Trump verfolgt die Aussage derEx-Pornodarstellerin mit gequältem Gesichtsausdruck.
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Die fragliche Nacht liegt 18 Jahre zurück und hat die Öffentlichkeit schon oft beschäftigt. Doch am Dienstag wird die mutmaßliche Affäre zwischen dem damaligen Reality-TV-Star, Ex-US-Präsidenten und inzwischen erneuten Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und der Ex-Pornodarstellerin Stormy Daniels noch einmal in allen Details ausgebreitet. Erstmals nach der legendären Schweigegeldzahlung im Oktober 2016 stehen sich die beiden Kontrahenten im Saal 1530 des New Yorker Strafgerichts direkt gegenüber. Daniels redet schnell und wirkt nach Augenzeugenberichten nervös. Trump verfolgt die Aussage mit gequältem Gesichtsausdruck.

Viele pikante und peinliche Details breitet die Zeugin aus, die im Juli 2006 von dem Geschäftsmann bei einem Golfturnier am Lake Tahoe angesprochen und auf sein Hotelzimmer eingeladen wurde. Dort soll der damals 60-Jährige die 27-Jährige in einem seidenen Pyjama erwartet haben, was diese lächerlich fand. Bei einem zweistündigen Gespräche habe er viel über die Pornobranche wissen wollen. Angeblich verglich er Stormy Daniels mit seiner Tochter Ivanka: "Sie ist klug und blond und hübsch, und die Leute unterschätzen sie auch."

Trumps Verteidiger sind aufgebracht

Den Hinweis auf seine Frau Melania, die Trump erst ein Jahr zuvor geheiratet hatte, wischte der Milliardär angeblich mit der Bemerkung beiseite, man teile nicht einmal das Schlafzimmer. Dafür erwartete er Stormy Daniels in Boxershorts und T-Shirt auf dem Hotelbett, als sie zwischenzeitlich einmal im Badezimmer verschwunden war. Der gemeinsame Sex in Missionarsstellung war angeblich kurz. Trump benutzte der Schilderung zufolge kein Kondom, die Pornodarstellerin, die auf eine Karriere in Trumps populärer Fernsehshow hoffte, behielt ihren BH an.

Das ist der Stoff, der dicke Balkenüberschriften in Boulevardzeitungen speist und die evangelikalen Wähler des Ex-Präsidenten eigentlich verstören müsste. Bloß hat der von Trump bestrittene One-Night-Stand wenig mit dem Prozess zu tun, der gerade in New York läuft. Dort versucht die Staatsanwaltschaft die zwölf Geschworenen nämlich davon zu überzeugen, dass Trump zehn Jahre später eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar an Stormy Daniels mit dem Ziel veranlasste, die Enthüllung seiner Affäre kurz vor der Wahl 2016 zu verhindern. Anschließend soll er den Geldtransfer falsch verbucht und damit de facto eine Kampagnenspende verschleiert haben. Nur das – nicht die Schweigegeldzahlung an sich – ist strafbar.

Entsprechend aufgebracht sind am Dienstag Trumps Verteidiger, die einen Prozessfehler beklagen und das ganze Verfahren abbrechen wollen. So weit geht Richter Juan Merchan nicht. Doch mahnt er mehrfach Staatsanwältin Susan Hoffinger, zum Punkt zu kommen. "Ein paar Dinge wären besser nicht gesagt worden", moniert Merchan nach der Mittagspause.

Wütende Online-Posts

Das Kalkül der Anklage ist offenbar ein anderes: Sie will Stormy Daniels, die inzwischen eine Pferdefarm in Texas betreibt, vor den Geschworenen als glaubwürdige und menschliche Zeugin porträtieren, die von Trump ausgenutzt wurde. Der Ex-Präsident hingegen wird als Unsympath vorgeführt, der seine Ehefrau betrügt und eine junge Frau mit der Aussicht auf einen Karriereschritt ins Bett lockt. Nebenbei kommt der Narzisst persönlich eher lächerlich rüber.

Das provoziert den 77-Jährigen so, dass er noch während der Verhandlung wütende Online-Posts abfeuert. Ein öffentlicher Ausbruch mit weiteren Drohungen und Beschimpfungen könnte ihn nach mehrfachen Verwarnungen durch den Richter für eine Nacht ins Gefängnis bringen.

Wichtig ist die Glaubwürdigkeit der Zeugin aber vor allem für die im Zentrum des Verfahrens stehende Schweigegeldzahlung. Laut Angaben von Stormy Daniels hatte Trump sie zunächst in keiner Weise aufgefordert, Stillschweigen über die Affäre zu wahren. Im Gegenteil zeigte er sich bei einer Veranstaltung mit der Frau, die er "Honeybush" (Schätzchen) genannt haben soll. Erst im Oktober 2016 meldete sich Trumps damaliger Anwalt Michael Cohen und legte einen Geheimhaltungsvertrag zwischen einer fiktiven "Peggy Peterson" und "David Dennison" vor. Im Gegenzug zahlte er ihr 130.000 Dollar. Das stützt die Darstellung der Anklage, derzufolge Trump die Affäre nicht aus Sorge um seine Ehe, sondern aus Furcht vor dem Verlust weiblicher Wählerstimmen verbergen wollte.

"Wollte kein Geld machen"

Freilich bleibt Stormy Daniels' Aussage am Dienstag nicht frei von Widersprüchen. So erklärt sie zunächst, sie habe ihre Geschichte unbedingt veröffentlichen wollen: "Ich wollte damit kein Geld machen." Weshalb sie dann doch in die Schweigegeldzahlung einwilligte, erklärt sie nicht. Auch deutet sie kurz an, der Sex mit Trump könne nicht freiwillig gewesen sein, was sie kurz darauf ausdrücklich zurücknimmt.

Entsprechend hart nehmen Trumps Verteidiger die Zeugin ins Kreuzverhör. Sie werfen ihr vor, dass sie Geld machen wolle und überdies politisch motiviert sei. "Stimmt es, dass Sie Präsident Trump hassen?", will einer wissen. "Ja", antwortet die 45-Jährige. "Wollen Sie, dass er ins Gefängnis kommt?", hakt der Anwalt nach. "Ich will, dass er zur Verantwortung gezogen wird", lautet ihre Replik.

Am Donnerstag wird die Befragung fortgesetzt. Es käme einem Wunder gleich, wenn Donald Trump so lange schweigen würde. (Karl Doemens aus Washington, 7.5.2024)