Im Juni 1508, am Beginn der acht Jahre andauernden "Venezianerkriege", übersandte Kaiser Maximilian I. an die Innsbrucker Kammer (eine Art Finanzministerium) ein Gefäß mit Erbsensaatgut, zu dessen Anbau er exakte Vorgaben machte. Ein Teil der Erbsen sollte nach Wien weitergesandt werden: Offenbar plante der Kaiser als Feinschmecker und Pionier experimenteller Landwirtschaft, eine in allen seinen Erbländern einheitliche Musterzucht von Erbsen – wohl für seine eigene Tafel – aufzuziehen.

Dieses Beispiel zeigt, dass er spontane (eigene) Einfälle und Bedürfnisse genauso wichtig nahm wie die "große Politik". Dabei wollte der Kaiser die Realisierung seiner Ideen so weit wie möglich persönlich sicherstellen. Dazu bediente er sich einer großen Zahl vertrauter Diener. Das große interdisziplinäre Forschungsprojekt "Managing Maximilian", unter der Leitung von Andreas Zajic, bietet überraschende Einblicke in den Arbeitsalltag des Monarchen, seiner Familienmitglieder und seiner tausenden Diener und Amtsträger.

Kein "Letzter Ritter"

Als Bote des Sondertransports von Erbsensaatgut nach Wien fungierte ein damals aufgrund der militärischen Lage vielbeschäftigter Mann: Bartholomäus Freysleben, der Kommandant des kaiserlichen Zeughauses in Innsbruck. Er sorgte für die Ergänzung und Instandhaltung des an den verschiedenen Fronten des kriegerischen Kaisers dringend benötigten Arsenals. Dieses Kriegsgerät ließ er auch in drei Prunkhandschriften mit Deckfarbmalereien und Blattgold, heute in der Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums, für Maximilian bildlich dokumentieren.

Abbildung einer wurfbereiten "Bleide" mit Pferdekadaver in der Schlinge.
SFB F92/KHM, Hofjagd- und Rüstkammer

Eine dieser Darstellungen macht klar, warum die im 19. Jahrhundert aufgebrachte romantische Verklärung des Kaisers als "Letzter Ritter" unpassend ist. Tatsächlich bediente sich dieser zur Umsetzung seiner Politik aller damals bekannten, also "moderner" strategischer und militärischer Mittel und Waffen. Die abgebildete "Bleide", ein großes Katapult, diente dazu, bei Belagerung von Burgen und Städten neben großen Steinen auch Tierkadaver gegen den Feind zu schleudern, die als potenzielle Quelle von Seuchen und Erkrankungen einen effizienten biologischen Kampfstoff darstellten.

Maximilians "verwaltete Herrschaft"

In mancher Hinsicht mächtiger als das Schwert war aber auch für Maximilian die Feder. Seine Regierungszeit bringt nicht nur einen enormen Anstieg volkssprachlicher Publizistik und Propaganda sowie gelehrter lateinischer Dichtung zum humanistischen Preis des Herrschers. Die Ära Maximilians brachte auch einen enormen Bedeutungszuwachs für die Kanzleien als zentrale Schaltstellen der Macht mit sich. Jedes Pfund Pulver, das im Krieg verschossen wurde, jeder Prunkharnisch, der einem auswärtigen Gesandten zum Geschenk gemacht wurde, jedes Fass Wein, das auf die Tafel von Kaiser und Hof kam, wurde penibel schriftlich dokumentiert. Dieser ungeheure Verwaltungs- und Abrechnungsaufwand erforderte zunehmend bestens ausgebildetes, universitär geschultes Kanzleipersonal, dessen Kompetenzen sich längst von reiner Schreibtätigkeit zur Mitgestaltung der Politik durch "verwaltete Herrschaft" verschoben hatte.

Dass der zentrale Amtsträger der Regierungstätigkeit in Österreich noch heute der (Bundes-)Kanzler ist, geht auf diese mittelalterlichen Grundlagen zurück. Wenn die Universität Wien unter Maximilian I. große Anziehungskraft auf Studierende aus ganz Europa entwickeln konnte, liegt das an den in der Umgebung Maximilians tätigen Kanzlisten und Sekretären, die selbst humanistische Studien betrieben hatten und auf die Besetzung von Wiener Professuren bei ihrem Herrn Einfluss nahmen. Ein möglichst intaktes Vertrauensverhältnis zwischen dem Herrscher und den Ausführenden seiner Politik war für beide Seiten essenziell. Auch wenn Maximilian die Konzepte für politisch heikle kaiserliche Schreiben bisweilen eigenhändig aufsetzte, so lag die konkrete Verschriftlichung des Herrscherwillens doch in Händen der Kanzleiangehörigen.

"Chats" am Kaiserhof

So wird besser verständlich, weshalb Maximilian nicht nur im Rahmen seiner großen dynastisch-politischen Pläne als "Familienmensch" dachte, sondern auch bei der Rekrutierung seiner "Beamten" auf die Belastbarkeit von Familienstrukturen setzte. Wenn es einem Angehörigen gelungen war, Fuß in den ausgedehnten Verwaltungsstrukturen des Kaisers zu fassen, so folgte nicht selten ein anderes Familienmitglied in eine andere freiwerdende Position nach. Dass der Kaiser selbst diese engen Verflechtungen förderte – manche Interventionen für Günstlinge erinnern durchaus an einschlägige moderne "Chats" –, liegt daran, dass so ein Netzwerk an untereinander eng verbundenen und insgesamt dem Kaiser persönlich verpflichteten treuen Funktionsträgern entstand.

Über die Tätigkeit und auch die Bezahlung dieser "Beamten" geben zehntausende Aktenstücke Auskunft, die im Rahmen des Projekts minutiös bearbeitet werden. Dazu kommen zahlreiche Korrespondenzen, die Maximilian selbst mit seinen politisch aktiven Familienmitgliedern führte, allen voran mit seiner Tochter Margarethe, die über Jahrzehnte Statthalterin der habsburgischen "Niederlande" war und diese Territorien in eine ökonomische und kulturelle Blütezeit führte.

Ein Netzwerk von Männern und Frauen

Diese Briefe, ebenso wie solche zwischen Hofbediensteten beiderlei Geschlechts, dokumentieren detailreich, wie fürstliche "Haushalte" funktionierten und welche Bedeutung dabei das Zusammenwirken von Männern und Frauen im Familienverband hatte. Anhand des umfangreichen Materials lässt sich zeigen, was für Italien, Frankreich oder England schon lange bekannt ist: Ebenso wie Fürstinnen und Fürsten ihre Herrschaftsaufgaben in Krieg und Friedensverhandlungen, Patronage, Stiftungen und Wirtschaftspolitik untereinander aufteilten, so verhandelten sie miteinander über Posten in der Hofverwaltung, verantwortungsvolle Aufgaben bei der Kindererziehung oder Zuwendungen für treue Bedienstete – kurzum: die Zusammensetzung von "Hofstaat" und Verwaltung und deren konkrete Aufgaben.

Margarethe wehrte sich regelmäßig erfolgreich gegen Personalrochaden ihres Vaters, die ihr sachlich unangemessen erschienen, und einigen humanistischen Gelehrten gelang der soziale Aufstieg bei Hof nicht zuletzt durch die familiären und ökonomischen Netzwerke ihrer Ehefrauen. Diese stammten oft aus regional einflussreichen Familien der adeligen und städtischen Eliten und stellten das ökonomische und soziale Kapital für die Karrieren ihre Männer. Angehörige dieser Milieus trafen einander bei Hof, oft als Bedienstete und Besucher in den Innsbrucker Räumlichkeiten der Fürstinnen Bianca Maria Sforza, Maximilians zweiter Ehefrau, und später seiner Enkelin Maria und ihrer Schwägerin Anna Jagiello. Dort scherzte man auf Augenhöhe miteinander und knüpfte Beziehungen, die oft in Ehen mündeten. So fungierte der Hof auch als Heiratsmarkt für soziale Eliten.

Epitaph des Humanisten und kaiserlichen Rats Johannes Cuspinian und seiner beiden Ehefrauen, Wien, St. Stephan.
ÖAW, IMAFO, Die Deutschen Inschriften Wien

Von Erbsen und Birnen: Gender-Pay-Gap für Ehefrauen

Gemeinsam mit dem Kaiser kümmerten sich die Fürstinnen daher um geeignetes Personal für das "Frauenzimmer", wobei minutiös auf Herkunft, Stand und Ruf geachtet wurde – und regelmäßig Sparmaßnahmen ins Kalkül gezogen werden mussten. Hofmeisterin und Hofmeister wurden oft als "Arbeitspaar" engagiert und so in den Ämterlisten geführt; sie führten fallweise über Jahrzehnte erfolgreich die Geschäfte, wie Paula und Niklas Firmian.

Andere Fälle wurden deutlich weniger egalitär gehandhabt, denn vielfach wird eine für modernes Verständnis drastische Ungerechtigkeit offenkundig: Die Ehefrauen mancher Amtsinhaber erhielten für ihre Tätigkeit im persönlichen Auftrag des Kaisers oft keinerlei Lohn. Dies belegt die Abrechnung der Frau des Innsbrucker Kammermeisters über die von Maximilian jahrelang von ihr bezogenen eingelegten oder kandierten Birnen.

Wie im Fall der Erbsen ließ sich der König die Zubereitung seines Lieblingsobstes ein persönliches Anliegen sein und organisierte Arbeits- und Transportprozesse; eine eigene Bezahlung der für die Zubereitung zuständigen Frau Möringer geht aus der Rechnung allerdings nicht hervor. Hier wirkten sich die fließenden Übergänge der Arbeitsressourcen eines Ehe- und Arbeitspaares im Dienste Maximilians offensichtlich zu dessen Gunsten aus, verschleiern aber gleichzeitig die Leistung der Dienstleisterin. Ähnliches gilt für viele andere Frauen, die gemeinsam mit ihren Männern bei Hof, etwa in der Organisation der Hofkapelle, oder in seinem riesigen Herrschaftsgebiet tätig waren und die oft erst sichtbar werden, wenn ihre Ehemänner verstarben und sie um Zahlung ausständiger Löhne für den Unterhalt von minderjährigen Kindern ansuchten. (Andreas Zajic, Christina Lutter, 22.5.2024)