FPÖ Party
Trotz aller Finanzaffären und gerichtlicher Korruptionsermittlungen ist die FPÖ in Feierlaune.
Florian Voggeneder

Ibiza, Finanzaffären, Korruptionsermittlungen der Justiz, undurchsichtige blaue Kanäle zu Putins Oligarchen: Alles jedoch, wie es in Wien so schön heißt, offenbar Powidl. Also egal. Die FPÖ befindet sich seit Monaten im Aufwind. Die Partei liegt in allen Umfragen bundesweit rund um die 30 Prozent, weit vor allen anderen Parteien.

Gute Chancen

Für die EU-Wahl im Juni werden Chancen auf den ersten Platz prognostiziert, und auch in der Steiermark, wo im Spätherbst gewählt wird und der dortigen FPÖ eine weitverzweigte Finanzaffäre zur Last gelegt wird, schießt die von Ex-Minister Mario Kunasek geführte Partei in Umfragen in die Höhe. Von 17,5 auf 29 Prozent, wie Meinungsforscher Peter Hajek für die dortige Kleine Zeitung ermittelte.

Diese für die FPÖ so günstige Stimmungslage im Land führt natürlich zu der Frage: Was veranlasst ein Drittel der Wählerschaft, den Blauen ungeachtet der Korruptionsvorwürfe und der Russlandnähe das Vertrauen zu geben? Was sind die Motive, trotz allem die FPÖ zu wählen?

Die Eliten

Peter Hajek hat eine Erklärung: Der FPÖ gelinge es, Wählerinnen und Wähler mit ihrer Erzählung zu erreichen, dass die Eliten es sich richten und die Wahrheit unterdrückten, die Wahrheit über Corona, die Ukraine, die Neutralität und Europa. Und die Wähler hätten das Nachsehen. Das wirke auch hinein in die Länder, wie die aktuelle Umfrage in der Steiermark zeige. Dieses große Narrativ löse gesellschaftlich eigentlich wichtige Themen wie Gesundheitswesen, Pflege oder Bildung ab, die für die FPÖ propagandistisch niederrangig seien, sagt Hajek im STANDARDGespräch.

Für Stefan Grigorow, er ist Bezirksparteiobmann der FPÖ im Grazer bürgerlichen Bezirk Geidorf, ist die Hajek’sche Analyse zu hoch gehängt. Bei seiner Parteibasis und den vielen "Hausbesuchen" höre er vor allem das eine Thema: "Ausländer und der Islam".

Die vielen "Vermummelten"

"Viele sind unzufrieden und fühlen sich mittlerweile benachteiligt den Ausländern gegenüber. Und auch unfair behandelt. Man traut der FPÖ eben zu, das Problem zu lösen", sagt Grigorow im STANDARD-Gespräch. Auch für ihn selbst sei dies das Hauptmotiv, sich für die FPÖ zu engagieren. "Die FPÖ hat schon sehr früh gesehen, dass es mit Ausländern ein Problem geben wird. Sie ist aber nur belächelt worden. Jetzt sehen wir, dass es stimmt", sagt Grigorow.

Erich Laufer, gebürtiger Südsteirer, pensionierter Archäologe und FPÖ-Wähler, will dieses Thema dick unterstreichen: "Ich möchte ein Österreich, wie es noch richtig und schön war. Ich brauch keinen Ausländerstaat und diese gewollte Überfremdung. Wenn ich heute im Bus fahr, bin ich oft der einzige Österreicher. Dann die vielen Vermummelten. Das Land ist gottlos geworden."

Punkten mit Zuwanderung

Die FPÖ sei die einzige Partei, die dagegenhalte. Das sieht auch Sabine R. (45), Angestellte und langjährige FPÖ-Wählerin, so: "Es ist zu viel an Zuwanderung." Es gehe in erster Linie um die "Islamkultur". "Die ist mit unserer ganz einfach nicht kompatibel. Wir müssen endlich das Ruder herumreißen." Das sieht dann konkret so aus: Bei einer Diskussionsveranstaltung zur EU-Wahl an einem Gymnasium in Graz sagte FPÖ-Bundesrat Markus Leinfellner vor kurzem, dass Menschen, die Schweinefleisch essen, "weniger dazu neigen, sich in die Luft zu sprengen". Ein Video der Veranstaltung wurde publik, die Aufregung ist seither groß. Und die FPÖ freut sich öffentlich über die "künstliche Empörung".

Wie sieht nun das aktuelle Stimmungsbild in Österreichs Wählerschaft aus? Das Linzer Market-Institut hat im April und Mai dieses Jahres im Auftrag der Paul Lazarsfeld Gesellschaft wöchentlich 1.000 Wahlberechtigte zu deren politischen Präferenzen befragt. Etwa ein Viertel der Befragten hat angegeben, bei einer Nationalratswahl FPÖ zu wählen, was die FPÖ zur stärksten Partei machen würde. Diese Zahl stellt die Grundlage für die Hochrechnungen dar, in denen die FPÖ bei 29 bis 30 Prozent liegt. Ein genauerer Blick in die Rohdaten zeigt: 28 Prozent der insgesamt 2.920 befragten Männer und 21 Prozent der 3.061 befragten Frauen bekennen sich dazu, FPÖ zu wählen.

Bildung und Bekenntnis

Die Struktur der Daten deutet auch darauf hin, dass Personen mit höheren formalen Abschlüssen weniger geneigt sind, sich dazu zu bekennen, FPÖ zu wählen. Daraus könnte man schließen, dass weniger gebildete Menschen eher bereit sind, die FPÖ zu wählen, als Menschen mit höheren Abschlüssen – das könnte zu kurz gedacht sein, meint Pfarrhofer: "Es kann nämlich auch sein, dass die Menschen mit höherer Bildung zu vorsichtig oder zu feig sind, sich zur FPÖ zu bekennen."

Sieht man sich die geografische Verteilung der bekennenden FPÖ-Präferenten regional an, so fällt auf: In Niederösterreich, dem Burgenland, Oberösterreich, Kärnten und Tirol würden auffallend viele ihre Stimme der FPÖ geben. Aber auffallend wenige bekennen sich in Wien zur FPÖ. Pfarrhofer erklärt das so: "In Wien ist die SPÖ immer noch sehr stark, ein ähnliches Muster gibt es in Vorarlberg, wo die ÖVP häufiger als die FPÖ genannt wird."

Fehlende Alternativen

Dass die FPÖ so viel Zuspruch bekomme, funktioniere auch deshalb, weil SPÖ und ÖVP kein entsprechendes Gegenangebot machten, sagt Meinungsforscher Hajek. Hier komme auch die personelle Komponente hinzu, speziell auch in der Steiermark. Den beiden Ersten im Land, Christopher Drexler (ÖVP) und Vize Anton Lang (SPÖ), fehle es an Strahlkraft, um der FPÖ-Propaganda etwas entgegenzusetzen.

Und allgemein: "ÖVP und SPÖ zwingen die FPÖ nicht in den politischen Diskurs. Das heißt in der Folge, dass Wähler offen sind für diese Narrative der FPÖ, die – was von SPÖ und ÖVP seit Jahren vernachlässigt wurde – über eigene Medienplattformen transportiert werden. ÖVP und SPÖ haben die digitale Überfuhr verpasst", sagt Hajek.

Es sind nicht nur die oft zitierten "Abgehängten", die die FPÖ präferieren, wie auch ein Gespräch mit FPÖ-affinen Wählern in der Obersteiermark – die anonym bleiben wollen – offenbart. Es spielen auch Verlustängste durchaus Wohlhabender eine Rolle, die Angst, kulturelle Identität wie auch die Zukunftssicherung für die Kinder zu verlieren. Und hier, das war ein Tenor in der Runde, punkte die FPÖ "mit klaren, einfachen Antworten". "Die Partei und vor allem der Kickl, die reden net so viel herum, sondern sagen, was Sache ist", meint einer der Gesprächspartner des STANDARD.

Sensible Wähler

Die "klare Sprache" scheint besonders auch bei sensiblen, angstbelegten Themen wie der Sicherheit zu wirken. "Wähler der FPÖ reagieren ja besonders empfindlich, wenn es um Sicherheit und Migration geht – und sie machen vielfach die Politik für ihre schlechte Stimmung verantwortlich." Freiheitliche seien "besonders sensibel. Sie fürchten alles – außer den Klimawandel", sagt Pfarrhofer vom Market-Institut.

Im freiheitlichen Lager gibt es, wie seine Daten belegen, auch besonders wenige Optimisten, dafür aber eineinhalbmal so viele erklärte Pessimisten, nämlich 61 Prozent, wie in der Gesamtbevölkerung, in der sich 40 Prozent als ausdrücklich pessimistisch deklarieren.

Freiheitliche sehen das Sozialsystem, den Arbeitsmarkt, die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und jene der EU viel kritischer als andere. FPÖ-Wähler Erich Laufer meint etwa, ihm werde "bange, wenn ich an die Entwicklung der EU denke. Da werden wir bald überhaupt nichts mehr zu sagen haben."

Hiobsbotschaften

Was den Akademiker und Impfgegner Laufer sofort zum Thema Corona bringt. Da werde, speziell was Impfung und Nebenwirkungen anbelange, "alles vertuscht und von der Pharmalobby gesteuert". Aber das für ihn Wichtigste: Er sehe Österreich ins Unglück laufen, ganz Europa werde untergehen. "Der Islam wird die Macht übernehmen. Haben Sie davor keine Angst?", fragt der pensionierte Archäologe und Historiker.

Apropos Unglück: Im Auftrag des STANDARD erhebt Market auch regelmäßig das allgemeine Glücksgefühl der Bevölkerung. Aktuell sagen 20 Prozent aller Wahlberechtigten, dass man sie auf jeden Fall als glücklich bezeichnen könne; 61 Prozent sagen, dass das eher schon gelte, 16 Prozent sind eher nicht glücklich und drei Prozent unglücklich. Die Wählerinnen und Wähler von SPÖ und ÖVP schätzen sich am ehesten glücklich; freiheitliche Wähler bezeichnen sich hingegen nur zu einem Viertel als eher nicht oder gar nicht glücklich.

"Unglückliche Menschen sehen mit höherer Wahrscheinlichkeit Probleme mit der Migration, mit hohen Preisen sowie mit dem Wirtschaftssystem an sich. Das deckt sich dann mit der Stimmungslage, die von der FPÖ bedient wird", sagt Market-Chef Pfarrhofer.

Schlüsselfrage

Eine Schlüsselfrage für FPÖ-Wähler ist auch das persönliche Sicherheitsgefühl. Market machte dafür eine Sonderauswertung von 5.000 Onlinebefragungen, wobei sich zeigte, dass die 1239 deklarierten blauen Wähler auch in dieser Frage eine Furchtsamkeit zeigen, die anderen Parteiwählerschaften fremd ist. Nur jeder zehnte befragte Freiheitliche fühlt sich "sehr sicher".

Sidestep: "Menschen, die freiheitlich wählen, haben tatsächlich eine starke Bindung ans Auto", sagt Pfarrhofer. Sieben von zehn Wählern der FP, aber nur 17 Prozent jener der Grünen stimmen völlig mit der Aussage überein, dass Autofahrer von der Politik zu sehr mit Steuern und Verboten drangsaliert würden.

FPÖ-Bezirksrat Grigorow möchte schließlich noch ein Detail anbringen: Wer glaube, die Finanzaffäre der FPÖ spiele eine große Rolle, sei "total im Irrtum". "Den Leuten ist das völlig wurscht. Sie sagen, das ist eh bei allen Parteien gleich. Des mochen eh alle", ist der blaue Basisfunktionär überzeugt. (Walter Müller, Conrad Seidl, 20.5.2024)