Hat Harald Vilimsky Mitleid mit dem Publikum von ORF 3 am Dienstagnachmittag? "Zuhören tut weh, ich weiß", spricht der FPÖ-Spitzenkandidat eine große Wahrheit in der ersten Zweierkonfrontation von insgesamt zehn gelassen aus. Vilimsky meint allerdings nur seine eigenen Schmerzen dabei, seinem Gegenüber, Neos-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter, zu lauschen, ohne dazwischenzureden.

Harald Vilimsky (FPÖ) in Aktion beim Streitgespräch mit Helmut Brandstätter (Neos) auf ORF 3.
ORF 3 Screenshot

Vilimsky hat sich aufmunitioniert für das Gespräch mit Vorwürfen an Brandstätter, die Neos und andere europäische Liberale. Deren Spitzenkandidatin zur Europawahl sei "Waffenlobbyistin". Brandstätter wirft er vor, mit einem "bekannten Antisemiten" durch Salzburg flaniert zu sein. Das Posting des Mannes auf Social Media sei "sofort gelöscht" worden, sagt Brandstätter, Vilimsky will es "noch veröffentlichen".

Als Brandstätter sich nicht von einer Partei des Antisemitismus zeihen lässt, die ein Nationalsozialist gegründet habe und in der Einzelne mit Hitlergruß im niederösterreichischen Landtag beobachtet würden, spricht Vilimsky vom "Blödsinn eines 16-jährigen Buam", und in seinem Wortschwall fällt zwischendurch in Richtung Brandstätters auch der Begriff "therapieren".

Den Begriff hat Brandstätter vielleicht gar nicht gehört, sonst wäre es der nächste Anlass für Empörung gewesen, von denen Vilimsky ohnehin eine Menge liefert. Er lobt Donald Trump als US-Präsident, weil der in seiner Amtszeit keinen Krieg begonnen haben. Welchen hat Biden begonnen?, fragt Brandstätter, der langjährige Journalist. Vilimsky spricht von einem "Stellvertreterkrieg" der USA in der Ukraine, die diesen "am Laufen" hielten. "Eine Beleidigung der Menschen in der Ukraine", kommentiert das Brandstätter und fragt sich, "ob er es nicht weiß oder absichtlich Unsinn redet". Als Vilimsky von einer "Überreaktion" spricht bei der Verteidigung der Ukraine, empört sich Brandstätter über den Begriff der "Überreaktion auf tägliches Morden, auf das Entführen von Kindern" durch Russland.

Vilimskys akrobatische Argumentation

In akrobatischer Ambivalenz übt sich Vilimsky einstweilen mit seinem Bekenntnis, es gelte, "jeden Autokraten politisch zu bekämpfen" und zugleich etwa in Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán "einen guten Staatenlenker" zu sehen, und doch zwischen diesen beiden Sätzen zu sagen: "Ich bin der Letzte, der AfD oder Orbán verteidigen will, ich will österreichische Interessen verteidigen."

Leeres Studio für die Zweierkonfrontation auf ORF 3: Harald Vilimsky (FPÖ), Theresa Kulovits (ORF 3), Helmut Brandstätter (Neos).
ORF 3 Screenshot

ORF-3-Moderatorin Theresa Kulovits ist nicht zu beneiden um den, Job, sich in einem leeren Publikumsstudio zwischen den gegeneinander anredenden Politikern Gehör zu verschaffen: "Meine Herren! Ich möchte eine Frage stellen!" Als sie doch zu Wort kommt und Vilimsky anspricht auf dessen Nato-Beitrittsambitionen 1998, wischt der das Argument mit einer "völlig veränderten Nato" weg.

Und bevor der FPÖ-Europaabgeordnete die allererste Frage der Moderatorin beantwortet, muss er Kritik am ORF anbringen. "Ich verstehe nicht, dass der ORF dieses Programm auf dem Sender mit den wenigsten Sehern versteckt." Vilimsky fände das passender auf ORF 1 (das die FPÖ schon abschaffen wollte) oder ORF 2. Er wird es eine gute halbe Stunde später vielleicht besser verstehen.

Kulovits' letzte Frage lautet: Glauben Vilimsky und Brandstätter eigentlich, dass ihre Konfrontation auf ORF 3 dazu geeignet war, das Vertrauen in die Politik und die Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl zu stärken? Wieder fällt Vilimskys Befund sehr offen aus (auch wenn er wohl nur den störenden Brandstätter meint): "Das Gespräch heute war ein Negativbeispiel. Ich würde mich abwenden, wäre ich Wähler." (fid, 21.5.2024)