Anya Taylor-Joy, Mad Max 
Aufgrund der aktuellen Verkehrssituation in der Postapokalypse wieder einmal eine schwere Partie für Berufskraftfahrerinnen: Anya Taylor-Joy versucht als Furiosa erst gar nicht, das Beste aus der Situation zu machen.
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Die Bomben sind gefallen. Nichts geht mehr. Die überlebende Menschheit hat sich ausgerechnet in die großen elenden Sandwüsten in der Mitte Australiens geflüchtet. Dort kragelt man sich gegenseitig seit Jahr und Tag und Fallout in einem ungeahnten und jede gesellschaftliche Solidargemeinschaft vermissenden Verdrängungswettbewerb wegen Wasser, Treibstoff und Verbrennungsmotoren ab. Fleisch ist Gott sei Dank genug da: Hallo, Nachbar!

Demokratie gilt jedenfalls als Fremdwort von sensiblen Leuten wie einem hintergründig aus dem Off brabbelnden sogenannten Philosophen, der das wenige Wissen der Menschheit aufgrund Papiermangels auf seine Haut tätowiert hat. Leute mit geringem Durchsetzungsvermögen sind grundsätzlich nur dafür da, als Leichen den Weg der dominanten Psychopathen zu pflastern. Die nennen sich Immortan Joe, Dementus oder Mad Max. Der Letztgenannte wird aber heute in Furiosa: A Mad Max Saga nur ganz am Schluss dabei sein.

Mad Max Hemsworth
Hier steht er nun, der arme Thor: Chris Hemsworth als Bösewicht Dementus mit umgeschnalltem Kuschelteddy.
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Der australische Regisseur George Miller ist sonst für die ungleich familienfreundlicheren Heldenreisen von Ein Schweinchen namens Babe oder Happy Feet bekannt. Vor seiner Filmkarriere praktizierte er jahrelang als Unfallarzt. Für die geneigte Fachwelt zeigt er nun auch im mittlerweile fünften Teil der Mad Max-Reihe, Furiosa: A Mad Max Saga, auf wie viele verschiedene Arten man im Straßenverkehr oder in Gemetzeln auf diversen Raststätten mit künstlich verknappter Wasser- und Benzinversorgung man verwundet werden kann – und wie schwierig es ist, das alles wieder zusammenzuflicken. Triggerwarnung.

Die Sonne sengt, Motoren röhren. Gleich bügeln uns zweieinhalb Stunden lang die testosteronhaltigen Technobeats von Soundtrack-Lieferant Tom Holkenborg alias Junkie XL nieder. Alles bolzt, brettert, röhrt. Die Reifen geben auch auf Schotterstraßen sprichwörtlich Gummi. Erzählt wird dieses Mal nicht, wie Mel Gibson damals dank seines aus Gründen der Menschenwürde abgeschnittenen Vokuhilas im wirklich läppischen Jenseits der Donnerkuppel, dem dritten Teil von Mad Max von 1985, über die Turmfrisur von Tina Turner siegte. Dadurch wurde 2015, also nach 30-jähriger Inkubationszeit, der alles andere als sozial umgängliche Titelheld in Gestalt Tom Hardys im fantastischen Benzinbruderballett Mad Max: Fury Road möglich.

Warner Bros. Pictures

Erzählt wird in Furiosa die Vorgeschichte der damals in Fury Road von Charlize Theron und nun von Anya Taylor-Joy als Heidi auf Crack mit großen stechenden Manga-Augen und sehr wenig Dialog gespielten, ebenfalls kaum einen guten Tag habenden Berufskraftfahrerin Imperator Furiosa. Furiosa schafft für die künstliche Oase "Zitadelle" des Tyrannen Immortan Joe Benzin in einem Monster-Truck aus der etwas entlegenen und zu manch Verfolgungsjagd einladenden hauseigenen Raffinerie herbei. Immortan Joe schaut die ganze Zeit drein, als ob er einen Kübel Panzerschokolade gefressen hätte.

Gestört wird das schurkenstaatliche Idyll, in dem Blutwurst meist aus dem Lebenssaft seiner Untertanen produziert wird, dieses Mal nicht vom ehemaligen Ordnungshüter Max Rockatansky. Der erste in der illustren aktuellen Reihe von körperlich, geistig und moralisch beschädigten Bösewichten nennt sich – Achtung! – Dementus. Chris Hemsworth, der Donnergott Thor aus dem Marvel-Universum, gibt ihn genüsslich sadistisch im australischen Slang schmierend als Crocodile Dundee in der Inszenierung eines Königsdramas von Shakespeare bei sommerlichen Freiluftspielen auf dem Land.

Rambazamba im "Wasteland"

Furiosa wurde einst als kleines Mädchen von Dementus und seiner illustren, nachgerade wie aus einem – ja, was?! – Mad Max-Film stammenden Steampunk-Bikergang aus der recht amtlich mit Vegetation und Fließwasser ausgestatteten und von einer bewaffneten Hippiekommune bewachten Ackerscholle namens "Green Place" geraubt. Der grüne Sehnsuchtsort versteckt sich irgendwo in der Wüstenei des atomar verseuchten "Wasteland". Dort wollen natürlich alle im Film gezeigten, eher selten guten und meist schlechten Menschen hin. Die Verhältnisse sind nun einmal so.

Furiosas Mutter wurde zwecks Preisgabe der Koordinaten des "Green Place" von Dementus grausam zu Tode gefoltert. Furiosa ist deswegen noch als Erwachsene entsprechend hart drauf und schwört Rache. Rache bei hoher Motordrehzahl und Oktan-Booster mit einer rein körperlich spielenden Hauptdarstellerin. Sie böst uns im Kinosaal mit ihren wirklich riesigen Augen bis zum doch recht überraschenden Ende hin gnadenlos an. Das ist das Drehbuch auf dem Bierdeckel. Noch Fragen?

Mad Max
Hauptsache, der Tank ist voll: Die Fahrzeuge in "Mad Max" werden zunehmend absurder.
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Während im Hintergrund die Wüste in Blutrot getaucht wird, erlebt man dank der zunehmend psychoakustisch mürbe machenden Rammstein-Sounds im Imax-Saal wirklich atemberaubend choreografierte Verfolgungsjagden mit absurd zusammengeschusterten Fahrzeugen, Flugdrachen, auffrisierten Angeber-Mopeds oder einem Streitwagen, der von Motorrädern statt Pferden gezogen wird. Im Gegensatz zum Vorgänger Fury Road allerdings mangelt es Furiosa nicht nur an einer Prise Humor.

Während Schädel platzen, das Beuschel suppt oder Gliedmaßen im Fließverkehr abgetrennt werden, vermisst man auch ein wenig die Seele eines Films, der eigentlich doch sehr stark auf ein sehr tiefes Gefühl baut. Während die Welt brennt und Bomben und Granaten detonieren, schaut uns Furiosa stumm an und sagt: Mir geht jetzt gleich das Geimpfte auf. Fortsetzung folgt. (Christian Schachinger, 22.5.2024)