten Revolution im Sommer 2020 ist er der Vasall von Kreml-Chef Wladimir Putin. Hunderttausende waren damals auf den Straßen von Minsk, demonstrierten gegen Lukaschenkos gefälschte Wiederwahl. Beim Einsatz brutaler Polizeigewalt half Russland. Bis heute ist Belarus das Aufmarschgebiet russischer Truppen für den Krieg in der Ukraine. Obwohl sich Belarus offiziell nicht am Krieg beteiligt, lässt Lukaschenko dies zu. Im Land sind dutzende taktische Atomwaffen stationiert, selbstverständlich unter russischer Hoheit.

Es ist das erste Mal, dass Russland seit der Ära der Sowjetunion Atomraketen in einem fremden Land stationiert hat.

Eine späte Sowjet-Karriere

Alexander Lukaschenko ist ein Herrscher alten Sowjet-Stils. Er war Agrarwissenschafter, Politoffizier einer Panzerkompanie, Sekretär der KPdSU und Direktor eines landwirtschaftlichen Staatsbetriebs. Einer, der im Politsystem der Sowjetunion groß geworden ist. 1991 unterstützte er den gescheiterten Augustputsch gegen Michail Gorbatschow in Moskau. Damals versuchte die alte Garde der Sowjetunion den Reformer Gorbatschow zu beseitigen. Ende 1991 trat der entmachtete Gorbatschow zurück. Es war das Ende der Sowjetunion. 1994 wurde Lukaschenko erstmals zum belarussischen Präsidenten gewählt. Wohl die einzige Wahl in seinen bisherigen Amtszeiten, bei der es einigermaßen korrekt zuging.

Unverzichtbare Freunde: Alexander Lukaschenko (links) und Wladimir Putin.
via REUTERS/Gavriil Grigorov

Für Kreml-Chef Putin ist Lukaschenko nützlich. Als nach dem gescheiterten Putsch von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im Juni 2023 ein vorübergehender Aufenthaltsort für dessen Söldner außerhalb Russlands gesucht wurde, sprang Lukaschenko in die Bresche. Und drohte gleichzeitig den Nachbarländern: "Wenn wir diese Einheit für die Verteidigung des Staates einsetzen müssen, wird sie sofort eingesetzt. Und ihre Erfahrung wird gefragt sein."

Friedensstöraktion

Lukaschenkos jetziger Vorschlag für Friedensverhandlungen zielt wohl auf die für Juni geplante internationale Friedenskonferenz in der Schweiz, die ohne Russlands Beteiligung stattfinden soll. Der Kreml möchte die Zahl der an dieser Konferenz teilnehmenden Staaten möglichst reduzieren, habe dazu einen "konkreten Plan", meint der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Es gehe darum, "wie man vorgeht, um sicherzustellen, dass es noch länger keinen Frieden gibt", so Selenskyj. Einzelheiten nannte er allerdings nicht, auch Belege für diesen Plan legte Selenskyj nicht vor.

Auf der Konferenz mit bis zu 80 Staaten will man russlandfreundliche Mächte wie Indien, Südafrika oder Brasilien für die ukrainischen Vorstellungen einer Friedenslösung gewinnen. Vor allem China wird umworben. Diese Länder könnten sich aber auch der russischen Variante zuwenden, die Putin vorschlägt. Und bei der Lukaschenko sekundiert. Zu Verhandlungen mit der Ukraine sei man bereit, "aber natürlich kann uns keine Position aufgezwungen werden, die nicht auf der Realität basiert", so der russische Präsident. Im Klartext: keine Rückgabe der besetzten Gebiete und der Krim. (Jo Angerer aus Moskau, 27.4.2024)