Eines ist unumstritten: OpenAI weiß, wie man die Öffentlichkeit für die eigene Technologie begeistert. Ein Demo eines neuen digitalen Assistenten, der mit allerlei neuen und unzweifelhaft beeindruckenden Fähigkeiten aufwarten kann, sorgte in der Vorwoche für Aufsehen. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch eine neue Stimme des Assistenten namens "Sky", die wesentlich natürlicher als seine bisherigen Stimmen klingt. Ausgerechnet diese bringt dem Unternehmen nun aber gehörigen Ärger ein.

Scarlett Johansson ist nicht erfreut.
REUTERS/Yara Nardi

Schwerer Vorwurf

Die Schauspielerin Scarlett Johansson wirft OpenAI vor, ihre Stimme ohne ihre Zustimmung kopiert zu haben. Sie sei "schockiert, verärgert und fassungslos", schreibt sie in einer Stellungnahme. OpenAI-Chef Sam Altman habe sie persönlich gleich zweimal in den vergangenen Monaten kontaktiert, damit sie der Nutzung ihrer Stimme für den neuen Assistenten zustimme. Sie habe das aber abgelehnt, nur um dann in der Vorwoche verblüfft festzustellen, dass "Sky" verblüffende Ähnlichkeiten zu ihrer eigenen Stimme aufweise. Also habe sie nun Rechtsanwälte eingeschaltet, um OpenAI zu einem Beleg dafür zu zwingen, wie die Stimme von "Sky" erstellt wurde.

Schon bei der Präsentation war vielen Beobachtern die Ähnlichkeit zur Stimme von Johansson aufgefallen. Dass OpenAI-Chef Sam Altman ihre Rolle als digitale Assistentin Samantha im Film Her als eine Art Zielvorgabe für die Entwicklung sieht, ist ebenfalls belegt, hat er das doch selbst mehrfach zu Protokoll gegeben. Als wären das noch nicht genug Hinweise, hat Altman nach besagter Präsentation auch noch das Wort "her" kurz auf X gepostet.

Dementi

Trotzdem dementierte OpenAI alle Vermutungen in dieser Richtung zunächst. So gab Technikchefin Mira Murati damals gleich gegenüber mehreren Medien zu Protokoll, dass die Stimme nichts mit Johansson zu tun habe. Mit dem von der Schauspielerin geschilderten Hintergrund klingt diese Behauptung nun natürlich mehr als zweifelhaft. Zumal der letzte Überredungsversuch von Altman laut Johansson nur zwei Tage vor besagter Präsentation erfolgt ist. Dass man in dieser Zeit schnell einmal eine neue Stimme erstellt hat, erscheint zumindest unwahrscheinlich.

Der Brief von Johansson sorgte umgehend für einiges Aufsehen, zumal er auch grundlegende Fragen zum digitalen Recht im Zeitalter der KI aufwirft, das gerade in Hollywood derzeit intensiv diskutiert wird. Bei OpenAI scheint man sich angesichts der überwältigenden Kritik aber auf die bisherige Position einbetonieren zu wollen. Firmenchef Altman betont nun in einem Statement gegenüber US-Medien, dass "Sky" nicht anhand der Stimme von Johansson erstellt wurde. Sie wurde angeblich von einer anderen Schauspielerin eingesprochen, deren Namen man aber aus Privatsphärengründen nicht nennen könne.

Zudem sei es auch nie das Ziel gewesen, dass die Stimme ähnlich wie Johansson klingen soll. Eine Aussage, die angesichts Altmans offensichtlicher Affinität zu Her und der nun dokumentierten Vorgeschichte etwas "gewagt" erscheint. Dass man die Stimme nun entfernt habe, sei auch kein Schuldeingeständnis, sondern erfolgt aus "Respekt für Miss Johansson", erzählt Altman weiter.

Grundlegende Kritik

Ungeachtet des konkreten Vorwurfs könnte der Vorfall aber gerade durch die Reaktionen der Firma weitere Kreise ziehen. In vielen öffentlichen Kommentaren wird sowohl Altman als auch Murati nun ein problematisches Verhältnis zur Wahrheit vorgeworfen, und zwar eines, das eigentlich nicht ganz neu ist. So sollen regelmäßige Falschaussagen Altmans schon vor einigen Monaten bei dem gescheiterten Versuch, den OpenAi-Chef abzusetzen, einer der Gründe gewesen sein.

Murati steht wiederum seit Wochen in der Kritik, weil sie in Interviews die einfache Frage nicht beantworten kann – oder will –, ob die neue Video-KI Sora anhand von Youtube-Videos trainiert wurde. In diesem Fall ist die Technikchefin natürlich in einer schwierigen Lage, immerhin wäre das ein Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen von Youtube, könnte OpenAI also in rechtliche Probleme bringen.

Der KI-Experte Gary Marcus übt nun jedenfalls grundlegende Kritik an OpenAI und vor allem an dessen Chef. Der Vorfall zeige, dass der Vorstand beim Versuch der Absetzung von Altman einst recht gehabt habe, dieser nicht immer ehrlich sei. Auch sonst zeichnen viele Kommentare zunehmend das Bild eines Unternehmens, das zum Teil unverantwortlich agiere. (Andreas Proschofsky, 21.5.2024)