Traktor auf Feld
Unterwegs in die Vergangenheit? Ökonom Sinabell sieht mit der neuen Förderung von Agrardiesel "ein Verlangsamen von Innovationen" wahrscheinlicher werden.
IMAGO/Jochen Eckel

Im Schatten des neuen Klimabonus verkündete die Bundesregierung am Mittwoch auch ein immerhin rund 300 Millionen Euro schweres Förderpaket für die Landwirtschaft. Der Löwenanteil von 209 Millionen fließt in die Subvention des sogenannten Agrardiesels. Das Landwirtschaftsministerium rechnet vor, dass Landwirte im Jahr 2024 um etwas mehr als 20 Cent pro Liter Diesel entlastet werden.

Die künftige – und teilweise rückwirkende – Subvention für Agrardiesel setzt sich aus zwei Geldtöpfen zusammen. Die Landwirte bekommen eine Rückvergütung der CO2-Bepreisung, für die die Regierung 134 Millionen zur Verfügung stellt. Hinzu kommt eine Agrardieselvergütung, für die es weitere 75 Millionen gibt. Rechenbeispiel aus dem ÖVP-Parlamentsklub: Bei 20,5 Cent Entlastung je Liter Diesel kommen heuer 13,5 Cent aus der Rückvergütung des CO2-Preises sowie sieben Cent aus der steuerlichen Entlastung.

Zur Erinnerung: Bereits von Mai 2022 bis Juni 2023 gab es eine temporäre Rückvergütung bei Agrardiesel. Die Landwirte waren da durch steigende Produktionskosten infolge des Ukrainekriegs unter Druck geraten. Nun kommt also ein neuer – und größerer – Dieselbonus. Durch die rückwirkende Auszahlung kommt dieser einer Verlängerung der temporären Maßnahme gleich.

Erfolg für Bauernbund

Das Förderpaket reklamiert man im ÖVP-Bauernbund klar für sich: "Die Entlastung beim Agrardiesel haben wir lange gefordert und nun auch für die bäuerlichen Familien im Land erreicht", jubelte Niederösterreichs Bauernbund-Chef Stephan Pernkopf.

Weil Dieselmotoren als CO2-Schleudern gelten, verteidigte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) sein Paket am Mittwoch gleich mit dessen Vorstellung: Den Landwirten stünden in so gut wie allen Bereichen keine alternativen Antriebsformen zur Verfügung. Die CO2-Bepreisung habe in diesem Sektor daher keinen Lenkungseffekt, sondern sei nur eine zusätzliche Belastung. Außerdem gebe es in vielen anderen EU-Staaten eine Rückvergütung beim Diesel. Die Landwirte müssten im internationalen Wettbewerb gestärkt werden.

Unter Druck

Das Argument des Wettbewerbsdrucks kann Wifo-Landwirtschaftsexperte Franz Sinabell verstehen. "Die Energiepreise, aber auch die Preise vieler Agrargüter sind gestiegen. Einige Agrargüterpreise sind allerdings wieder auf das Niveau von vor der Krise zurückgefallen, zum Beispiel bei Weizen. Die Kosten für Düngemittel und Diesel sind auch zurückgegangen, aber nicht so weit wie die Preise vieler Agrargüter", sagt er.

Ein Liter Agrardiesel kostete am 29. April 1,64 Euro je Liter, besagen Zahlen der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen. Im Juli 2022 waren es bis zu 2,09 Euro, im Jänner 2022 – vor dem Ukraine-Krieg – allerdings rund 1,40 Euro. Totschnig spricht von "Betriebs- und Treibstoffkosten auf weiterhin hohem Niveau". Die Argumentation Totschnigs sei aus diesem Blickwinkel "nachvollziehbar", erklärt Sinabell. Ob man daraus eine politische Maßnahme mache, sei eine andere Frage.

Dass der Dieselpreis in der Landwirtschaft aber keinen Lenkungseffekt habe, wie Totschnig sagt, glaubt Sinabell nicht. Preissignale seien wichtig, um Verhaltensänderungen auszulösen. "Es stimmt, dass es in der Landwirtschaft wenige Möglichkeiten gibt, dem Diesel etwas anderes entgegenzusetzen. Aber es gibt schon ein paar Möglichkeiten, wenn auch nicht überall und für jeden einzelnen Betrieb", sagt Sinabell.

So gebe es "treibstoffsparende Bewirtschaftungsverfahren". Deren Nachteil sei, dass Bauern vermehrt Herbizide einsetzen müssten. Es sei also eine schwierige Abwägung, sagt der Ökonom: "Ich sehe Glyphosat aber für die Menschheit und das Klima als weniger belastend als fossile Treibstoffe an."

Bremse für Innovationen?

Eine Förderung von Agrardiesel sei "unter dem Blickwinkel der Klimakrise" jedenfalls "eine kontraproduktive Maßnahme", sagt Sinabell. "Wenn man den Dieselpreis durch diese Rückvergütung verändert, werden Innovationen nicht befeuert, sondern verlangsamt."

Auf Nachfrage des STANDARD, ob das nicht klimapolitisch ein schlechtes Signal sei, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium, man habe in den vergangenen Monaten und Jahren viele umweltpolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht – etwa die neue Gemeinsame Agrarpolitik der EU und ein Impulsprogramm mit mehr Geldern für Umwelt, Klima, Tierwohl, Bio- und Berglandwirtschaft. Aber: Abseits des Dieselmotors gebe es für die Landwirtschaft aktuell noch keine alternativen Antriebsmöglichkeiten.

"Gießkanne"

Kritik an der neuen Förderung übt Jasmin Duregger von Greenpeace. Diese werde "nach dem Gießkannenprinzip" an alle Betriebe verteilt, egal ob sie Diesel verwenden oder nicht. Hier werde nicht zielgerichtet gefördert, etwa um den Umstieg auf Elektromotoren zu erleichtern. (Lukas Kapeller, 16.5.2024)